Sex sells? Ja, gerade auch im Sport und insbesondere bei den weiblichen Athletinnen. Das ist leider auch 2024 so, wie vor wenigen Tagen wieder einmal unmissverständlich klar wurde. So präsentieren die nationalen Sportverbände möglichst knappe Outfits für die Olympischen Spiele in Paris – natürlich ausschliesslich für Athletinnen. Ein besonders knappes Beispiel ist die neue Leichtathletik-Ausrüstung von Nike für das Team USA: Die Athletinnen bekommen einen pinkfarbenen Body, der an den Beinen besonders hoch ausgeschnitten ist. Die Männer erhalten derweil ein Kompressions-Tanktop in Blau-Rot und Shorts, die bis zur Mitte der Oberschenkel reichen.
Die Sportlerinnen werden also auch diese Saison in kurzen Hosen und Bikinis, eng anliegenden Dresses, hoch ausgeschnittenen Beinansätzen und kurzen Röcke um Gold kämpfen. Hat «Mann» je gefragt, ob die Athletinnen das tatsächlich wollen? Ich kenne Sportlerinnen aus verschiedenen Sportarten, die sich in solchen Outfits auf dem Wettkampfplatz nicht wohlfühlen. Denn da geht es schlicht um Voyeurismus und nicht um Leistung. Kommt hinzu, dass der eindeutige Blick immer wieder durch fragwürdige Kamera-Perspektiven verstärkt wird. Zum Beispiel vor dem Sprintstart mit einer Kamera-Untersicht von hinten.
Vor drei Jahren sorgten die norwegischen Frauen an der Beachhandball-EM im bulgarischen Varna für textile Schlagzeilen, weil sie in kurzer Hose und T-Shirt spielten. Das Team wurde gebüsst, worauf Sängerin Pink anbot, alle Bussen zu bezahlen. Dazu kam es aber nicht, denn der Norwegische Verband übernahm die Geldstrafe. Auf Druck verschiedener skandinavischer Politiker:innen passte der internationale Verband die Kleidervorschriften im November 2021 schliesslich an. Allerdings müssen die Hosen weiter enganliegend sein – natürlich nur bei den Frauen. Ein Schelm, wer da Hintergedanken hat.
Übrigens gab es im Beachvolley lange eine Kleiderregel für Frauen, die eine maximale Stoff-Quadratzentimeter-Zahl angab. Ja, richtig, der maximale, nicht etwa der minimale Stoffeinsatz war festgelegt. Ich habe nicht recherchiert, wie das Gremium zusammengesetzt war, das diese hirnrissige Regel erfunden hat, kann es mir aber gut vorstellen.
An der Kunstturn-EM 2021 in Basel sorgte die deutsche Turnerin Sarah Voss international für Schlagzeilen. Und zwar nicht wegen ihrer tollen Flickflacks und dreifachen Schrauben, sondern wegen ihres Ganzkörperanzugs mit langen Hosenbeinen. Drei Teamkolleginnen zogen mit. Sie wolle jüngeren Sportlerinnen zeigen, dass das eigene Wohlbefinden im Sport nicht geopfert werden müsse, begründete Sarah Voss ihr Outfit. Für dieses starke Zeichen gegen die «Sexualisierung im Sport» erhielt sie 2021 den Fair-Play-Sonderpreis des deutschen Sports. Offiziell wäre eine lange Hose nicht verboten, inoffiziell ist der Druck aber gross, und es drohen gar Punktabzüge. In der Schweiz dürfen Turnerinnen ihre Übung auch in kurzen Hosen vortragen. Der Internationale Turnverband ist jedoch noch nicht so weit.
Es gäbe weitere, leidige Beispiele aus anderen Sportarten.
Die Lösung wäre einfach. Sportlerinnen sollen bei Outfit-Entwürfen und Kleiderregeln Mitsprache haben. Und Athletinnen sollen aus zwei verschiedenen Dresses frei wählen dürfen.
Susy Schär arbeitete 33 Jahren in verschiedenen Redaktionen bei SRF. Anfangs 90er Jahre war sie bei Radio DRS die erste Sportchefin der Schweiz. Die Gleichstellung von Frauen auf und neben dem Wettkampfplatz ist bis heute ihr grosses Anliegen. Die selbständige Kommunikations-Unternehmerin «Susy Schär Im Gespräch» hat verschiedene Mandate im Sport, u.a. Vizepräsidentin Sportförderung Schweiz (Nachfolge Sporttoto), Vorstand Weltklasse Zürich und Ethik-Kommission Swiss Athletics.