Andrew Bond ist Familienvater und Kinderliedermacher. In den Männerfragen spricht er über sein Weihnachtsmenü, Mariah Carey und seinen Hang zu Kitsch.
Wir konfrontieren Männer mit Fragen, die nur Frauen gestellt werden. Wir wollen damit Stereotypen aufbrechen, aber auch Toxizität entlarven.
Wir sind mitten in der Vorweihnachtszeit. Hast du euer Zuhause schon festlich dekoriert?
Das ist ein heikler Punkt. Bei meiner Frau ist die Weihnachtsdekoration – wie bei vielen Schweizer:innen – etwas blutleer. Sie mag Glas, weiss und alles dezent. Ich hingegen mag es bunt und üppig.
Ein Kitschbruder …
Naja, im Allgemeinen bin ich nicht so ein Deko-Fan. Aber zu Weihnachten mag ich diesen Kitsch. Das liegt vielleicht daran, dass ich in England aufgewachsen bin. Da ist die Weihnachtszeit deutlich bunter als hier.
Was kochst du dieses Jahr zu Weihnachten?
Das Weihnachtsmenü ist mein Job, überhaupt ist die Küche mein Gebiet. Weihnachten feiern wir zweimal. Mit der Schweizer Seite variiert das Menü jedes Jahr – und es steht noch nicht fest. Am 26. Dezember feiern wir mit der englischen Seite. Da gibt’s jeweils einen Truthahn mit allem Drum und Dran. Den bereite ich an dem Morgen mit unserer Tochter vor. Wir hören dazu Weihnachtslieder von Mariah Carey und Co.
Ach wie süss, eben doch ein Kitschbruder.
Also bitte, Mariah Carey ist kein Kitsch.
Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Deine Frau liegt in dieser Zeit auf dem Sofa und liest Zeitung?
(Schmunzelt.) So in etwa. Ich weiss gar nicht genau, was sie da macht. Aber sie hilft beim Kochen nicht mit. Ihr ist es zu viel, wenn wir durch die Küche wuseln und dazu noch laut Musik hören.
Neben Dekorieren und Kochen hast du in den nächsten Wochen noch Grosses vor. Du trittst im Zürcher Hallenstadion auf. Wie nervös bist du?
Gar nicht. Ich bin vor Auftritten nie nervös. Keine Ahnung warum. Vermutlich fehlt mir da ein Gen.
Du Glückspilz.
Das kann man so sagen. Natürlich lässt mich ein solcher Auftritt nicht kalt. Ich habe mir immer wieder Gedanken darüber gemacht, ob mein Programm funktioniert.
Und ob du das auch wirklich kannst?
Nein, das nicht. Aber ich habe mir gut überlegt, wie ich mein Programm auf einer so grossen Bühne gestalte. Im Hallenstadion reicht es nicht, wenn ich singe und auf meiner Ukulele spiele.
Ich habe darum eine Band und einen Chor. Die Planung ist abgeschlossen, und ich bin zuversichtlich. Der Ticketverkauf läuft sehr gut. Beide Konzerte sind praktisch ausverkauft.
Schon seltsam, dass du als Mann so ein Publikumsmagnet bist.
(Überlegt.) Naja, also ich als Mann … Ich glaube, die wenigsten kommen an ein Konzert von mir, um mich zu sehen.
Ach komm schon, jetzt sei mal nicht so bescheiden.
Nein, das ist wirklich so. Kein Kind will eine Stunde lang einem alten Mann zuschauen. Die Kinder wollen mitmachen, sie wollen die Lieder feiern. Und das machen wir auch: Wir singen gemeinsam eine Stunde.
Wie versteckst du deine Stimmungsschwankungen auf der Bühne?
Ich habe wenig Stimmungsschwankungen und bin sehr ausgeglichen. Ob bei einem Interview oder auf der Bühne, ich fühle mich immer gleich und meistens gut. Eine junge Musikerin, mit der ich zusammenarbeite, hat mir kürzlich gesagt: Immer, wenn du in den Raum kommst, sinkt mein Puls.
Oh, das tut mir leid für dich.
(Lacht.) Ja, das ist nicht das, was man als Mann hören möchte. Aber es hat mich auch gefreut, dass ich eine so ruhige Ausstrahlung habe.
Was brauchst du, um dich auf der Bühne schön zu fühlen? Highheels?
(Stutzt und lacht.) Ähm, eigentlich nichts. Ich achte darauf, dass ich gepflegt gekleidet bin. Und dass ich keinen Drei- oder Siebentagebart habe. Ich will den Kindern keine Angst machen. Ich müsste meine Glatze pudern, damit ich nicht so glänze, aber darauf habe ich keine Lust, und eben: Es geht bei den Auftritten ja nicht so sehr um mich.
Das erwähntest du bereits. Warum sucht ihr Männer euch immer so glanzlose Genres?
Also ich habe gar nichts gesucht. Das ist einfach so passiert. Darum kann ich die Frage nicht beantworten. Ich weiss auch nicht, ob das bei Frauen und Männern so anders ist.
Wie ist das denn «einfach so passiert»?
Schon als Kind begeisterte mich alles, was mit Musik oder Theater zu tun hatte. Ich hatte in den Schultheatern immer die Hauptrolle und konnte auch alle anderen Texte. Das war meine Welt.
Später leitete ich ein Jugendhaus, dann wurde ich Lehrer. Musik war mein Ressort. Als ich Teilzeit-Hausmann war und mit meinen Kindern backte und kochte, fragte ich mich: Gibt es in der Schweiz keine Lieder zum Thema Grittibänz oder Weihnachtsguetzli? Das sind doch so sinnliche Themen. Und weil es nichts gab, habe ich selbst Lieder gemacht.
Selbst ist der Mann.
Genau. Die Lieder kamen gut an, meine Frau wollte sie für die Schule. Und dann wollte sie ein Lehrerkollege von ihr und so weiter. Irgendwann nahm ich eine CD auf. Zufälligerweise gelangte diese an einen Verlag. Und so hat sich das entwickelt.
Schade, dass ihr Männer, kaum seid ihr Väter, nur noch über Kinder und Haushalt reden und sogar singen könnt …
Ich hatte schon noch andere Themen. Aber ich wollte immer Vater werden. Und ich wusste: Wenn ich Vater bin, will ich Vater sein. Ich habe viele Kinder gesehen, bei denen die Väter nicht präsent waren. Das wollte ich nicht. Die Kinder waren für mich das Wichtigste. Ich glaube, auch meine Kinder würden sagen, dass ich für sie jederzeit alles stehen und liegen lassen würde. Auch meine Musikkarriere habe ich für die Familie unterbrochen.
Findest du es nicht bitter, dass die Karriere von Männern immer hinten anstehen muss?
Ich stand am Anfang meiner Musikkarriere, da sind wir mit der Familie ein Jahr nach England gezogen. Alle haben mir gesagt, das sei das Schlimmste für meine Karriere. Aber mir war das egal. Wir wollten als Familie in England leben und haben es gemacht. In dieser Zeit war ich nicht berufstätig. Nur meine Frau hat gearbeitet.
Schön, wenn die Frau genug verdient, um ein solches Leben zu finanzieren.
Haha, so war es also nicht. Meine Frau und ich haben beide früh als Lehrpersonen gearbeitet. Wir hatten das Glück, immer genügend Geld zu verdienen, um unser Leben zu finanzieren und noch sparen zu können. So ging es dann auch mit England.
Anderes Thema: Traust du dich eigentlich nicht, Musik für Erwachsene zu machen?
Es spielt mir keine Rolle, ob ich vor Kindern oder vor Erwachsenen stehe. Ich gebe Workshops für Erwachsene und habe auch mal eine CD mit Musik für Erwachsene rausgegeben. Aber klar: Würde ich mich als Künstler definieren, würde ich keine Kinderlieder, sondern Popsongs machen. Aktuell ist meine Agenda noch voll mit Kinderkonzerten, ich muss also nicht noch was Neues anfangen. Wenn ich pensioniert bin, mache ich dann richtige Musik.
Wie Mariah Carey?
(Lacht.) Eher wie Sting. Ich habe eine Schublade voll mit Material. Aber die Welt wartet nicht auf einen weiteren Popsänger.
Schon wieder so bescheiden. So wird das nichts. Ihr Männer braucht mal Visionen und Mut. Dream big!
(Ganz ernst.) Ich bin sehr bodenständig. Ein Realist. Aber ich habe durchaus grosse Visionen.
Aha.
Ich habe vor einiger Zeit eine Theaterfirma übernommen und zehn Jahre lang grosse Musicals produziert. Teilweise hatte ich 30 Personen auf der Lohnliste. Und das Hallenstadion-Projekt ist auch keine kleine Nummer.
Ich bin beeindruckt. Wie geht’s dir eigentlich so, wenn du an die Zukunft denkst? Du bist ja auch nicht mehr der Jüngste im Showbiz.
Als ich Mitte 40 war, dachte ich: Bald will mich niemand mehr sehen. Es gibt viele junge Künstler:innen, die super Sachen machen. Und dann kam auch noch die Pandemie. Aber irgendwie bin ich immer noch da, auch noch mit meinen 58 Jahren. Ich spüre keine Anzeichen von Ermüdung – weder bei mir, noch beim Publikum. Ich mache also noch eine Weile weiter.
Noch eine Frage zum Abschluss. Hand aufs Herz: Wie viel deines Erfolgs verdankst du Flirts mit Müttern?
(Schweigt.) Das müsstest du die Mütter fragen. Ich glaube nicht, dass ich damit viel rausgeholt habe. Aber ein Teil meines Erfolgs hat vielleicht schon damit zu tun, dass ich ein Mann bin, der sich mit Kindern abgibt. Das finden Frauen attraktiv. Vielleicht ist das evolutionär bedingt. Dass ich Kinder ernst nehme, ist vermutlich ein Teil meines Sexappeals. Und dass ich Bond heisse (lacht).
Diese Kombination muss es sein.