Die Schweizer Nati hat an der Weltmeisterschaft die Gruppenphase mit Bravour überstanden und steht im Achtelfinale! Am kommenden Samstag steht das nächste entscheidende Spiel an. Doch nicht nur auf dem Platz gibt es Erfolge zu verzeichnen. Es scheint, als hätte die Sportwelt auch endlich den Business Case im Frauenfussball erkannt. Ein Thema, das uns bei elleXX schon seit unseren Anfängen begleitet. Zeit, Bilanz zu ziehen: Welche wirtschaftlichen Fortschritte wurden tatsächlich erzielt, und wo gilt es noch Abwehrmauern zu überwinden?
The Good News: Der Ball gerät endlich ins Rollen
Frauenfussball wurde in den vergangenen Jahren kommerzialisiert und stösst auf öffentliches Interesse. Das zeigt ein Blick auf die Zahlen:
- Bei der WM 2023 in Australien und Neuseeland werden bis Ende August rund 1.5 Millionen Zuschauer:innen in den Stadien erwartet – das sind dreimal mehr als noch bei der Europameisterschaft vor einem Jahr in England.
- Auch im Fernsehen rechnet man mit rekordhohen Zuschauer:innenzahlen. Das entscheidende Gruppenspiel der Schweizerinnen haben alleine in der Deutschschweiz rund 473’000 Zuschauer:innen im Fernsehen verfolgt. Dieses Jahr zeigt übrigens auch das Schweizer Fernsehen SRF sämtliche Spiele live im Fernsehen – an der Europameisterschaft war es noch bloss ein Spiel pro Spieltag.
- Auch vermeintlich kleine Dinge tragen dieses Jahr dazu bei, dass der Hype um die WM zunimmt: Es gibt die Bilder der Spielerinnen fürs offizielle Panini-Album bei diversen Schweizer Grossverteilern zu kaufen und erstmals auch ein grosses Tippspiel für die Spiele der Frauen im Schweizer Fernsehen.
Die wachsende Popularität und die steigende Zahl von begeisterten Fans haben die Einnahmen im Frauenfussball erhöht. So konnten beispielsweise die Werbeeinnahmen der Clubs ein Wachstum von 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnen, wie ein Bericht der FIFA zeigt.
Ein Stück weit profitieren davon auch die Spielerinnen:
- Bei grossen Turnieren wie denjenigen während der WM ist ein wichtiger Bestandteil der finanziellen Entschädigung die erfolgsabhängige Prämie der FIFA. Diese beträgt für die WM für alle Spiele 98 Millionen Euro – an der WM 2019 lag diese noch bei rund 27 Millionen Euro. Für das Siegerteam der WM 2023 bedeutet das konkret 240’000 Euro pro Spielerin.
- Ein weiterer wichtiger Lohnbestandteil der Spielerinnen sind die Prämien der Verbandssponsor:innen. Diesbezüglich gab es letztes Jahr einen Durchbruch: Der Hauptsponsor Credit Suisse hat schon letztes Jahr kurz vor der Europameisterschaft verkündet, dass die Frauen im Erfolgsfall die gleichen Prämien erhalten wie die Männer. Wie hoch die Prämien sind, ist nicht bekannt, die zusätzlichen Mittel entsprechen aber gemäss Schätzungen einer Erhöhung um das 4.5-Fache für die Frauen. Bis 2024 folgen alle anderen Sponsor:innen diesem Beispiel.
The Bad News: Es gibt noch Luft nach oben
Trotz beachtlicher Fortschritte gilt in der Fussballwelt noch kein Fair Play. Nach wie vor gibt es strukturelle Ungleichheiten, gegen die es weiterhin zu kämpfen gilt:
- Im Allgemeinen ist die Sichtbarkeit des Frauensports noch in keinerlei Hinsicht mit dem Sport der Männer vergleichbar. Nur rund 13 Prozent der Sportnachrichten befassen sich mit Sportlerinnen.
- Obwohl der Frauenfussball an Popularität gewonnen hat – bei den Männern sind die Zuschauerzahlen noch immer deutlich höher: 3.4 Millionen Zuschauer:innen waren beispielsweise an der vergangenen WM vor Ort in Katar, also über doppelt so viele, wie dieses Jahr bei den Frauen erwartet werden.
- In den Entscheidungsgremien und an den Spitzen der Clubs sind Frauen noch immer deutlich in der Unterzahl. Im Schweizerischen Fussballverband beispielsweise ist nur eine Person im siebenköpfigen Gremium eine Frau. Auch unter den Trainer:innen sind Frauen nach wie vor untervertreten: So werden beispielsweise 20 der 32 Teams an der Weltmeisterschaft von einem Mann trainiert. Ein kleiner Lichtblick: Die Schweizerin Tatjana Haenni ist neue Direktorin der besten Fussball-Liga der Welt, der National Women’s Soccer League in den USA.
Die grössten Lücken klaffen aber nach wie vor bei den Gehältern, die im Sport bezahlt werden:
- Die erfolgsabhängigen Prämien an den Turnieren der Männer sind nach wie vor deutlich höher. An der Weltmeisterschaft der Männer in Katar wurden insgesamt Prämien in Höhe von 440 Millionen Euro ausbezahlt – das ist mehr als viermal so viel wie bei den Frauen. Allerdings wird bei den Männern nicht die gesamte Prämie an die Spieler ausbezahlt; ein Teil des Geldes wird vom Verband in die Förderung des Fussballs investiert. Das Siegerteam erhielt je 400’000 Euro pro Spieler, also immer noch über eineinhalbmal so viel, wie die Spielerinnen an der diesjährigen WM erhalten.
- Besonders gross sind die Gehaltslücken aber vor allem in den nationalen Ligen. So verdient die bestbezahlte Spielerin beim renommierten Club Paris Saint-Germain – dort spielt übrigens auch die Schweizerin Ramona Bachmann – einen Jahreslohn in Höhe von rund 450’000 Euro. Bei den Männern liegt der höchste Lohn im gleichen Club bei 72 Millionen Euro im Jahr.
- Noch krasser sind die Unterschiede in der Schweizer Liga: Keine Frau in der Schweiz kann alleine vom Fussball leben. In der Nationalliga A beträgt der Durchschnittslohn der Frauen zwischen 500 und 1500 Franken monatlich. Bei den Männern liegt er im Schnitt bei rund 14’000 Franken.
Die Profi-Spielerinnen sind also noch weit entfernt vom Starleben, das die Fussballer in den Top-Ligen geniessen. Damit das volle Potenzial des Frauenfussballs ausgeschöpft werden kann, braucht es aber bessere finanzielle Bedingungen für die Spielerinnen – nur so können sie sich voll und ganz einer Sportkarriere widmen.
Wenn du also Fussballfan bist, dann verfolge die WM-Spiele der Frauen im Fernsehen. Geh öfters auch mal an ein Spiel der Frauen im Stadion. Als Fan kannst du nämlich dazu beitragen, dass der Frauenfussball weiterhin wächst und die Spielerinnen mehr Anerkennung und eine bessere Entlohnung erhalten. Und der Ball endlich über die Mittellinie Richtung Gleichstellung rollt.