In unserem heutigen Leben sowie auch im Kunstkontext begegnen einem die Begriffe Feminismus und feministisch sehr oft – zu oft, wie ich finde. Meines Erachtens werden sie häufig zu schnell und an Orten eingeflochten, an denen sie der Sache nicht dienen, keinen Mehrwert bringen oder schlicht nichts zu suchen haben.
Es hat mich beschäftigt, wieso der Begriff Feminismus in Diskussionen immer wieder auf Ablehnung stösst, selbst bei Menschen, die in meiner Wahrnehmung feministischer denken und handeln als viele andere, die sich selbst als Feminist:innen bezeichnen.
Für Menschen, die sich nicht tiefgründiger mit Feminismus beschäftigen, steht dieses Wort nach wie vor schlicht für Frauenanliegen. Manchmal noch verbunden mit Alice Schwarzer.
Doch natürlich haben sich die Bestrebungen sowie die Theorien der feministischen Bewegung längst weiterentwickelt und verändert. Das Wort aber ist geblieben. Und damit in vielen Köpfen auch nach wie vor der Inhalt, der damit verbunden wird. Nämlich dass der Feminismus ausschliesslich für Frauenanliegen kämpft. Sprache ist von höchster Relevanz – dies wissen Feminist:innen nur zu gut. Das Wort Feminismus ist durch die Frauenbewegung entstanden, und die Wort-Herkunft findet sich im Begriff «femina», der aus dem Lateinischen stammt und «Frau» bedeutet.
Der Feminismus setzt sich aber mittlerweile auch für andere Minoritäten ein sowie für eine andere Art des Zusammenlebens und Miteinanders auf diesem Planeten. Dies wird in diesem Wort allerdings nicht widergespiegelt. Deshalb wird dies, wenn von Feminismus die Rede ist, auch von vielen nicht in dieser erweiterten Form wahrgenommen. Die Folge: der Begriff mindert die Schlagkraft, weil zum Teil nicht mehr klar ist, für was er genau steht.
Was aber noch viel gravierender ist: Viele Menschen, die sich nicht als «femina» identifizieren, fühlen sich nicht angesprochen und weder dem Problem noch der Lösung zugehörig. Dies, obwohl es sich vielfach um gesamtgesellschaftliche Themen handelt, für die sich der Feminismus einsetzt.
Das Resultat kann sein, dass sie nicht weiterlesen, weitergehen oder dass das Gesehene einen Beigeschmack erhält, der nicht zielführend ist.
Um dies zu veranschaulichen, möchte ich hier ein Beispiel anbringen. Mir ist Ende letzten Jahres an der documenta 15 in Kassel ein inspirierendes Video-Werk von Klara Charlotte Zeitz namens «Like Lava INSIDE ME» begegnet. Es handelt sich um die Geschichte einer Emanzipation aus alten Mustern und Denkweisen. Der inhaltliche Fokus der Arbeit liegt auf der Frage nach dem Auslöser für tiefgreifende Veränderung für Widerstand und Befreiung. Sie plädiert für eine positive Konnotation von Wut, um revolutionäre Prozesse zu aktivieren. Die Arbeit soll, so der Text, ganz zum Schluss «den Raum für die feministische Version einer lebensbejahenden Zukunft öffnen, in der alle Stimmen einen Raum bekommen».
Da habe ich mich gefragt: Muss sich die betrachtende Person dem Feminismus zugehörig fühlen, um ebenfalls dafür zu sein, dass alle Stimmen einen Raum bekommen? Ist dieses Wort in diesem Kontext nötig? Löst der Begriff in diesem Zusammenhang gar negative Assoziationen aus, bei Menschen, welche sich nicht als Feminist:innen sehen? Fördert er hier den Widerstreit? Ist dies zielführend für das Werk selbst? Für uns als Gesellschaft?
Bereits die feministische Theoretikerin Judith Butler, Autorin des 1990 erschienenen und vielseits beachteten Buches «Gender Trouble», stellte sich darin die Frage, ob die Ausschliessungsverfahren, die die feministische Theorie auf dem Begriff der «Frau» als Subjekt gründen, nicht paradoxerweise die feministische Zielsetzung unterlaufen, den Anspruch auf «Repräsentation» zu erweitern.
Ich habe mich gefragt, ob es nicht an der Zeit ist, nebst dem Feminismus einen Begriff zu etablieren, der im Wort kein spezifisches Geschlecht vertritt, aber die Ideen der heutigen Theorien des Feminismus in sich vereint. Damit sich auch diejenigen angesprochen fühlen, die im Moment rein wörtlich genommen exkludiert sind: die Männer. Sonst geschieht in umgekehrter Form dieselbe Ausgrenzung, wie sie der Feminismus am Patriarchat kritisiert. Dies mag bis anhin der richtige Weg gewesen sein, sich abzuheben und neue Formen des Denkens und Handelns zu entwickeln und aufzuzeigen. Nun geht es aber darum,dass diese bei allen Menschen ankommen.
Wir befinden uns heute an einem anderen Punkt als damals, als die Bewegung des Feminismus begründet wurde. Vielleicht ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, dies zu erkennen und diese Begrifflichkeit zu überdenken und ein Pendant zu schaffen, damit das Wort Feminismus wieder für das stehen kann, für das es ihn nach wie vor braucht und er häufig auch immer noch wahrgenommen wird: für die Anliegen der Frauen.
Seit dem internationalen Frauentag am 8. März bis zum 22. März gibt es in der Ausstellung «Gleich?! Die Schweiz auf dem Weg zur Gleichstellung» am Hauptbahnhof Zürich viele Werke zu sehen, die auch zur feministischen Kunst gezählt werden könnten. Ich hatte die Ehre, diese Ausstellung als Kuratorin umzusetzen, und obwohl die Themen definitiv feministisch sind, findet sich dieses Wort in praktisch keinem der Texte.
Viele Bereiche, welche heute unter Feminismus zusammengefasst sind, gehen alle etwas an. Darum lasst uns diese aus der feministischen Ecke entlassen und einen inklusiveren Ausdruck dafür finden.