Persönlichkeit
KnauserigGrosszügig
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Hintergrund
Alter:33
Ort:Zürich
Beruf:Sozialanthropologin, Verantwortliche Bildung bei Brava (ehemals Terre des Femmes Schweiz)
Einkommen:4300 Franken im Monat bei einem 70-Prozent-Pensum
Schulden:keine
Grösster Ausgabeposten:Miete
Vermögen:keines

Du hast dich proaktiv bei uns für dieses Interview gemeldet. Sprichst du gerne über Geld?

Ich habe mich bei euch gemeldet, weil ich das Thema sehr spannend finde und weil man in der Schweiz nicht oder nur selten über Geld spricht. Erst kürzlich hatte ich ein Erlebnis, bei dem mir wieder bewusst geworden ist, wie sehr das Thema bei uns tabuisiert wird und wie verkrampft der Umgang damit ist.

Was ist passiert?

Ich sass in einer privaten Runde mit jungen Menschen, alle so um die dreissig, und wir haben über Löhne gesprochen. Niemand wollte so richtig herausrücken damit, wie viel er oder sie verdient. Da ist mir wieder mal aufgefallen, wie ungern darüber gesprochen wird. Das hat mich irritiert und erstaunt, weil ich dachte, dass sich das geändert hat. Ich dachte, gerade unsere Generation sei offener und stehe für Lohntransparenz ein. Darum finde ich eure Money Talks super: Ich bin überzeugt, dass es einen offeneren Diskurs über Geld braucht.

Das freut uns. Mit wem sprichst du selbst denn über Geld?

Hin und wieder bringe ich das Thema in einer Runde unter Freund:innen oder Bekannten auf, wie bei dem eben erzählten Beispiel mit dem Lohn. Meistens stösst es dann aber nicht auf viel Anklang. Am ehesten spreche ich über Geld im politischen Kontext – beispielsweise wurde der ganze CS-Skandal in meinem Umfeld rege diskutiert. Aber über die persönliche Beziehung zu Geld oder die eigenen Finanzen wird selten gesprochen. Ich finde das erstaunlich. Denn wir leben in einem sehr reichen Land und in einem Land, in dem Geld eine grosse Rolle spielt, auch in persönlichen Beziehungen.

Flurina Peyer
Wenn wir über Geld reden, können wir besser verstehen, wie unsere Welt funktioniert.

Wie meinst du das?

Geld ist allgegenwärtig. Fast immer, wenn man sich mit Freund:innen trifft, braucht man Geld: Man geht etwas trinken, auswärts essen, ins Kino, und, und, und. Geld ist eine Voraussetzung, um all diese Dinge tun zu können. Es wird aber nicht darüber geredet, sondern man gibt es einfach beiläufig aus. Ich mache mir oft Gedanken, weshalb das so ist.

Und zu welchem Schluss bist du gekommen?

Ich glaube, es gibt zwei Ebenen, die sich beeinflussen. Zum einen: Die Schweiz ist enorm reich; wie wir aber zu diesem Reichtum gekommen sind und wie wir ihn noch immer vermehren, darüber wird öffentlich kaum gesprochen. Beispielsweise läuft ein Fünftel des weltweiten Rohstoffhandels über die Schweiz. Und wir verwalten ein Drittel des weltweiten Vermögens. Das sind immense Zahlen, die aber kaum öffentlich debattiert werden und die vielen gar nicht bekannt sind. Gleichzeitig spricht man wie gesagt auch im Privaten nicht über Geld. Ich glaube, wenn wir als Gesellschaft vermehrt und offener über Geld diskutieren würden, würde das Thema auch im Kleinen – in der Familie, unter Freunden, am Arbeitsplatz – mehr besprochen. In anderen Ländern ist das anders.

Hast du da Erfahrungen gemacht?

Ich habe eine Zeit lang in Indien gelebt. Da wird man sehr schnell gefragt, wie viel man verdient. Das gehört zum Kennenlernen dazu und ist eine vollkommen legitime und normale Frage, so wie man hier fragt, was man arbeitet.

Warum findest du es wichtig, mehr über Geld zu reden?

Geld hat viel mit Macht und Kontrolle, aber auch mit Freiheit und der sozialen Position in der Gesellschaft zu tun. Wer Geld hat, kann anders am Leben teilhaben und anders entscheiden als Menschen mit wenig Geld. Ich finde es wichtig, sich dessen bewusst zu sein. Und ich finde es wichtig, dass wir darüber reden, damit wir die unterschiedlichen Positionen und Lebensrealitäten sichtbar machen. Wenn wir über Geld reden, können wir besser verstehen, wie unsere Welt funktioniert.

Wie ist deine Beziehung zu Geld?

Geld bedeutet auch für mich Freiheit. Ich gebe es gerne aus, bin grosszügig und nicht sehr gut im Sparen. Mein Grundsatz, wenn ich mit Freund:innen unterwegs bin, lautet: Die Person, die am meisten verdient, lädt die anderen ein. Das habe ich von meiner Grossmutter. Sie war sehr grosszügig und hat uns Kindern immer die tollsten Geschenke gemacht. Geld bedeutet für mich aber gerade als Frau auch Freiheit und Unabhängigkeit: Ich will nie finanziell von einem Partner abhängig sein und mich auch in einer Partnerschaft nie über Geld streiten müssen.

Sorgst du auch fürs Alter vor?

Ich habe seit Kurzem eine dritte Säule, weil ich weiss, dass Altersvorsorge gerade für uns Frauen wichtig ist. Ich mache das aber ehrlich gesagt etwas widerwillig. Weil ich eigentlich der Meinung bin, dass der Staat uns Frauen besser absichern müsste. Aber da dies nicht der Fall ist und man selber für die finanzielle Gleichstellung sorgen muss, tue ich das halt.

Du bist Erwachsenenbildnerin bei Brava. Welche Rolle spielt Geld, wenn es um Gewalt an Frauen geht?

Geld spielt eine riesige Rolle. Es ist ein mächtiges Mittel zur Kontrolle. Bei häuslicher Gewalt gibt es verschiedene Formen davon. Sehr häufig kommt zum Beispiel ökonomische Gewalt vor. In solchen Fällen entzieht der Mann der Frau ihren Lohn und hat somit die Kontrolle über ihre Finanzen. Manchmal verbieten Männer ihren Frauen auch, zu arbeiten und Geld zu verdienen. Sie isolieren sie. In beiden Fällen sind die Frauen komplett abhängig von ihren Partnern und können die oft gewaltvollen Beziehungen nicht verlassen.

Wie kommen Frauen aus dieser Abhängigkeit raus?

Viele Frauen können nicht aus diesen Beziehung ausbrechen, weil die finanzielle Abhängigkeit eben so krass ist. In einem ersten Schritt muss dann die Sozialhilfe übernehmen. Sie ist ja auch dazu da, Menschen aufzufangen, die keine andere Möglichkeit haben. Gleichzeitig begibt man sich damit aber auch wieder in eine finanzielle Abhängigkeit. Das ist vielen Frauen unangenehm.

Flurina Peyer
Der politische Wille ist offensichtlich nicht da, um Geld für die Gewaltbekämpfung zu sprechen. Man rettet lieber die Wirtschaft als gewaltbetroffene Frauen.

Was können sie in solchen Fällen tun?

Um aus diesem System rauszukommen, brauchen sie einen Job. Einen zu finden, ist aber nicht immer einfach, und je nach Situation kann es auch eine Weile dauern, bis es klappt. Es ist für Frauen also oft sehr herausfordernd und schwierig, sich aus einer solchen gewaltvollen Beziehung zu lösen. Das braucht viel Kraft und Zeit.

Welche Rolle spielt die finanzielle Situation in den Beratungen?

Am Ende geht es immer irgendwie um Geld. Brava berät vor allem Frauen, die in die Schweiz geflüchtet sind. Da spielt Geld natürlich eine grosse Rolle, gerade wenn es zum Beispiel um rechtliche Beratungen geht und Kosten für Anwält:innen anfallen. Manche Frauen können sich das Ticket für den Bus oder den Zug nicht leisten, um in die Beratung zu kommen. Die Situation dieser Frauen ist oft sehr prekär. Gerade im Asyl- und Migrationsbereich sind Frauen noch mehr benachteiligt.

Inwiefern?

Sie sind diejenigen, die unter dem restriktiven Migrationssystem leiden und kaum Möglichkeiten haben, die Sprache zu lernen, einen Job zu suchen oder eben in eine Beratung zu kommen. Das liegt nicht nur daran, dass das Geld fehlt, sondern auch daran, dass es keine Kinderbetreuung gibt.

Fliessen in der Schweiz genügend staatliche Gelder in die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen?

Nein, ganz und gar nicht. Es fliesst viel zu wenig Geld in diesen Bereich. Es gibt zu wenig Schutzunterkünfte, es gibt zu wenig Geld für Beratungen, zu wenig Mittel für die Sensibilisierung, und das sind nur einige Beispiele. Es fehlt überall an finanziellen Mitteln. Der politische Wille ist offensichtlich nicht da, um sich des Themas anzunehmen und Geld für die Gewaltbekämpfung zu sprechen. Man rettet lieber die Wirtschaft als gewaltbetroffene Frauen.

Brava ist auch auf Spenden angewiesen. Wie schwierig ist es, diese Mittel zu finden?

Wir bekommen viele Privatspenden von Menschen, die unsere Arbeit schätzen. Diese Beiträge sind für uns zentral. Auch weil wir dieses Geld so einsetzen können, wie wir es richtig finden, beispielsweise für politische Arbeit.

Wofür spendest du selbst?

Ich spende an den jungen Medienkanal «Baba News». Da bin ich eine sehr treue Spenderin. Mir gefällt das System mit der Mitgliedschaft. Das sorgt für Verbundenheit. Und sonst spende ich immer wieder bei Crowdfunding-Projekten, die ich wichtig finde.

Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Was wünschst du dir für deine finanzielle Zukunft?

Dass ich so weiterleben kann wie bisher. Und für die Allgemeinheit wünsche ich mir mehr Umverteilung. Die Schweiz ist ein so reiches Land, wir haben genügend Geld für Gleichstellung. Es ist nur eine Frage der Prioritäten. Ich hoffe, dass sich diese Prioritäten endlich verschieben.