«Da stimmt doch was nicht», dachte ich bereits als kleines Mädchen. «Wie kann es sein, dass so viele meiner Freundinnen alleinerziehende Mütter haben? Warum haben sich Kate Moss und Johnny Depp getrennt? Und warum ist Freddie Mercury a) schwul und b) bereits gestorben, obwohl er doch offensichtlich dazu bestimmt ist, mein Ehemann zu werden?» fragte ich mich, und gab mir die Antwort gleich selbst: Weil schlicht nicht jeder Topf den einen Deckel findet.
Heute weiss ich, wie richtig ich mit dieser Einschätzung gelegen bin. Sich glücklich und auf Dauer zu verlieben ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein grosses Privileg. Was ich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht wusste: Der Druck, glücklich in den Hafen der Partnerschaft einzulaufen, ist für Frauen ungleich höher als für Männer. Wenn man bedenkt, dass die einzige «Karriere», die einer Frau bis vor einigen wenigen Jahrzehnten offen stand, diejenige der Ehefrau und Mutter war (alte Jungfer und Nonne mal aussen vor gelassen), macht das historisch durchaus Sinn. Eigentlich müsste es anstatt «nicht jeder Topf findet seinen Deckel» also «nicht jede Töpfin» heissen. Und nicht jede Töpfin, das bin wohl ich.
Die längste Beziehung meines Lebens war eine der ersten, die ich jemals hatte: Beinahe vier Jahre hielt ich es damals mit demselben Mann aus. Seither sind meine Beziehungen kontinuierlich kürzer geworden - die letzte, die erst grad endete, hielt knapp noch sechs Monate. Warum das so ist, darüber bin ich mir nicht ganz im Klaren, respektive ist meine Meinung darüber stark abhängig von Tagesform und -zeit.
In meinen dunkeln, schlaflosen Nächten bin ich mir sicher, dass die Traumata, die mir in meinem Leben von Männern zugefügt wurden, zu gravierend sind, um jemals wieder einem zu vertrauen. Dies nenne ich die «traumatische Hypothese» für mein chronisches Single Sein, und wundere mich, warum sie nicht auf mehr Frauen zutrifft.
Wenn ich energetisch und ein bisschen wütend bin - meist am späteren Nachmittag - bin ich überzeugt davon, dass meine Beziehungen glücklicher wären, müsste ich dabei nicht die Rolle des Mädchens übernehmen. Dies ist die «feministische Hypothese». Männer fühlen sich scheinbar häufig bedroht, wenn Frauen Ziele ausserhalb der Beziehung mit gleicher (oder grösserer) Vehemenz verfolgen wie solche innerhalb der Partnerschaft. Oder anders: Beziehungen zwischen Mann und Frau scheinen besser zu laufen, wenn der Mann dabei den unabhängigeren Part übernimmt - mit mir als Freundin beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Ich bin laut, lebensfroh, nicht ganz unintelligent und stehe gern und häufig im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ich habe soziale Beziehungen mit Verpflichtungen ausserhalb der Partnerschaft und ausserdem einen anspruchsvollen Beruf, der einen Grossteil meiner Zeit vereinnahmt. Alles Dinge, die Frauen an Männern mögen. Umgekehrt scheint das nicht der Fall zu sein.
Bei guter Laune am hellichten Mittag denke ich demgegenüber, dass ich einfach nicht der Typ für Stabilität bin. Ich bin dauernd in Bewegung, schnell gelangweilt und reagiere mit heftigem Unwillen auf jeden Versuch, mich festzunageln. Ich breche lieber auf als ich ankomme und bezeichnete mich selber früher häufig als «ein Schiff auf hoher See, das keinen Hafen sucht». Heute arbeite ich lieber mit dem Bild einer Cumulus-Wolke - der Grund, warum ich diese Hypothese die «meteorologische» nenne. Sie unterscheidet sich nur insofern von der feministischen, als dass ihr weniger Wut auf die Männer und mehr Akzeptanz für das eigene Wesen inne wohnt.
An regnerischen Sonntagen denke ich wiederum, dass ich schlicht und ergreifend ein unmöglicher Mensch bin, mit dem es niemals jemand länger als ein paar Wochen aushalten wird, und dass ich je älter ich werde, desto mehr Neurosen entwickle. Logisch also, werden meine Beziehungen immer kürzer. Voilà, meine «selbstmitleidige Hypothese».
Und dann sind da noch die ganz seltenen Momente, in denen sich hinterrücks die «romantische Hypothese» anschleicht und mir zuflüstert, ich müsse einfach noch ein bisschen länger Geduld haben. Auch ich habe offenbar zu viele Disney-Filme gesehen.
Grundsätzlich versuche ich jedoch, keiner meiner Hypothesen allzuviel Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen. Lieber arbeite ich an alternativen Wegen zu meinem Glück; oder anders: daran, ganz alleine eine zufriedene Töpfin zu sein, die feine Spaghetti kocht. Denn dazu, das ist allgemein bekannt, braucht es keinen Deckel.