Ich möchte an dieser Stelle für einmal nicht über Strukturen und Menschen schreiben, die zu verantworten haben, dass es Frauenstreik und Pride noch braucht, sondern über sogenannte Allies. Also über diejenigen Männer und Heteros, die an das Gleiche glauben wie wir Frauen oder queere Menschen – oder dies zumindest behaupten. Zu einer dieser beiden Gruppen gehöre ich übrigens selbst: Ich stehe auf Männer, obwohl ich meine Heterosexualität manchmal gerne abstreifen würde, wie ein altes verschwitztes Kleid. Aber das ist ein Thema für einen anderen Tag.
Heute möchte ich darüber schreiben, wie ich immer wieder von Männern, die sich selbst als Allies – also als Verbündete – bezeichnen, höre, dass sie sich am Frauenstreik nicht willkommen fühlen. Und darüber, wie es mir als Hetero an der Pride einmal ganz ähnlich erging.
Seit ein paar Jahren spiele ich als DJ auf einem kleinen Mobil an der Pride. Es ist alles andere als kommerziell: ungefähr so gross wie eine Schubkarre, gezogen von einem Menschen, der im elektrischen Rollstuhl sitzt. Gage habe ich dafür noch nie bekommen. Ich spiele auf dieser Schubkarre nicht für Geld, sondern aus Freude an der Sache. Ich mag die Menschen, die der LGBTQI+-Community angehören, sehr – ich mag sie sogar wesentlich mehr als die meisten Cis-Heteros. Irgendwo habe ich mal gelesen, es gäbe 1000 Arten von queer, aber nur eine Art, cis-hetero zu sein. Genauso empfinde ich das, weswegen ich mich jedes Jahr wie ein kleines Kind auf meinen Gig an der Pride gefreut habe.
Nun habe ich – nebst den vielen positiven Reaktionen auf meine Auftritte – aber immer wieder auch negatives Feedback erhalten. Vor allem wurde mir häufig gesagt, dass ich als heterosexuelle DJ einer queeren Person die Möglichkeit nehmen würde, an der Pride aufzutreten und damit Geld zu verdienen.
Ich bin für diesen Gig niemals bezahlt worden, das habe ich ja bereits erwähnt. Aber: Dass anstatt mir eine Person aus der Community auf der rollstuhlgezogenen Schubkarre hätte auflegen können, das stimmt natürlich. Ich habe mit meinem Hetero-Support also zum Status quo beigetragen, dass DJs aus der LGBTQI+-Community weniger Auftrittsmöglichkeiten bekommen, und habe damit unbewusst ungerechte Strukturen unterstützt. Das war mir nicht bewusst, und das tut mir leid. Ich habe dieses Jahr nicht mehr gespielt.
Ich stelle mir nun vor, dass es Männern, die am Frauenstreik teilnehmen möchten, im Grunde genau gleich ergeht. Sie sehen, dass die Welt für uns Frauen weniger Möglichkeiten bereithält als für sie selbst, und sind damit nicht einverstanden. Dieses Gefühl verstehe und schätze ich.
Ich verstehe aber auch Frauen, die das nicht nachvollziehen können. Als Mann am Frauenstreik muss man sich nämlich, genauso wie ich als cis-hetero-DJ an der Pride, fragen, ob die eigene Teilnahme nicht die Teilnahme einer Frau behindert. Vielleicht ist es tatsächlich zielführender, wenn Männer, die den Frauenstreik unterstützen möchten, Kinder hüten oder Suppe kochen.
Und dann gibt es da noch das Argument des Safe Space. Ein Safe Space ist per Definition ein Ort, an dem marginalisierte Gruppen sich sicher fühlen können und so die Gelegenheit erhalten, sich auszutauschen.
Die Öffentlichkeit ist nun sowohl für Frauen als auch für Angehörige der LGBTQI-Community meist kein Safe Space. Im Gegenteil: Die Strasse ist für uns ein Ort der Angst – insbesondere in der Nacht. Ein Ort, an dem wir vorsichtig sein müssen, um nicht Opfer von Gewalt zu werden – Gewalt, die cis-männlich und hetereosexuell ist, notabene. Dass Schwule, Transmenschen und Frauen andere verprügeln und sexuell belästigen, ist ja doch eher selten.
Dazu möchte ich euch eine kleine Anekdote erzählen: Am diesjährigen Frauenstreik legte ich in einem Club an der Langstrasse auf. Mein Freund besuchte mich an diesem Gig und erzählte mir im Nachhinein, wie er auf dem Klo zwei Männer belauscht habe, die darüber sprachen, wie toll sie den Frauenstreik fänden, denn nie sonst sähe man(n) so viele Titten auf einmal.
Auf den ersten Blick ist es verdammt schwer, die Allies von den Voyeuren zu unterscheiden.
Vor diesem Hintergrund verstehe ich das Bedürfnis, den öffentlichen Raum wenigstens einmal im Jahr zum Safe Space zu machen. Auf den ersten Blick ist es nämlich verdammt schwer, die Allies von den Voyeuren zu unterscheiden.
Trotzdem gehöre ich persönlich zu derjenigen Gruppe von Feministinnen, die männliche Allies in ihren Reihen willkommen heisst – auch und insbesondere am Frauenstreik. Ich bin fest davon überzeugt, dass jede minderprivilegierte Gruppe auf die Unterstützung von Angehörigen der privilegierten Gruppe angewiesen ist, wenn sie die Welt zu ihren Gunsten verändern will.
Ebenfalls bin ich überzeugt davon, dass die meisten von uns Feministinnen genau so denken und dass das Unwohlsein von Männern am Streik weniger darauf zurückzuführen ist, dass wir Frauen sie tatsächlich schräg anschauen, als darauf, dass sie für einmal als Männer in der Minderheit sind.
Nun – willkommen in unserer Welt! Was ihr, liebe Männer, am Frauenstreik fühlt, fühlen wir an jedem einzelnen Tag unseres Lebens: Wenn wir in der Nacht alleine unterwegs sind, wenn am Sitzungstisch wieder mal keine andere Frau anwesend ist oder wenn wir an der Uni ein «Männerfach» belegen: Das Gefühl, in der Minderheit zu sein, der Mehrheit hilflos ausgeliefert.
Oder anders: Was ihr am Frauenstreik fühlt, ist einer der Gründe dafür, warum es ihn überhaupt braucht. Könnt ihr wirklich keine zwei Stunden aushalten, was wir unser ganzes Leben lang ertragen müssen?
* Eine cisgeschlechtliche Person stimmt mit der ihr zugeschriebenen Geschlechterrolle überein. Hat sie zusätzlich die sexuelle Orientierung heterosexuell, so spricht man von cis-hetero. Ein Cis-Hetero-Mann fühlt sich z.B. als Mann, wird als Mann wahrgenommen und interessiert sich auf die romantische Art für Frauen.