Ich falle aus allen Wolken, als ich die Nachricht höre: Das SRF-Erfolgsprojekt «Zivadiliring» wird eingestellt. Überraschend, per sofort. Einem der meistgehörten Podcasts der Schweiz, der ein junges, weibliches Publikum erreicht und sogar das Hallenstadion füllt, wird der Stecker gezogen. Die Podcastfolgen fühlten sich für mich stets an wie Gespräche mit besten Freundinnen, mit denen ich über alles reden kann – über Sex, Liebe und den Tod.
Warum also, liebes SRF? Der Entscheid sei nicht leicht gefallen, sagt die Angebotsverantwortliche. «Wir unterstützen dabei, Angebote aufzubauen, damit sie sich anschliessend im Markt entfalten können.» Plus, die «Werbeaktivitäten und öffentlichen Auftritte des Trios» hätten sich nicht mit den publizistischen Leitlinien vereinbaren lassen. Die Hosts Yvonne Eisenring, Maja Zivadinovic und Gülsha Adilji halten entgegen: «Wir verstehen diese Entscheidung nicht und können sie deswegen auch nicht erklären oder kommentieren.»
Ohne auf konkrete SRF-Formate einzugehen, hinterfrage ich, warum demnach nicht auch andere erfolgreiche Sendungen in den freien Markt entlassen wurden. Die drei Podcasterinnen veranstalten seit über zwei Jahren Liveshows. Warum kommt diese Entscheidung so plötzlich?
Der Rauswurf von «Zivadiliring» erinnert mich an andere unverständliche Abschaffungen, etwa von «We, Myself and Why» und SRF Kultur per Ende letzten Jahres. Alle drei Formate hatten gemeinsam: Sie berichteten über Tabuthemen, vielfältige Lebensrealitäten, Popkultur, Queerness und Empowerment. Die Formate waren inklusiv und holten Menschen ab, deren Sichtweisen in den etablierten Medien untervertreten sind.
Die Formate waren Safe Spaces für viele Menschen – auch für mich.
Und jetzt? Ein Format nach dem anderen bröckelt aus meinem täglichen Medienkonsum weg. Ich versuche, sie durch Programme aus anderen Ländern zu ersetzen – teilweise vergeblich.
Dabei merke ich: Das sind keine Einzelereignisse in der Schweizer Medienlandschaft, das ist Teil eines globalen Trends. Hier einige Beispiele.
In den USA etwa wurde Ende der 1990er-Jahre «Bitch Media» ins Leben gerufen, ein unabhängiges feministisches Popkultur-Magazin. 2007 wurde «Jezebel» lanciert, eine feministische US-News-Seite.
Dann kam der anti-feministische Backlash in 2022: Als der US Supreme Court das nationale Recht auf Abtreibung kippte und sich das Klima gegenüber feministischen Publikationen verschlechterte, musste Bitch Media den Betrieb einstellen – 26 Jahre nach seiner Gründung. Eineinhalb Jahre später wurde die Online-Plattform Jezebel beerdigt, weil sie nicht mehr ins Businessmodell des Medienkonzerns G/O Media gepasst habe. Sie wurde nach ihrer Stilllegung verkauft, sodass die Plattform heute weiter existiert.
Ein Blick nach Europa: Ich bin bei meiner Recherche auf zahlreiche coole Initiativen für feministische Popkultur-Magazine gestossen, von denen ich nie zuvor gehört hatte. Viele davon wurden aus Finanzierungsgründen stillgelegt. Auch das Online-Magazin Edition F und das deutsche Missy Magazine kämpften jüngst ums Überleben oder mussten sogar Insolvenz anmelden.
In meinen frühen Jugendjahren hätte ich mir solche Formate gewünscht. Stattdessen verbrachten meine Freundinnen und ich damals unsere freien Stunden in der Quartierbibliothek, über Bravo-Hefte gebeugt. Dort lernten wir, wie die perfekte «Charme-Hypnose» funktioniert, dass gelbe Accessoires einen besonders sympathisch wirken lassen und wir Typen immer von unten anschauen sollten, weil süss. Heute weiss ich: Darunter waren, abgesehen von sexueller Aufklärung, kaum empowernde und relevante Inhalte.
Als Donald Trump zum ersten Mal Präsident wurde, stiess ich per Zufall auf den Artikel «Donald Trump is Gaslighting America» in der Teen Vogue. Und: Ich fühlte mich abgeholt. Die Teen Vogue hatte sich von einem Magazin über Mode, Beauty und Style hin zu einer Plattform entwickelt, die über Themen wie Homosexualität, psychische Gesundheit und Obdachlosigkeit berichtete. Im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 positionierte sich das Magazin mit einer kritischen Berichterstattung über Trump politisch. Das Ergebnis? Ein Jahr später wurde, nach mehreren Kürzungen die Printversion, das eigentliche Magazin gestrichen.
Trotz der Kritik, dass das Magazin teure Kleidung als erstrebenswert und identitätsstiftend für Jugendliche darstellte, erschufen Teen Vogue und ähnliche Angebote eine neue Art von Jugendmagazin. Sie vermittelten uns jungen Frauen: Wir können uns gleichzeitig mit Mode, Schönheit und Aussehen UND Politik, Aktualitäten und Feminismus auseinandersetzen. Das schliesst einander nicht aus.
Mir ist wichtig zu erwähnen: Die von mir erwähnten Medien sind nur einige von vielen. Sie alle sind betroffen vom gleichen Trend: Es wird bei diversen, bei feministischen Inhalten gekürzt. Während Frauen und Minderheiten um ihre Rechte bangen, Rechtspopulismus salonfähig wird und Grundrechte in Frage stehen, suchen wir Halt. Wir brauchen diese Safe Spaces.
Ich hoffe, dass die Verantwortlichen in den Medienhäusern endlich die Notwendigkeit von jungen und diversen Formaten erkennen. Im Fall von SRF ist der Protest in den sozialen Medien laut, Petitionen werden gestartet, und die Artikel schaffen es auf Frontseiten von Tagesmedien.
Reicht das für ein Umdenken bei der Prioritätensetzung, wie man unsere Gebührengelder einsetzt? Ich hoffe es.
Lassen wir uns nicht entmutigen. Schliessen wir uns zusammen, unterstützen wir bestehende Safe Spaces und setzen wir uns ein für diversen Journalismus.
Ich bleibe dran, damit die nächste Generation ein ermutigenderes Magazin als die Bravo hat.
Ja, das unterstütze ich!
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