Ständig reden wir vom Patriarchat. Was es verantwortet, zerstört und verhindert. Doch was genau würde sich verändern, wenn Frauen an der Macht wären? Wäre unsere Welt eine bessere? Tanja Raich hat diese Frage an 20 Autor:innen weitergegeben. Daraus ist ein Sammelband entstanden, wobei die Autor:innen dieser Frage in Bezug auf ganz unterschiedliche Lebensbereiche nachgehen. Im Buch «Das Paradies ist weiblich» geht es um die Matriarchatsforschung, um Dystopien und Utopien, es geht auch darum, über das Matriarchat hinauszudenken und neue Ideen zu entwickeln, wie unsere Welt eine bessere und gerechtere für alle werden könnte.
Was war dein Schlüsselmoment in Bezug auf Feminismus? Wann bist du Feministin geworden?
Ich denke, das passiert schleichend. Als ich 14 Jahre alt war, habe ich die Welt sicher anders gesehen. Ich dachte vermutlich, dass ich nicht wesentlich anders behandelt werde, nicht anders erzogen werde. Je älter ich werde, desto klarer sehe ich, desto wütender werde ich. Aber die Wut kann ja durchaus konstruktiv genutzt werden: Als Antrieb, Dinge umzusetzen, es eben nicht auf sich beruhen zu lassen.
Was möchtest du in Bezug auf Sexismus nie mehr erleben oder hören?
Diese Liste wäre jetzt sehr lang, aber vor allem möchte ich nicht mehr die Welt erklärt bekommen, Stichwort Mansplaining.
Wo stellst du Backlashes fest?
Sobald konservative und rechte Parteien regieren, gibt es massive Backlashes in allen Bereichen. Während der Pandemie gab es sie auch, und immer dann, wenn ich die Bubble verlasse. Ich denke, wir glauben, fortschrittlicher zu sein, als wir es tatsächlich sind.
Welches Erlebnis hat den Ausschlag dafür gegeben, dass du dich entschieden hast, ein Buch zu schreiben?
Ich hatte einfach überhaupt keine Lust mehr, mich mit dem Patriarchat auseinanderzusetzen. Ich habe mich gefragt, wie unsere Welt aussehen könnte, wären wir nicht im Patriarchat, sondern zum Beispiel im Matriarchat. Diese Frage habe ich an 20 Autor:innen weitergegeben, entstanden ist ein Reigen aus Texten, der diese Frage aus den verschiedensten Perspektiven beleuchtet, aber auch weitergeht, das Matriarchat verlässt und neue Gesellschaftsformen in Aussicht stellt.
Wie bereit ist die Welt für dein Buch?
Ich denke, gerade die Pandemie hat wieder vieles, was im Argen liegt, zutage gebracht. Es ist höchste Zeit, sich mit der Frage zu befassen, wie wir eigentlich leben wollen und was als «naturgemäss» gilt, aber nicht unabänderlich ist. Es wäre doch schön, unsere Zusammenleben neu zu erfinden und eine Welt zu gestalten, die für alle gerechter wäre.
Was war das schönste Kompliment, das du für dein Buch erhalten hast? Und was die schlimmste Beleidigung?
Es gibt sehr viele schöne Rückmeldungen zu diesem Buch, vor allem, dass das Buch auch für viel Belesene neue Denkanstösse bietet. Richtige Beleidigungen habe ich tatsächlich noch nie auf ein Buch bekommen, aber die Aussage «Das ist nichts für mich» höre ich bei feministischen Büchern leider immer wieder.
Wer muss dein Buch dringend lesen?
Alle.
Wie bringt man Männer dazu, dein Buch zu lesen?
Ich hoffe, dass sie nicht dazu gebracht werden müssen, sondern selbst ins Regal greifen, weil auch sie die Frage umtreibt.
Tanja Raich lebt als Lektorin und Autorin in Wien. Ihr Debütroman «Jesolo» ist im März 2019 erschienen und wurde für den Österreichischen Buchpreis Debüt 2019 sowie für den Alpha Literaturpreis 2019 nominiert. Am 24. August 2022 erscheint ihr zweiter Roman «Schwerer als das Licht».
Tanja Raich ist zudem als Jurorin tätig, unter anderem beim Franz Tumler Preis. 2015 initiierte sie eine neue Literaturreihe bei Kremayr & Scheriau mit Fokus auf deutschsprachige Debüts, wo sie bis 2020 als Programmleiterin tätig war. Derzeit leitet sie das Literatur- und Kinderbuchprogramm beim Leykam Verlag.