Wir fragen Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven.
Wer hat dich als Model entdeckt? Sicher eine Frau, oder?
Nein ... (lacht). Das lief anders. Mein allererstes Shooting war bei einem Coiffeur hier in Zürich – just for fun. Ich war damals Bankkundenberater und habe nebenbei viel trainiert und mich für Fitness interessiert. Dieser Coiffeur meinte dann, ich hätte Potenzial für ein Magazin-Cover.
Für so ein typisches Männer-Magazin?
Ja genau, ich hatte diverse dieser Magazine damals auch abonniert – Men’s Health und wie die alle heissen. Ich dachte, es wäre doch cool, mal auf so einer Titelseite zu erscheinen. Kurz darauf war ich auf einer Fitnessmesse, weil ich mich für Trends in der Branche interessierte. Da wurde ich dann von einem Förderer von Arnold Schwarzenegger entdeckt, und die Dinge nahmen ihren Lauf.
Wie ging es dann weiter?
Ich flog für mein erstes Cover-Shooting nach Los Angeles, dort ist die Fitness-Szene zu Hause. Nachdem ich meine erste Titelseite erreicht hatte, war es wie ein Lauffeuer – bis heute bin ich auf 22 Magazin-Covern erschienen.
Vom Banker zum Supermodel – du hast Grips und siehst auch noch gut aus. Das geht also zusammen?
Ich denke schon, ja (lacht). Ich habe danach bei der Bank gekündigt, weil ich in mir noch ein anderes Potenzial gesehen habe.
Ah ja? Was denn?
Als Coach, weil ich sehr empathisch bin und gut mit unterschiedlichen Menschen umgehen kann. Schon auf der Bank hat es mir immer gefallen, Menschen in finanziellen Themen weiterzubringen – heute hat sich einfach die Materie verändert. Ich habe diverse Ausbildungen gemacht in der Trainingslehre, Ernährung, in mentalem Training und so weiter. Ich wollte von den Besten lernen und habe viel in meine Bildung investiert.
Wie gehst du damit um, dass du häufig auf dein Äusseres reduziert wirst?
Es heisst leider schon oft: Muskel gleich dumm. Aber die Leute merken ja dann schnell, wenn sie mit mir eine Konversation starten, dass ich ein empathischer und tiefgründiger Mensch bin. Und alles andere als oberflächlich. Ich finde es immer wieder schön, wenn ich Leute überraschen kann, obwohl sie mich zuerst schubladisieren.
Ist es überhaupt attraktiv, wenn ein Mann so viele Muskeln hat?
Das ist schlussendlich Geschmackssache. Es gibt Frauen, die das schön finden. Und natürlich gibt es auch solche, denen das nicht gefällt. Für mich ist es wichtig, dass mein Aussehen mir gefällt und ich mich damit identifizieren kann.
Wie meinst du das?
Mein Body passt für mich zu meiner Persönlichkeit: Ich bin eine Kämpfernatur, und ich mache Sachen ganz oder gar nicht. Ich wusste: Wenn ich im Fitnessbereich eine Karriere hinlegen, als selbstständiger Coach tätig sein und auf Titelseiten erscheinen will, dann muss ich mir einen «unique selling point» erarbeiten. Mein Body muss extrem sein und polarisieren – sonst kommt man auf keine Titelseite.
Leidest du unter dem Druck, einem Schönheitsideal entsprechen zu müssen? Das geht ja vielen Männern so.
Nein, überhaupt nicht. Mir macht Trainieren Spass, und das tut es schon seit 18 Jahren. Sonst hätte ich schon längst aufgehört. Aber klar, früher hatte das Training eine noch höhere Priorität als heute, weil ich damals eine Karriere daraus machen wollte. Heute sehe ich das etwas entspannter.
Bei Männern ist ja immer das Problem, dass sie mit schweren Gewichten gleich zu massig werden. Wie handelst du das?
Ähm … (überlegt). Das ist bei mir noch nie passiert. Eigentlich ist es eher umgekehrt, also dass Frauen Angst haben, dass sie mit Krafttraining zu muskulös werden. Aber das ist ein Vorurteil. Es braucht andere Faktoren, dass eine Frau zu muskulös wird. Und zu 99 Prozent sind das unnatürliche Mittel, wenn du weisst, was ich damit sagen will. Männer haben diese Angst nie – im Gegenteil: Oftmals muss ich Männer aus ihrer Komfortzone rausjagen.
Warum ist das Thema Figur bei Männern immer so ein Thema?
Das Thema ist bei Männern eher ein Tabuthema, das spüre auch ich bei meinen Kunden. Vor allem bei verheirateten Männern kommt es noch ab und zu vor, dass sie mit ihrem Körper nicht mehr so happy sind, zum Beispiel weil sie ein Bäuchlein haben. Und weil die Partnerin vielleicht ab und zu subtile Äusserungen dazu macht. Jedenfalls gibt es Männer, die mich heimlich als Personal Coach buchen, weil sie ihre Partnerin mit dem Spiegelbild überraschen wollen.
Du bist ja auch noch Co-Founder von einem Food-Start-up – Perfectyou. Ihr macht Trinkmahlzeiten. Weshalb müssen Männer immer ans Abnehmen denken?
Ja, mit dieser Trinkmahlzeit kann man abnehmen, wenn man will. Aber man kann auch abnehmen, wenn man jeden Tag eine Pizza isst und sonst nichts. Schliesslich geht es immer ums Kaloriendefizit, wenn man abnehmen will. Jedenfalls ist unser Produkt daraus entstanden, weil ich volle Tage hatte und eine Lösung brauchte, um trotzdem gesund zu essen. Gesundes Essen ist halt oft mit einem Zeitaufwand verbunden.
Apropos Zeitaufwand. Wie schaffst du das alles: Das Start-up, dein Studio, das Modeln …?
Ich muss schon zugeben: Letztes Jahr, als wir das Start-up Perfectyou gegründet haben, war es hart. Ich habe für mich selbst gesehen, wo meine Grenze liegt – nicht nur im Sport, sondern auch geschäftlich. Ich bereue es nicht, dass ich den Weg gewählt habe, aber ich habe mir das am Anfang einfacher vorgestellt.
Inwiefern?
Am Anfang ist man nur vom Positiven geleitet und denkt: Hey cool, ich kann meine Vision verwirklichen. Ich war mir jedenfalls nicht so bewusst, wie viel Zeit und Priorität das in meinem Leben einnehmen wird. Es ist wie ein kleines Kind. Und es ist halt schwierig, wenn man gleichzeitig zum Beispiel noch Papi werden will. Das beisst sich schon ein bisschen.
Hast du auf Familie verzichtet fürs Start-up?
Ja. Eine Familie zu gründen, war damals zwar ein Thema für mich. Aber irgendwo musste ich zurückstecken – beides gleichzeitig wäre nicht gegangen. Für mich geht es aber nicht per se um Verzicht, sondern um Choices.
Kannst du denn überhaupt Spass haben mit all der Arbeit und dem Sport?
Ja, vor allem in den Ferien kann ich gut abschalten und geniessen. Seit ich das Start-up habe, muss ich schauen, dass ich meine Batterien in den Ferien richtig aufladen kann. Jedenfalls haben Ferien und Relaxen mehr an Bedeutung gewonnen. Früher war ich sicher extremer – heute nehme ich es etwas gemütlicher.
Du bist ja auch noch Veganer – typisch Mann. Wie kommt das?
Ich hatte vor ein paar Jahren einen Parasiten beim Sushiessen aufgelesen. Die Ärzte dachten zuerst, es sei eine unheilbare Darmkrankheit. Jedenfalls musste ich dann meinen Darm reinigen und die Darmflora wieder aufbauen. Dann konnte ich mich langsam wieder flüssig ernähren und dann im nächsten Schritt pflanzlich. Insgesamt hat es fast zwei Jahre gedauert, bis ich wieder gesund war, und seither lasse ich tierische Produkte weg.
Was sagst du Frauen, die Angst haben, durch vegane Ernährung zu wenig Proteine zu bekommen?
Für den Muskelaufbau sind Proteine nicht der einzige entscheidende Faktor. Man braucht einfach ein Minimum davon. Als Faustregel gilt 1.4 bis 2.4 Gramm Proteine pro Kilogramm Körpergewicht. Ein anderer wichtiger Faktor ist eine gute Insulinsensitivität.
Das darfst du mir mansplainen.
Insulin ist ein Hormon, das man braucht, um Kohlenhydrate wie z.B. Pasta zu verwerten. Wenn der Blutzucker steigt, baut Insulin diesen ab und speichert ihn als Glykogen in der Muskulatur und in der Leber ab. Jedenfalls braucht man nicht ultraviel Eiweiss, um Muskeln aufzubauen, sofern die hormonelle Ausgangslage dafür stimmt.
Du hast mit über 260’000 Follower:innen eine grosse Fanbase auf Instagram. Wie oft kriegst du DMs von Verehrerinnen?
(Lacht.) Das passiert schon. Ich geniesse das aber und glaube, als Mann darf man das auch geniessen. Generell lebe ich nach dem Pull-Prinzip.
Was heisst das?
Ich glaube daran, dass die Kund:innen von selbst auf dich zukommen – man soll sie nicht jagen. Und bei der Liebe soll es auch so sein: Je mehr man pusht, desto weniger klappt es mit der grossen Liebe. Ich bin ja seit knapp zwei Jahren Single. Ich nehme das aber easy. Es kommt, wie es kommt.
Schreckt es Frauen ab, dass du so stark und sportlich bist?
It all comes down to self-esteem. Wenn eine Frau ein gutes Selbstbewusstsein hat, dann weiss sie, dass sie viele andere Qualitäten hat und Sport nicht das Killerkriterium ist, damit es funkt.
Was ist dir denn wichtig bei einer Frau?
Als Unternehmer ist mir eine zuverlässige Partnerin wichtig. Und Loyalität. Und ich finde es entscheidend, dass man in einer Partnerschaft antizipieren kann, wie der Alltag des anderen aussieht. Dann kann man sich gegenseitig etwas abnehmen. Jedenfalls ist es für mich nicht so matchentscheidend, ob jemand viel Sport macht oder nicht. Aber klar, mit einer übergewichtigen Person könnte ich nicht zusammen sein, weil das einfach nicht zu meinen Wertvorstellungen passt.
Wie bekommt man als Mann eigentlich ein Sixpack?
Puh … (lacht und flext mit seinen muskulösen Armen). Das ist fast 80 Prozent Ernährung und auch genetisch bedingt. Leider ist es ab Tag eins im Leben entscheidend, wie man sich ernährt. Wenn Eltern ihren Kindern viel Junk Food geben, dann legt man einen schlechten Grundstein und der Stoffwechsel entwickelt sich nicht so gut. Zum Sixpack kommt man also vor allem durch Disziplin beim Essen. Das Training ist dann eigentlich nur noch Mittel zum Zweck.
Deine Lieblingsübung für einen knackigen Po?
Squats!
Wie gehst du eigentlich damit um, wenn Männer bei dir im Training so hormonelle Schwankungen haben?
(Lacht.) Also Männer sind meistens schon stetiger – körperlich und emotional. Wobei viele Männer, die in hohen Positionen arbeiten, von den Emotionen her auch schwanken. Die müssen in ihrem Job den ganzen Tag Emotionen unterdrücken und brauchen dann einen Ort, wo sie es rauslassen und reden können. Aber bei den Frauen ist es sicher häufiger so, dass man körperliche und emotionale Schwankungen aufgrund des Zyklus spürt. Dann ist es wichtig, dass ich nicht den harten Coach markiere, sondern empathisch und verständnisvoll reagiere und entsprechend das Training anpasse.
Fitnessmodels helfen oft mit Schönheits-OPs nach, um gewisse Kurven zu behalten. Wie sieht es bei dir aus, hilfst du irgendwie nach?
Nein, in meinem Alter ist das noch nicht so ein Thema. Aber ich erlebe schon männliche Kunden, die mit 50 nochmals motiviert sind und in Form kommen wollen. Das ist auch möglich, wenn man das Leben lang einigermassen gesund gelebt hat. Aber wenn man spät damit anfängt, dann kann man noch so viel Aufwand betreiben – irgendwann gelangt man an seine Grenzen. Jedenfalls finde ich es nicht schlimm, wenn man dann ein bisschen nachhilft mit Fettabsaugen. Ich stehe einfach nicht dahinter, wenn man noch viel mit Training und Ernährung erreichen könnte und trotzdem anfängt, künstlich nachzuhelfen. Fazit: Zuerst mit Ernährung und Training alles ausreizen, was möglich ist, und falls man dann noch nicht happy ist, ist es für mich kein Tabu-Thema. Und ich finde, Altwerden hat auch eine Sexiness. Es ist ein Teil vom Leben.
Älter werden beschäftigt dich also nicht?
Nö, es hat seine Vorteile. Man wird ruhiger. Ich habe meine Emotionen mehr unter Kontrolle als früher. Es braucht viel, damit ich aus der Ruhe komme. Das finde ich schön.