Dabu Bucher ist Sänger und Songschreiber bei der Band Dabu Fantastic. In den Männerfragen spricht er mit uns über männliche Intuition, seine biologische Uhr und Taylor Swift. Zudem verrät er uns, wie er seine Haarpracht pflegt und wann er sich auf der Bühne schön fühlt.

Soeben ist euer neues Album «Ciao Baby, Ciao» erschienen – schreibst du eigentlich alle Texte selbst, oder lässt du sie von einer Frau schreiben? 

(Lacht.) Ich liebe diese Fragen jetzt schon. Ich schreibe unsere Songs tatsächlich selber. Aber es wäre mal spannend, meine Songs im Hintergrund von einer Frau schreiben zu lassen – talentierte Frauen dabei gäbe es auf jeden Fall genug. Aber meine Texte sind sehr fest mein eigenes Ding, ich habe allgemein wenig Leute im Hintergrund im Zusammenhang mit den Texten. Auf dem neuen Album gibt es zwei Ausnahmen: Nemo hat beim Song «Aline» und Riana beim Song «Flamme» mitgetextet. 

Wie sieht denn dein Schreibprozess so aus?

Sehr chaotisch. Meine einzige Regel ist: Ich schreibe mir jede Idee irgendwo auf – sei es auf einem Zettel, auf meinem Handy oder in meinem Notizbuch. Der Rest ist das reinste Chaos, ich weiss häufig nicht mehr, wann und weshalb Texte entstanden sind. Gerade bei diesem Album kann ich mich kaum erinnern, es geschrieben zu haben. Von den zwölf Songs gibt es nur zwei, bei denen ich konkret noch weiss, wann sie entstanden sind. Ich lasse mich sehr fest leiten. 

Dabu
Ich würde mich eher als Wild Boy als als Sad Boy bezeichnen.

Leiten von der männlichen Intuition?  

Leiten von Inspiration und Vibes im Universum. Ich glaube, jede:r Künstler:in weiss, dass man manchmal einfach die Schleuse aufmachen muss, und dann passiert etwas  mit einem. Und je spannender und wilder mein Alltag ist, desto mehr passiert mit mir. 

Auf eurem neuen Album gibt es einige emotionale Songs – es geht häufig um Gefühle. Machst du Sad-Boy-Musik?

Nein, ich bin auch nicht ein mega Sad Boy. Ich mag zwar Melancholie und höre gerne traurige Musik. Ich mag aber genauso fröhliche Musik. Und ich finde das neue Album ist für Dabu-Verhältnisse eher lebensfroh und fröhlich – es hat einige Tanznummern drauf. Ich würde mich eher als Wild Boy als als Sad Boy bezeichnen. 

Dabu
Songs zu schreiben ist für mich sehr heilend und verarbeitend. Ich funktioniere nicht mehr richtig ohne Schreiben.

So rebellisch für einen Mann. Du verarbeitest aber in deinem neuen Album unter anderem eine Trennung. Ist Musik für dich eine Art Therapie? 

Ja, Songs zu schreiben ist für mich sehr heilend und verarbeitend. Ich schreibe seit 30 Jahren Texte, es ist ein Teil von mir geworden. Ich funktioniere nicht mehr richtig ohne Schreiben. Da zitiere ich gerne Max Frisch: «Schreiben heisst, sich selbst lesen.» Das trifft auch auf mich zu. Ich weiss nicht, wer ich bin, wenn ich nicht darüber schreibe, und ich verarbeite Dinge übers Schreiben. Der Song «Flamme» zum Beispiel ist in einer Situation entstanden, in der ich gerne bei einer Frau gewesen wäre, um ihr zu helfen. Aber das konnte ich nicht, und ich musste aus der Ferne zuschauen, wie sie leiden musste. In dem Moment war ich froh, dass ich wenigstens einen Song schreiben konnte als eine absurde Form von Hilfe. Das klingt jetzt irgendwie doch Sad Boy, aber das ist es wirklich nicht nur ... 

Nein, du hast dich ja neu verliebt und bist Hals über Kopf nach Bern gezogen. Warum so impulsiv? Hast du keine Angst, etwas zu überstürzen? 

Ich finde, Impulsivität ist etwas Geiles. Impulsivität und Veränderung werden in der Schweiz als etwas Schlechtes angesehen, das ist fürchterlich. Ich mag leidenschaftliche und impulsive Menschen, die auch mal aufbrausend sind. Aber natürlich hatte ich Angst, dass ich zu impulsiv bin und mir zu viel Veränderung zumute, aber es hat sich einmal mehr herausgestellt: Es war okay, diesen Impulsen zu folgen. Gell, Impulsivität wird gerne Frauen vorgeworfen?

Ja, und sich mehr von Emotionen treiben lassen …

Mega. Man sagt ja auch immer, Männer sitzen Beziehungen aus und Frauen trennen sich. Das war in meinem Leben bis anhin tatsächlich auch immer so. Jetzt habe ich zum ersten Mal eine Beziehung selbst beendet. Und ich kann nur sagen: Ich weiss jetzt, wie viel Mut und Kraft es auch auf dieser Seite braucht. Und als Kurzschlussentscheid läuft ganz bestimmt niemand einfach aus einer Beziehung raus, erst recht nicht nach zwölf Jahren.

Dabu
Meine Uhr tickt brutal. Es ist schon krass, wie man mit 40 gesellschaftlich dazu gedrängt wird, über all diese Sachen nachzudenken.

Du bist ja auch schon 40. Bist du deshalb so schnell zusammengezogen, weil die Uhr tickt?

Meine Uhr tickt brutal. Es ist schon krass, wie man mit 40 gesellschaftlich dazu gedrängt wird, über all diese Sachen nachzudenken. Als Frau noch viel heavier, das erlebe ich bei meinen drei Schwestern. Aber als Mann schon auch. Ich werde immer mehr nach Kindern gefragt und komisch angeschaut, wenn ich sage, dass ich keine Familie habe. So viele Journalist:innen haben mich gefragt: Jetzt, wo deine Midlife Crisis vorbei ist und du mit einer neuen Frau zusammen bist, denkst du über Kinder nach? Ich bin aber nicht deshalb so schnell zusammengezogen …

Ah ja?

Die Frau, mit der ich zusammengezogen bin, hat schon zwei «Meitschi». Sie hat mir von Anfang an klar gemacht: Mich gibt es nicht ohne diese zwei Kinder, und wenn du eigene Kinder willst, dann nicht mit mir. Es ist also das Gegenteil passiert. Ich habe das Familienthema abgeschlossen – auch medizinisch.

 Wie fühlt sich das an? 

Kinderkriegen als höchste gesellschaftliche Aufgabe darzustellen, ist verheerend. Die Welt braucht nicht noch mehr Menschen, und vor allem gibt es ganz viele Menschen, die keine Kinder haben können. Ich habe diese Menschen leiden sehen – auch wegen des gesellschaftlichen Druckes. Ich finde es deshalb wichtig, aufzuzeigen, dass es ganz viele andere Funktionen gibt, die jemand in der Gesellschaft wahrnehmen kann. Das kann etwas mit Kindern zu tun haben, wie jetzt bei mir zum Beispiel – ich bin die halbe Woche Bonuspapa. Aber es kann auch eine völlig andere Funktion sein – zum Beispiel unterhalte ich Menschen und brauche dafür meine Zeit.

Dabu
Ich bin ein Mensch mit vielen Selbstzweifeln. Aber ich verfüge natürlich, und darauf spielst du an, über die gesellschaftlich angelernte männliche Naivität.

Kommen wir zu deiner Karriere. Vom Lehrer zum Musiker: Wie hast du dir das damals alles zugetraut? Hattest du nie Angst, dass du das nicht kannst?

Ich bin ein Mensch mit vielen Selbstzweifeln. Aber ich verfüge natürlich, und darauf spielst du an, über die gesellschaftlich angelernte männliche Naivität. Oder wie es Beat Schlatter sagt: «Meine Karriere ist eine Aneinanderreihung von Anfragen, zu denen ich ja gesagt habe, obwohl ich es gar nicht kann.» Das fühlt sich bei mir manchmal ähnlich an. Als ich 2014 mit dem Unterrichten aufgehört habe, war ich überhaupt nicht sicher, ob es klappt. Ich war also naiv, aber es hat sich ausgezahlt. Wenn wir schon bei dem Thema sind, muss ich die Geschichte unserer Backlinerin erzählen … (Anmerkung der Redaktion: Eine Backlinerin ist für das Bühnenequipment und die Instrumente einer Band zuständig inkl. Aufbau, Wartung und Reparatur.)

Schiess los!

Bei uns in der Band gibt es die Regel, dass bei jeder vakanten Position überprüft werden muss, ob es eine Frau gibt, die den Job machen kann. Krass ist: Wir haben es schon mehrfach erlebt, dass Frauen am Ende abgesagt haben, weil sie sich den Job nicht zutrauten. So auch unsere Backlinerin: Wir wollten sie unbedingt, aber sie hatte Zweifel, ob sie das schafft. Am Ende hat ihr Vorgänger, ein Mann, im ersten Jahr die Schirmherrschaft übernommen. Irgendwann ist er ausgestiegen, und jetzt macht sie es ohne Probleme alleine. Aber es ist ein gesellschaftliches Problem, das wir angehen müssen. Selbstvertrauen hat ja nichts mit dem Chromosomensatz zu tun, sondern mit der Erziehung. 

Aber gerade als Mann ist es in der frauendominierten Musikszene schon hart, oder?

(Lacht, überlegt.) Geile Frage. Es ist natürlich das Gegenteil der Fall. Aber wenn ich mir überlege, wie es umgekehrt wäre, dann wäre es huere streng. Ich müsste neben meiner Kunst auch noch die ganze Zeit mein Geschlecht verteidigen. Ich bin mir meiner privilegierten Situation bewusst, und wir versuchen dazu beizutragen, diese privilegierte Situation aufweichen zu können. 

Wie?

Zum Beispiel indem wir Frauen pushen: Wir haben wir letztes Mal To Athena mitgenommen als Toursupport und mit ihr einen Song gemacht. Dieses Jahr machen wir das gleiche mit Riana. Wir nehmen diese Künstlerinnen aber nicht nur mit, um sie zu pushen, sondern vor allem auch, weil der Vibe in einer durchmischten Crew auf Tour einfach viel besser ist.

Ihr seid ja mit sechs Männern in der Band nicht gerade divers aufgestellt ...

Ja, und diese Wienerli-Party, in der wir manchmal unterwegs sind, das ist nicht cool. Ich bin mit drei Schwestern aufgewachsen und finde es viel entspannter, wenn eine Gruppe durchmischt ist. In unserer normalen Travelparty haben wir zwei Frauen dabei, unsere Backlinerin und unsere Social-Media-Managerin. Und das macht schon viel aus, aber ich wünsche mir ein ausgeglichenes Verhältnis. Ich habe  mittlerweile ein schlechtes Gefühl, mit sechs Männern auf der Bühne zu stehen. Weil ich mir denke: Es kann ja nicht sein, dass es für keinen dieser Jobs eine Frau gab, die ihn besser oder gleich gut kann. 

Wirst du für Open Airs oder sonst auch häufig als Quotenmann fürs Line-Up gebucht? 

Ist mir natürlich noch nie passiert ... Fände ich aber geil. Ich persönlich finde, lieber man bucht Quotenfrauen statt gar keine Frauen. Es braucht diesen Druck für Veranstalter:innen, dass sie mehr Künstlerinnen buchen. Ich finde aber, dass es nicht per se um die Frage gehen sollte, wie viele weibliche Artists für ein Festival gebucht werden. Ich will einfach generell mehr Frauen auf der Bühne sehen. 

Dabu
Ich will nicht nur sehen, dass Frauen Sängerinnen sein können, das weiss ich und das wissen auch kleine Mädchen schon. Ich will auch sehen, dass Frauen das Licht auf der Bühne machen, für den Ton verantwortlich sind, Schlagzeug oder Gitarre spielen.

Wie meinst du das?

Ich will nicht nur sehen, dass Frauen Sängerinnen sein können, das weiss ich und das wissen auch kleine Mädchen schon. Ich will auch sehen, dass Frauen das Licht auf der Bühne machen, für den Ton verantwortlich sind, Schlagzeug oder Gitarre spielen. Veranstalter:innen sollten aus meiner Sicht zum Ziel haben, Bands zu buchen, bei denen die Hälfte der Travelparty oder der Crew weiblich ist. Das wäre viel cooler für die Vorbildfunktion.

Wie ist es heute so im Backstage? Wirst du oft gefragt, wessen Anhängsel du bist? 

Natürlich nicht. Aber ich kann dir ein Beispiel nennen, wie schlimm das tatsächlich noch ist. Unsere Backlinerin Martina und unsere damalige Social-Media-Managerin Julie waren letztes Jahr vor dem Rest der Crew an einem Festival, bei dem wir einen Auftritt hatten. Nach uns hat eine AC/DC-Coverband gespielt mit älteren weissen Männern – was ich ja auch fast schon bin. Aber noch etwas älter. Diese Männer haben Martina und Julie gefragt: Was macht ihr hier? Seid ihr Tänzerinnen? Das ist 2023 passiert! Es zeigt, dass die Musikbranche überhaupt nicht weiter ist als andere Branchen. 

Welche Musikerin ist deine grösste Inspiration? 

Es ist jetzt vielleicht komisch, wenn ich sage, dass ich zum Beispiel Taylor Swift abfeiere. Das neue Album ist zwar nicht mein Fall, aber ich bin generell ein Riesenfan der Art und Weise, wie sie extra und sehr geschickt mit Geschlechterrollen spielt. Natürlich ist dahinter auch eine riesige Geldmaschine, aber das ist bei allen grossen Artists so. In der Schweiz finde ich Sina, aber auch Riana extrem inspirierend. Und man muss sich noch ins Bewusstsein rufen, dass es auch viele Frauen im Hintergrund gibt, die zum Beispiel für andere Artists schreiben. 

Wie gehst du damit um, dass du langsam unsichtbar wirst? Du bist ja nicht mehr der Jüngste im Showbiz.

Ich habe mir geschworen, dass ich mich nicht über Dinge aufrege im Leben, die ich nicht ändern kann. Älterwerden gehört dazu. Aber man hat als Mann natürlich das gesellschaftliche Privileg, auch wenn es nicht gerechtfertigt ist, dass man als attraktiver angeschaut wird im Alter. Ich habe gar nicht das Gefühl, dass ich unsichtbar werde – im Unterschied zu weiblichen Kolleginnen. Im Gegenteil, ich werde mehr gesehen, je älter ich werde. So dumm, gell?! Umso wichtiger finde ich, dass es Künstlerinnen wie Sina gibt, die weitermachen. Sie zeigt, es geht. Aber ich weiss, wie viel Arbeit das ist für sie und wie unglaublich streng das sein muss.

Du sagst aber über dich, du hättest sogenannte Midnight Crises. Hat das mit der hormonellen Veränderung zu tun?

Vielleicht, ja (lacht). Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, aber vielleicht hat es ja wirklich mit dem Testosteronabfall zu tun. Jedenfalls kommen diese Krisen in der Nacht und gehen tagsüber weg.

Klingt schon irgendwie nach Andropause …

Voll. Aber auch da bin ich in der privilegierten Situation, dass ich zum Beispiel in Interviews nie nach hormonellen Veränderungen gefragt werde – das traut sich niemand. Aber klar, es gibt auch bei Männern hormonelle Veränderungen, die gerade in Bezug auf die  sexuelle Leistungsfähigkeit spürbar sind. Das ist auch bei Männern ein grosser Druck.

Kommen wir zur Beauty-Kategorie: Hat dir dein Aussehen zum Erfolg verholfen?

Es hat sicher mitgeholfen. Ich würde mich jetzt nicht als Schönling bezeichnen, aber zum Beispiel meine Grösse von 1.93 Meter macht etwas, wenn ich den Raum betrete.  Meine blonden Locken und meine blauen Augen auch. Diese Frage hat mir noch nie jemand gestellt, natürlich nicht. Ich fühle mich zwar jetzt nicht gering geschätzt deshalb, aber wenn ich mir vorstelle, dass eine Taylor Swift diese Frage bekommt, obwohl sie so hart für ihren Erfolg gearbeitet hat ...

 Apropos blonde Locken: Wie pflegst du deine Haarpracht? 

(Lacht.) Durch regelmässige Besuche bei der Coiffeuse. Und ich gebe mir tatsächlich Mühe, ich habe viele Pflegeprodukte für meine Haare. Sie sind ja auch leicht blondiert, in echt sind sie nicht ganz so blond. Und dadurch trocknen sie schnell aus, deshalb verwende ich auch Conditioner, Haarmaske und die richtigen Sprays. So schön, das wurde ich noch nie gefragt. Endlich darf ich mal über Beauty-Produkte sprechen.

Dabu
Wenn ich einen Bad Hair Day habe, fühle ich mich weniger schön auf der Bühne.

Was brauchst du, um dich auf der Bühne schön zu fühlen? 

(Überlegt.) Meine Haare müssen stimmen. Wenn ich einen Bad Hair Day habe, fühle ich mich weniger schön auf der Bühne. Und es ist schlimm, auf der Bühne zu sein und das Gefühl zu haben, man sehe scheisse aus. Aber ich brauche vor allem ein schönes Publikum, also ein Publikum, das Freude an unserer Musik hat. Wenn das Publikum applaudiert und strahlt, habe ich das Gefühl, dass wir etwas richtig machen, und ich fühle mich auch schön, irgendwie. Hat mich auch noch nie jemand gefragt ... 

Du hast es geschafft. Wie war es? 

Huere anders als sonst Gespräche mit Journalist:innen. Spannend und wichtig für mich, zu begreifen, was manche Fragen mit einem machen, wenn man sie gestellt bekommt, in dem Moment wo man sie gestellt bekommt. Man muss sich fragen: Werde ich gerade reduziert? Wird meine künstlerische Leistung reduziert? Oder gehört das auch zu mir und kann ich es ebenbürtig betrachten?