Ich habe seit circa zwei Jahren eine Postkarte mit dem Schriftzug «The Present is Female» (dt.: «Die Gegenwart ist weiblich») an der Wand hängen. Diese habe ich von einem Städtetrip mit Freundinnen aus Barcelona mit nach Hause gebracht, weil sie so gut zu meinem damaligen Lebensgefühl passte: Ich war von Kopf bis Fuss erfüllt von weiblicher Solidarität und deshalb hoffnungsvoll und voller Tatendrang.

Kurz zuvor war ich bei ellexx als strategische Beraterin gestartet und hatte gleichzeitig den ersten LinkedIn-Post über mein «Mom Burnout» veröffentlicht. Beides führte dazu, dass ich plötzlich mit unzähligen FINTA-Personen und auch einigen Männern in Kontakt kam, die etwas verändern wollen. Die sich auf ihre Art für eine chancengerechte und nachhaltige Welt für uns alle einsetzen.

Julia Panknin
So ein Teppich, der auffängt, ist noch viel besser als ein fliegender. Er ist vermutlich sogar das Wertvollste, was wir in unserem Leben kreieren können.

Viele von ihnen sind in den letzten zwei Jahren zu wichtigen Mitstreiter:innen geworden, einige sogar zu engen Freund:innen. Ohne ihren Zuspruch hätte ich mich vor einem Jahr ziemlich sicher nicht getraut, mich mit mamibrennt selbstständig zu machen. Und ohne ihre Unterstützung hätte ich in den letzten zwölf Monaten vermutlich schon fünfmal aufgegeben. 

Eine dieser Freundinnen formulierte das, was wir miteinander erschaffen, wenn wir uns verbünden, kürzlich in einem gemeinsamen Podcast wie folgt: «Wir sind wie Pilze, die ihre Sporen wie einen Teppich unter all unseren Füssen zusammenweben. Ein Teppich, der uns alle trägt und uns weich fallen lässt, wenn wieder mal alles zu viel wird.»

Und ich sage euch: So ein Teppich, der auffängt, ist noch viel besser als ein fliegender. Er ist vermutlich sogar das Wertvollste, was wir in unserem Leben kreieren können. Gerade in Zeiten wie diesen. Denn ich weiss nicht, wie es euch geht, aber ich bin aktuell weniger hoffnungsvoll als noch vor zwei Jahren. Tatsächlich fühle ich mich seit der zweiten Amtseinführung von Donald Trump sehr oft ohnmächtig.  

Die täglichen Nachrichten machen mir Angst. Meine Gedanken kreisen und spülen ständig neue Fragen hoch, die drohen, mich im Alltag zu lähmen:

  • Was haben wir den Menschen, die viel mehr Geld und damit Macht besitzen als wir und die sich nun einer so offensichtlich menschenverachtenden Person beugen, entgegenzusetzen? 
  • Wie konnte es so weit kommen, dass sich so viele Menschen auf der Welt von rechtem Gedankengut überzeugen lassen und entsprechend wählen?
  • Bringt es überhaupt noch etwas, wenn wir aufschreien und uns wehren? 
  • Ist es ethisch und moralisch noch vertretbar, die Plattformen von Meta und anderen Tech-Bros dazu zu nutzen, uns Gehör zu verschaffen?
  • Wie lange haben wir diese Möglichkeit noch, bevor sie all unsere Accounts unsichtbar machen oder ganz abschalten, um uns zum Schweigen zu bringen? 
  • Wie wird es weitergehen? 
  • Welche Zukunft droht uns und unseren Kindern? 
  • Was sollen wir tun? Was? WAS, verdammt nochmal???

Doch dann laufe ich wieder an der gerahmten Postkarte an meiner Wohnzimmerwand vorbei und an der, die direkt daneben hängt: «It always feels impossible until it's done» (dt.: «Es scheint immer unmöglich, bis es getan ist»). Und ich erinnere mich an das Gefühl, das ich so intensiv spürte, als ich sie aufgehängt habe. 

Es wird mir dabei bewusst, dass wir zwar (noch) keine Antworten haben, sich aber bereits sehr viele Menschen auf der ganzen Welt Gedanken über ähnliche Fragen machen. Dass wir nicht allein sind und uns jetzt auf keinen Fall von dem Gebrüll der – zugegeben furchteinflössenden und sehr lauten – Affenbande an der Spitze dieser Welt ablenken und abschrecken lassen dürfen. 

Dass wir stattdessen unsere Teppiche vergrössern und die Maschen stärker miteinander verknüpfen müssen. Dass wir uns vernetzen und Pläne schmieden müssen, um unsere Trauer und Wut in gemeinsame Schlagkraft zu verwandeln. 

Denn ganz ehrlich: Verstummen, den Kopf in den Sand stecken, AUFGEBEN ist schlicht keine Option. Weil es um nicht weniger als ums Überleben geht. Das unserer Familien, Freund:innen, Kinder, Gleichgesinnten und unseres Planeten. Und weil wir nur GEMEINSAM dagegen halten können. 

Julia Panknin ist selbstständige Journalistin, Speakerin und Beraterin mit Fokus auf die Themen Parental Burnout und Vereinbarkeit von Kind und Karriere, Gründerin von mamibrennt.com sowie Veranstalterin der Party-Reihe «mamiTanzt». Die Münchnerin lebt seit 15 Jahren in der Nähe des Zürichsees und hat eine kleine Tochter, die sie 50:50 im Wechselmodell mit deren Vater betreut.

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