Sie sind ins All und über den Atlantik geflogen, haben den Erdball schon mit sechzehn umsegelt und die höchsten Gipfel in Röcken bestiegen. In allen Ländern und zu allen Zeiten gab es Frauen, die mutige Vorreiterinnen waren. Das Buch «Good Night Stories for Rebel Girls» von Elena Favilli und Francesca Cavallo stellt 100 dieser aussergewöhnlichen Frauen vor. Es sind kurze inspirierende Geschichten – für Mädchen, Buben und Erwachsene. Jede Geschichte ist von einer Künstlerin illustriert.
Elena Favilli will sich mit den Geschichten und Büchern für die Stärkung von Mädchen einsetzen und ihnen Vorbilder zeigen. Sie selbst war Unternehmerin und Journalistin. 2018 startete sie das mittlerweile erfolgreichste Buch-Crowdfunding für «Good Night Stories for Rebel Girls». Heute ist Elena Favilli CEO der Rebel-Girls-Buchreihe.
Wann bist du Feministin geworden?
Meine Mutter war Feministin. Ich wuchs also mit einem klaren Gefühl dafür auf, wie wichtig es ist, für die Rechte der Frauen zu kämpfen und sie zu schützen. Ein feministischer Schlüsselmoment in meinem Leben war , als ich die Menschenrechtsaktivistin Emma Bonino kennenlernte. In den 1970er-Jahren führte sie den Kampf für die Legalisierung von Scheidungen und Abtreibungen in Italien. Nachdem ich sie im Jahr 2015 in Rom getroffen hatte, wusste ich, dass auch ich etwas für die Rechte der Frau tun muss.
Was möchtest du in Bezug auf Sexismus nie mehr erleben oder hören?
«Sei still!» Das ist ein unglaublich gewaltvoller Ausdruck, der oft und leichtfertig gegen Frauen verwendet wird. Männer versuchen seit Jahrtausenden, Frauen zum Schweigen zu bringen und ihre Stimmen zu unterdrücken. Es ist Zeit, uns davon zu befreien.
Welches Erlebnis hat den Ausschlag für dein Buch gegeben?
Ich bin Schriftstellerin und Journalistin und habe mich schon immer sehr für Kinderbücher und Illustrationen interessiert. Als ich beschloss, etwas für die Gleichstellung der Geschlechter zu tun, war für mich schnell klar, dass ich mit einem Kinderbuch beginnen möchte. Bei meiner Recherche habe ich mich mit der Darstellung von Frauen in Kinderbüchern beschäftigte. Da fand ich heraus, dass nur 33 Prozent der Bücher weibliche Figuren enthalten. Diese Erkenntnis hat mich schockiert. Dagegen wollte ich etwas tun. Und so entstand die Idee zu «Good Night Stories For Rebel Girls».
Wie würdest du das Buch in deinen eigenen Worten zusammenfassen?
Das Buch ist eine Sammlung von 100 Gute-Nacht-Geschichten, in denen Prinzessinnen gegen echte Frauen ausgetauscht werden. Es ist ein Buch, das Vertrauen schafft und die Fantasie anregt. Es zelebriert Vielfalt und Inklusivität in Bezug auf Geschlecht, Religion, Kultur, aber auch auf Geografie und Fachgebiete. Es regt Gespräche mit Kindern an und sorgt für Leseerlebnisse, die verbinden. Es kreiert einen Sinn und ein Gefühl für Gemeinschaft und hinterfragt den Status quo. Und schliesslich sorgt das Lesen des Buches für ein wunderschönes Zu-Bett-geh-Ritual.
Du hast dich mit herausragenden Frauen befasst, die oft kämpfen mussten. Welche Eigenschaft brauchen Rebellinnen?
Entschlossenheit. Das ist meiner Meinung nach eine der wesentlichsten Eigenschaft, und zwar sowohl für ein Rebel Girl wie auch für Frauen, die etwas bewegen und verändern wollen. Das habe ich beim Schreiben gelernt.
Welche Entwicklung hast du beim Schreiben durchgemacht?
Schreiben ist immer ein bewegender Prozess. Umso mehr, wenn man über die Biografien von so unglaublichen Frauen schreibt, die grosse Dinge in ihrem Leben in allen erdenklichen Gebieten geleistet haben – trotz aller Widerstände. Das Schreiben dieses Buches hat meine Perspektive auf mein Leben und die Welt verändert. Es hat meine Ängste, meine Selbstzweifel und meine Kämpfe in ein anderes Licht gerückt. Diese Erfahrung hat mir ein neues Gefühl der Zugehörigkeit zur Welt vermittelt. Ich verfüge jetzt über ein tieferes Verständnis für die Bedeutung von Freiheit und den Wert echter Gleichberechtigung.
Wie hast du die Disziplin aufgebracht, deine Idee auch wirklich in die Tat umzusetzen?
Das Buch ist dank einer Crowdfunding-Kampagne zustande gekommen. Zu wissen, dass bereits Tausende von Menschen auf das Erscheinen des Buches warten, hat mich motiviert, dranzubleiben und weiterzumachen. Aber ich muss sagen, dass ich ein sehr disziplinierter Mensch bin und Aufgaben in der Regel zuverlässig und entschlossen erledige.
In einem Satz: Warum soll man dein Buch lesen?
Um die Macht der Frau im Laufe der Geschichte zu würdigen.
Wie bringt man Männer dazu, «Good Night Stories for Rebel Girls» zu lesen?
Buben fühlen sich von dem Buch immer sehr angesprochen und angezogen. Wenn ich an Schulen oder in Buchhandlungen Präsentationen halte, sind Buben und Mädchen gleichermassen fasziniert von den Geschichten. Mädchen sind schon immer damit aufgewachsen, Bücher zu lesen und Geschichten zu hören, in denen hauptsächlich Jungs die Helden sind. Ich erinnere mich, wie ich Gullivers Reisen gelesen habe, als ich ein Kind war. Ich fühlte mich mit Gulliver sehr verbunden, obwohl er ein Mann war. Es sollte also auch möglich sein, das von Buben zu verlangen.
Über welche weiteren Themen möchtest du schreiben?
Ich interessiere mich für die Geschichte der Wissenschaft und würde gerne ein Buch über grosse, aber unbekannte wissenschaftliche Entdeckungen schreiben.
Wer inspiriert dich?
Viele der Frauen, über die ich geschrieben habe, inspirieren mich auf ganz unterschiedliche Weise. Zu ihnen gehören unter anderem Jane Goodall, Maria Callas, Alda Merini, Frida Kahlo oder Rigoberta Menchu.