Vor einigen Wochen hatte ich im Rahmen meiner Arbeit eine sehr unerfreuliche Begegnung mit einer Frau. Sie trug sich im Kontext der elektronischen Musikszene zu, in der ich als DJ und Moderatorin einer Radiosendung aktiv bin, und beschäftigt mich bis heute sehr. Aus zwei Gründen.
Erstens: Der exakte Laut der Worte, die die Frau an mich richtete, haben mein Innerstes erschüttert. «Du weisst, dass du stinkst?» war das Erste, das sie zu mir sagte – das Erste zumindest, an das ich mich erinnern kann. Das schiere Ausmass verletzender Intention dieser Worte macht mich jetzt schon wieder sprachlos. Noch nie in meinem Leben habe ich zu irgendjemandem «du stinkst» gesagt – auch dann nicht, wenn ich jemanden tatsächlich nicht riechen konnte. Mit Wortspitzen, die so tief treffen, gehe ich für meinen Teil vorsichtiger um. Als eloquente und wortgewandte Person weiss ich, wie lange Wunden schmerzen, die vergiftete verbale Pfeile reissen.
«Du stinkst.» Diese Worte trafen mich im Kern. All die vielen Jahre Kampf um körperliches Wohlbefinden waren temporär mit einem Satz dahin. Ich fühlte mich plötzlich schmuddelig und klein, übelriechend im Innersten. Rotten to the core.
Ich bin mir sicher, dass ich nicht stank. Das haben mir all diejenigen bestätigt, die ich im weiteren Verlauf dieses Tages um ihre Meinung bat.
Es ist davon auszugehen, dass sich die betreffende Frau in Tat und Wahrheit nicht an meinem Körpergeruch, sondern an etwas ganz anderem störte. Und das bringt mich zum zweiten, viel wichtigeren Grund, warum mich diese Begebenheit so nachhaltig beschäftigt: Sie hat mich daran erinnert, dass der ärgste Feind auf dem Weg der Emanzipation noch immer wir selbst sind. Wir haben die Misogynie, die uns tagtäglich begegnet, verschluckt und aufgegessen, mit der Folge, dass wir nun uns selbst und unsere Nächste hassen.
Ein kurzer Exkurs zum Begriff der internalisierten Misogynie: Dieser bezeichnet die unbewusst verinnerlichte Geringschätzung von Frauen gegenüber sich selbst und anderen Frauen, die sich auf verschiedene Arten äussern kann. Sogenannte «Pick me Girls» buhlen in den sozialen Medien mit Sätzen wie «ich bin nicht wie die anderen Mädchen» um männliche Follower und Likes. Sie äussern sich abwertend über Feminismus und spielen damit den Gegnern der Gleichberechtigung in die Hände. Beruflich erfolgreiche Frauen haben gelernt, dass es in der Chefetage nur Platz für eine von ihnen gibt, konkurrieren darum ungleich mehr mit Kolleginnen als mit Kollegen und halten potenzielle Konkurrentinnen künstlich klein. Und angeblich beste Freundinnen freuen sich heimlich hämisch über die Gewichtszunahme oder die ersten Falten der jeweils anderen. Kommentare dieser Art haben wir alle tausendfach gehört, oder ehrlicher: tausendfach gemacht: «Wenn ich so viel Cellulite hätte wie die, würde ich keinen so kurzen Rock tragen.» Familiar, anyone?
Die Gründe, warum keine von uns – nicht mal die allerengagierteste Feministin – vor internalisiertem Frauenhass gefeit ist, sind so tragisch wie profan: Wir alle haben gelernt, dass aus der Solidarisierung mit der eigenen Geschlechtsgruppe wenig Kapital zu schlagen ist. In der Schule sind wir beliebter, wenn wir anstatt mit Puppen mit Bällen spielen, wenn wir einen Männerberuf erlernen, verdienen wir später mehr Geld, und wenn wir befördert werden wollen, macht es ungleich mehr Sinn, mit dem Chef zu fraternisieren als mit der Putzfrau. Nicht zu vergessen: Bis vor Kurzem war die bestmögliche Karriere für alle Frauen die Ehe mit einem möglichst netten, erfolgreichen und gut situierten Typen.
Dass wir so oft gegeneinander arbeiten ist also sowohl individuell als auch historisch gewachsen und dient in unserer patriarchal geordneten Gesellschaft einem beinahe darwinistischen Zweck: Wir wollen möglichst gut (über)leben und solidarisieren uns darum mit der herrschenden Klasse: mit den Herren der Schöpfung.
Das Problem ist, dass wir so aktiv den Status quo aufrechterhalten. Wenn wir Frauen gegeneinander anstatt füreinander kämpfen, dann reproduzieren wir nämlich nicht nur das uralte Stereotyp der Stutenbissigkeit, sondern spielen auch denjenigen in die Karten, die uns klein machen und auf unserem angestammten Platz innerhalb der gesellschaftlichen Ordnung halten wollen.
Oder, wie es Simonetta Sommaruga in meiner Dok-Serie «Starke Frauen» für 3sat so treffend auf den Punkt brachte: Die Macht der Männer ist es, die Frauen zu spalten.
Ich für meinen Teil habe mir vorgenommen, nie wieder eine Frau zu hassen. Ich beschuldige nicht die Schwester, sondern das Spiel, das wir zu spielen gezwungen sind, und die althergebrachten Herren, die die Regeln dazu schrieben.
Meine letzten Worte gelten darum dir, Girl, die du kürzlich «du stinkst» zu mir gesagt und mich damit so verletzt hast. Ich vergebe dir und werde kein schlechtes Wort verlieren über dich – auch und erst recht nicht in dieser Kolumne.
Ich wünsche dir nur das Beste und hoffe, dass dir das Leben mehr Liebe gibt, als du in diesem Augenblick für mich übrig hattest.