Kürzlich stolperte ich über die Schlagzeile «Sehnsucht nach den Sorgen von gestern» in der Süddeutschen Zeitung. Im Text ging es um eine Doku über die scheidende deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock und ihre «feministische Aussenpolitik». Der Film beschäftigt sich laut Autor mit den Fragen, was sich hinter diesem «Kampfbegriff» überhaupt verbergen soll und ob Baerbock ihrem Land damit einen Gefallen getan oder eher geschadet habe.

An einem anderen Tag hätte ich mich aufmerksamer mit dem Inhalt beschäftigt. Jetzt aber scannte ich den Artikel nur nach der Auflösung der Schlagzeile und fand sie im letzten Absatz: «Bei alldem hinterlässt diese Fernsehreportage ein seltsames Gefühl: Das waren also die Probleme, über die man sich in der deutschen Politik vor einem Jahr noch hingebungsvoll streiten konnte. Nun zerbricht der Westen, Europa und Deutschland stehen vor den Trümmern einer Weltordnung, Demokratiefeinde, Gewaltherrscher und Kriegsherren glauben an ihre Stunde. Wie schön wäre es, man hätte noch die Sorgen von gestern.»

Julia Panknin
«Was können wir schon ausrichten? Was bringt all der Aktivismus im Kleinen, wenn die Welt, wie wir sie kennen, grad zugrunde geht?», schrie es ungehalten in meinem Kopf.

Da war sie. Die Bestätigung, dass noch andere Menschen gerade ähnlich düstere Gedanken haben wie ich. Ich hatte danach gesucht, weil sich bei mir nach dem Eklat zwischen Trump, Vance und Selenski im Weissen Haus und der Aussetzung der Ukraine-Hilfen von Seiten der USA ein Schalter umgelegt hatte.

Ein Schalter, der mir das Gefühl gab, dass alles, worüber wir uns hier in der Schweiz Sorgen machen, sowie all unsere Bestrebungen für eine chancengerechte Zukunft, lächerlich sind. «Was können wir schon ausrichten? Was bringt all der Aktivismus im Kleinen, wenn die Welt, wie wir sie kennen, grad zugrunde geht?», schrie es ungehalten in meinem Kopf. Es breitete sich Panik in meiner Brust aus, gepaart mit dem schlimmsten aller Gefühle: Ohnmacht.

Zu meinem Glück gab es an diesem Tag jedoch keinen Weg daran vorbei, unter Menschen zu gehen. Die Jubiläumsfeier von mamibrennt stand just an diesem Abend an. Vor einem Jahr haben wir unsere Community-Plattform für berufstätige Mütter gelaunched und hatten vor, das Ganze mit rund 250 Gästinnen zu zelebrieren.

Auch wenn mir so gar nicht nach Feiern zu Mute war, habe ich mich aufgerafft – und bin unendlich froh darüber. Denn an diesem Abend legte sich mein Panik-Schalter wieder um. Kaum trafen die ersten Frauen ein, wurde mir bewusst, dass es genau DAS ist, was wir gerade brauchen: authentische und liebevolle Begegnungen sowie das Gefühl von Zugehörigkeit und Verbundenheit.

Julia Panknin
Alles, was wir tun, um die Welt ein bisschen besser zu machen, lohnt sich. Und wir sollten um Himmels willen auf keinen Fall JETZT damit aufhören!

Bei all dem Mist, der gerade passiert, kann man schnell den Mut verlieren. Ich bin der lebende Beweis. Deshalb ein kleiner Reminder an alle, die gerade ebenfalls im Weltschmerz zu ertrinken drohen: Vergrabt euch nicht, sondern macht weiter! Jede und jeder von uns kann einen Unterschied machen. Alles, was wir tun, um die Welt ein bisschen besser zu machen, lohnt sich. Und wir sollten um Himmels willen auf keinen Fall JETZT damit aufhören! Stattdessen plädiere ich auf ein kräftiges «Jetzt erst recht!».

P.S. Nach eineinhalb Jahren ist dies meine letzten Kolumne für ellexx. Danke, dass ihr meine Texte gelesen und auf den sozialen Medien kommentiert habt. Ich freue mich, wenn wir weiterhin zum Beispiel über LinkedIn in Kontakt bleiben. Herzlichst, Julia

Julia Panknin ist selbstständige Journalistin, Speakerin und Beraterin mit Fokus auf die Themen Parental Burnout und Vereinbarkeit von Kind und Karriere, Gründerin von mamibrennt.com sowie Veranstalterin der Party-Reihe «mamiTanzt». Die Münchnerin lebt seit 15 Jahren in der Nähe des Zürichsees und hat eine kleine Tochter, die sie 50:50 im Wechselmodell mit deren Vater betreut.

Schwule Schafe gegen Weltschmerz
Unsere Kolumnistin kann vor lauter Zukunftsangst nicht schlafen. Sie hat die Menschheit langsam satt. Ihr Lichtblick sind schwule Schafe und die Hoffnung auf anregende Gespräche mit modebewussten Orcas.
Wegen Trump aufgeben ist keine Option
Seit der zweiten Amtseinführung von Donald Trump fühlt sich unsere Autorin beim Lesen der Nachrichten oft sprachlos und ohnmächtig. Trotzdem oder gerade deswegen appelliert sie an uns alle, jetzt den Kopf nicht hängen zu lassen und Netzwerke zu knüpfen.