«Wer soll beim ersten Date bezahlen?», frage ich Google an einem Montagabend. Ich sitze in einem Café, neben mir ein verliebtes Pärchen, das seltsamerweise gemeinsam an einer einzelnen Tasse Kaffee nippt. «Sharing is caring» hat ein neues Ausmass angenommen, denke ich irritiert. Da spuckt die Suchmaschine schon zahlreiche Antworten auf meine Frage aus: «Der Mann soll zahlen, wie es sich für einen Gentleman gehört!», meinen selbsternannte Flirt-Blogger:innen. «Die Frau ist emanzipiert genug, um selbst zu bezahlen», finden wiederum gewisse Beziehungscoaches. «Die Person, die um das Date bittet, soll die Rechnung begleichen», heisst es auf unterschiedlichen Lifestyle-Portalen.
Die letzte Empfehlung scheint mir noch die diplomatischste zu sein. Aber wenn es so einfach wäre, hätte diese Kolumne nicht mehr als einen Abschnitt. Und meine Freund:innen würden mich nicht nach jedem Date neugierig fragen: «Hat er dich eingeladen?» Als ich Anfang 20 war, erwiderte ich auf diese Frage jeweils noch, dass ich das nicht nötig hätte, schliesslich würde ich ja mein eigenes Geld verdienen. Bei ersten Dates zückte ich deshalb meistens für meinen Teil der Rechnung die Karte. Ausserdem kam es damals selten vor, dass mein Gegenüber mich aktiv einladen wollte: Typ X war aufgrund seines Studiums gerade knapp bei Kasse, Typ Y brauchte das Geld, um sich in Thailand seinem Seelenleben zu widmen, und Typ Z war Feminist und wollte Frauen finanziell nicht bevormunden.
Fakt ist: Dating kostet. In Zeiten von Inflation und unverbindlichem Dating-App-Geplänkel vor allem Geld und Nerven. Von beidem habe ich gefühlt zu wenig. Wie die Cosmopolitan letztes Jahr berichtete, haben sich gemäss einer Studie der Dating-App Bumble seit 2022 zwei neue Dating-Trends entwickelt: «Low-Key»- und «Cash-Candid»-Dates: Jede:r Vierte im Alter von 18 bis 34 Jahren schlägt heute ein kostenloses Date vor, und für jede:n Fünfte:n in dieser Altersklasse ist es kein Tabuthema, beim Date über die eigenen Finanzen zu sprechen.
An offener Kommunikation habe ich nichts auszusetzen. Nur löst die Vorstellung, möglichst «low-key» mit seinem Date durch die Stadt zu flanieren, in der Hoffnung, sich «high-key» zu verlieben, Pandemie-Flashbacks in mir aus, als es schlicht unmöglich war, sich in einem gemütlichen Innenraum zu treffen. Und Gespräche über seine Ski-, Surf- oder Wanderausrüstungen will ich, wenn es denn sein muss, lieber bei einem Candle-Light-Dinner statt einem low-effort «Candle-Light-Döner» führen. Dieser würde übrigens auch zu Kosten führen, aber beim ersten Date weniger Eindruck bei mir schinden.
Auch in den sozialen Medien wird zurzeit heiss diskutiert, wer beim Date nach der Rechnung greifen sollte. «Getrennte Rechnung gleich getrennte Wege», kommentierte letztens eine Userin unter einem Video auf TikTok. Harsche Worte. Zugegeben, müsste ich heute, mit Ende 20, beim ersten Date den Kaffee selbst bezahlen, würde das einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen, und das läge nicht an den Kaffeebohnen. Auch wenn ich immer noch die finanziellen Ressourcen für ein Heissgetränk mit einem Fremden habe, sind meine Erwartungen an die ehemaligen Studenten und Weltenbummler um etwa sechs Franken gestiegen – so viel kostet der Durchschnitts-Cappuccino in vielen Hipster-Cafés der Limmatstadt. Wer meinen flüssigen Wachmacher zahlt, zeigt mir damit, dass er grosszügig ist, die gemeinsame Zeit schätzt und mir eine kleine Freude machen will. Und das sind schon mal gute Voraussetzungen, um sich näher kennenzulernen.
Bei einem Brunch oder Abendessen sieht es anders aus: Je höher die Rechnung, umso tiefer sind meine Erwartungen, dass mein Gegenüber bezahlt. Eine Einladung zum Essen – sei es morgens, mittags oder abends – ist eine nette Geste, jedoch keine Garantie, dass sich unsere Wege wieder kreuzen. In der Regel gehe ich auch nur in Lokale, die ich mir selbst leisten kann, und entdecke mit ein wenig Glück vielleicht mein neues Lieblingslokal, wenn es mit dem Traummann nicht klappt. Zu meiner Überraschung wurde ich übrigens selten so oft eingeladen wie bei meinen letzten Dates. Ich muss aktuell auf der vermeintlichen Suche nach dem Portemonnaie nicht mal geschäftig in meiner Tasche rumwühlen, bis mein Date sagt, er übernehme die Rechnung.
Hat man die Hürden des ersten Dates überstanden, ist beim zweiten Date schon vieles klarer: Ganz nach dem Grundsatz «Geben und Nehmen» nehme ich den Kaffee, Drink oder das Gebäck gerne auf mich. Mit den Worten «Du hast das letzte Mal bezahlt» geht das problemlos über die Bühne. Kompliziert wird es erst so richtig ab dem dritten Date: Lädt er mich nochmals ein – falls ja – will er das wirklich, oder macht er es der traditionellen Geschlechterrollen wegen? Zahle ich? Zahlen wir getrennt? Hätten wir doch nach unserem zweiten Date gleich ein gemeinsames Bankkonto eröffnet.