Leonardo DiCaprio hat mal wieder eine Beziehung in den Sand gesetzt. Einmal mehr handelt es sich dabei um eine Frau, die über 20 Jahre jünger ist als er. Und einmal mehr fragt sich der Rest von uns: Endet bei Leo die Liebe, wenn die Partnerin ein Vierteljahrhundert alt wird? Oder realisieren vielmehr die Frauen mit Mitte 20, dass Leo gar kein so guter Fang ist, wie sie es sich in kindlicher Naivität davor noch weismachten? So oder so: Das Internet übt sich in Spott über den (ehemaligen) Frauenschwarm. Und das wirft bei mir mehrere Fragen auf.
Erstens: Wieso ist das Alter von Leonardo DiCaprios Partnerinnen überhaupt newsworthy? Was ist es, das uns an grossen Altersunterschieden immer noch triggert, auch im Jahre 2022? Haben wir uns nicht längst – zumindest in unseren Breitengraden – auf «Love is Love» geeinigt?
Zweitens: Seit wann müssen sich eigentlich auch Männer Spott gefallen lassen, wenn sie viel jüngere Partnerinnen bevorzugen? Schliesslich war es bis vor Kurzem noch ganz normal, dass ein alter, erfolgreicher Mann mit einer jungen, schönen Frau am Arm durch die Weltgeschichte stolzierte.
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Die Gründe dafür, dass wir Paare mit grossen Altersunterschieden als irgendwie sonderlich empfinden, liegen wohl zumindest teilweise in unserer Biologie: Aus evolutionärer Sicht dient die Verpaarung von Menschen unterschiedlichen Geschlechts der Aufzucht von Kindern. Ist die eine Hälfte des Paares zu alt oder zu jung, um den Erfolg dieser Aufzucht zu garantieren, gefährdet dies den Fortbestand der Familie. Für diese Theorie spricht auch die Tatsache, dass gleichgeschlechtliche Paare – sowohl Schwule als auch Lesben – im Durchschnitt einen höheren Altersunterschied aufweisen als Heteros.
Damit ist das gesellschaftliche Naserümpfen über Leonardo DiCaprios Beziehung mit Camila Morrone (und diversen anderen jungen Hüpfern davor) aber nur teilweise geklärt: Schliesslich gibt der Schauspieler seit Jahren zu Protokoll, dass er keine Kinder möchte. Es ergibt für ihn also durchaus Sinn, Frauen zu daten, die selbst auch (noch) keinen Kinderwunsch haben. Warum also lachen wir trotzdem über ihn?
Ich glaube, bei den Männern ist der Grund schlicht und einfach: Neid. Wie vielen Typen über 45 gelingt es schon, am Laufmeter junge, schöne Frauen von sich zu überzeugen?
Die Missgunst der Frauen ist indes schwerer interpretierbar. Einerseits dürfte sie wohl darauf zurückzuführen sein, dass sich seit #MeToo ein latentes Unwohlsein eingeschlichen hat, wo wir ein Machtgefälle vermuten – ein verständlicher und angebrachter Reflex. Einen so grossen Altersunterschied wie bei Leo und seinen Partnerinnen könnte man nun durchaus als Machtgefälle interpretieren. Nur: Er hat sich bis jetzt nichts Übergriffiges zuschulden kommen lassen. Zumindest ist nichts Dahingehendes bekannt, auch wenn er angeblich sein Aufrissverhalten nach dem Bekanntwerden von Harvey Weinsteins Vergehen leicht justiert haben soll. So weit, so lernfähig.
Warum also finden auch Frauen in meinem Umfeld – inklusive mir, bis vor dem Verfassen dieser Kolumne, wie ich leider zugeben muss – Leos Datingverhalten fragwürdig? Ich vermute: Auch wir sind neidisch, wenn auch unser Neid ein bisschen komplizierter gestrickt ist als derjenige der Männer. Um ihn zu interpretieren, muss ich a) ein wenig ausholen, und euch b) einen Schwank aus meinem eigenen Beziehungsleben erzählen.
Ich mag jüngere Männer, und zwar schon seit einer ganzen Weile. Meinen ersten «Toyboy» hatte ich mit 26. Er war damals 19. Seither habe ich nur ausnahmsweise Sex, geschweige denn Beziehungen, mit älteren Männern gehabt. Mein aktueller Freund ist sechs Jahre jünger als ich, und ich sage manchmal spasseshalber zu ihm, dass er eigentlich schon fast zu alt sei für mich.
Sexismus, Mobbing, Lohnungleichheit am Arbeitsplatz? Absolute No-Gos, dennoch nehmen es viele Frauen hin. Das darf nicht sein. Deshalb ist es höchste Zeit für eine Rechtsschutzversicherung von Frauen für Frauen. Wehr dich.
Damit bin ich natürlich Meilen (respektive Jahrzehnte) weg von den Dekaden, die Leo jeweils von seinen Partnerinnen trennen. Und dennoch muss auch ich regelmässig Sprüche wegen meiner Vorliebe für jüngere Männer über mich ergehen lassen. Von wohlgesinntem Unverständnis bis hin zu beissender Verachtung habe ich fast alles schon erlebt.
Warum?
Ich glaube: weil die Welt noch immer nicht bereit ist für Frauen, die ihren Partner nach anderen Kriterien aussuchen als dessen Fähigkeit, materiell für sie und ihre potenziellen Kinder zu sorgen. Zur Erinnerung: Bis ins 20. Jahrhundert hinein war es Frauen verboten, ein Bankkonto zu eröffnen, einer bezahlten Tätigkeit nachzugehen sowie Vermögen zu erben. In vielen Kulturen war (und ist) nun der ökonomische Status des Mannes direkt abhängig von seinem Alter. Oder einfacher: Mehr Jahre auf dem Buckel = mehr Cash. Wen erstaunt es da, dass sich die mittellosen Frauen in der Vergangenheit einen reichen, alten Sack gesucht haben? Neuere Studien weisen übrigens darauf hin, dass Frauen je weniger einen älteren Mann bevorzugen, desto höher ihre Fähigkeit ist, sich finanziell selbst über Wasser zu halten. Es mag schockierend klingen, aber: Wir Frauen fanden Halbglatze, ein Bäuchlein und Impotenz noch nie wirklich sexy. Wir haben sie nur in der Vergangenheit in Kauf genommen, um unsere Existenz zu sichern.
Lange Rede, kurzer Sinn: Frauen, die sich über Leonardo DiCaprios Datingverhalten ereifern, sind meiner Meinung nach wütend auf die Welt. Eine Welt, die Männer noch immer Privilegien zugesteht, die Frauen verwehrt bleiben. Das Recht, sich ungestört einen jüngeren Mann zu nehmen, gehört da leider noch immer dazu.
Ich mach's trotzdem. Because I fucking can.
P.S. Der Begriff «Cougar» bezeichnet im Porno-Jargon übrigens eine ältere Frau, die sexuelle Beziehungen zu jüngeren Männern pflegt. Übersetzt bedeutet das Wort so viel wie «Puma». Es ist eine der wenigen selbstbestimmten Bezeichnungen für die sexuellen Vorlieben einer Frau und darum zur Abwechslung mal eine Zuschreibung, mit der ich leben kann.