Du bist unter anderem für das Zürich Filmfestival hier in der Schweiz. Welchen Designer trägst du heute?
Hm ... Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, was ich heute trage. Alle Teile stammen aus verschiedenen Orten der Welt. Der Pullover ist aus Los Angeles, die Hose aus Hawaii, glaube ich. Aber Design oder Mode ist nicht wirklich etwas, das für mich zählt. Was zählt, ist Stil. Und das ist etwas Persönliches, Mode nicht. Es gibt Leute, die einfach das tragen, was gerade im Trend ist. Das ist schade, weil sie ihre Persönlichkeit kaum mit einbringen. Für mich ist das aber sehr wichtig.
Du hast 2005 in Paris Schauspielunterricht genommen und hattest bereits 2006 eine deiner grössten Rollen im James-Bond-Film «Casino Royale». Hat dich das nicht überfordert?
Der Film war gross, die Rolle aber eigentlich nicht. Aber ich war schon immer sehr ehrgeizig. Nachdem ich mit der Musik einige Gipfel erklommen hatte, war ich sehr motiviert, in der Schauspielerei etwas Grösseres anzustreben. Was wir mit unserer Band Sens Unik damals erreicht hatten, war toll. Aber wir waren mit dem zufrieden, was wir hatten. Wir gingen keine Risiken ein, um weiterzukommen. Als ich meine Schauspielkarriere begann, sagte ich: Okay, jetzt geht es auf die nächste Stufe. Aber ja, ich habe Träume verwirklicht, von denen ich zu Beginn nicht dachte, dass ich sie verwirklichen könnte. Ich meine, mit Al Pacino zu arbeiten oder in einem James-Bond-Film mitzuspielen – solche Dinge hätte ich nie für möglich gehalten. Aber der Ehrgeiz war immer da.
Du lebst seit 2010 in Los Angeles. Ist Hollywood wirklich so männerfeindlich, wie man immer sagt?
(Lacht.) Ich weiss, das klingt seltsam, aber als weisser Mann in den Fünfzigern hat man es heute in Hollywood nicht leicht. Aber ich bin sehr froh, dass es heute, im Jahr 2022, einfacher ist, eine schwarze Frau in Hollywood zu sein, als früher. Es ist fantastisch zu sehen, wie sich die Welt so verändert.
Inwiefern ist es heute als Mann in Hollywood nicht einfach?
Die Leute sind so gerne wütend. Was die weisse, männliche Industrie in der Vergangenheit angerichtet hat, muss gerächt werden. Aber nicht jeder ist schuld daran, was früher passiert ist. Und ich bin es auch nicht, denke ich. Aber ich will mich nicht beschweren, lange Zeit war es für weisse Männer in Hollywood wirklich sehr einfach.
Was hat sich verändert?
Die Me-too-Bewegung hat sicher vieles bewegt in der Industrie. Man sieht viel mehr Frauen jeden Alters auf der Leinwand, in grossen Filmen – das fällt gerade in Los Angeles wirklich auf. Der Unterschied zu früher ist gigantisch. Diese Veränderungen sind also definitiv positiv, und es hat lange gedauert. Aber jetzt scheint es, als ob der Wandel sehr schnell vonstatten geht.
Stört es dich, dass die meisten Hauptrollen in Filmen von Frauen gespielt werden?
Nein, das stört mich nicht. Im letzten Jahr hatten die meisten Castings, an denen ich teilgenommen habe, eine weibliche Hauptrolle. Ich finde das grossartig. Aber die USA haben schon immer in Extremen gearbeitet. Jetzt ist der Trend also: Wir wollen weibliche Hauptdarstellerinnen! Ich hoffe nur, dass diese Entwicklung mehr als ein Trend ist. Kennst du Hulk – den grünen Superhelden?
Ja.
Jetzt gibt es die weibliche Version davon. Ich glaube nicht, dass das notwendig ist. Frauen können Heldinnen sein, ohne Männer zu kopieren und so dumm zu sein, wie Männer es waren. Männer haben den Krieg gefördert, sie haben Gewalt gefördert und dafür gesorgt, dass wir in einer machoiden Welt leben.
Hat es dich gestresst, fünfzig zu werden?
Für mich ist alles stressig. Ich lebe in Stress und in Unruhe. Ich sehe immer cool und glücklich aus mit meinem Lächeln ... aber ich bin ein verdammt gestresster Mann. Die ganze Zeit. Und das ist eine Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe. Weil ich stressige Jobs habe, wie zum Beispiel als Musiker in der Schweiz und dann als Schauspieler in Hollywood. Der Stress kommt nicht unbedingt von der Menge der Arbeit. Er kommt von der Ungewissheit, was morgen sein wird. Diese Entscheidung habe ich aber für dieses Leben getroffen. Hoffentlich werde ich in meinem nächsten Leben etwas weniger gestresst sein.
Das Alter ist also nichts, was dich besonders stört?
Nein, nicht unbedingt. Für Männer in meinem Alter gibt es zum Glück noch viele Rollen. Mein Alter macht mir keinen Stress, abgesehen von der Tatsache, dass man ein bisschen mehr auf seine Gesundheit achten muss. Und wenn man ständig im Stress ist, ist es schwierig, sich dafür Zeit zu nehmen.
Was ist deine Anti-Aging-Routine? Im oberflächlichen Los Angeles ist das doch sicher wichtig?
Ich habe keine. Ich benutze nicht einmal Gesichtspflege. Manchmal kümmere ich mich nicht einmal um meine Haare.
Wenn dir dein Aussehen schon nicht wichtig ist: Wie weit bist du bereit, für eine Rolle zu gehen?
Ohhh ... (lacht). Ich gehe auf die Casting-Couch! (Längere Pause.) Neeiin, ich mache nur Spass. Ich bin mir nicht sicher, ob es dieses Couch-Ding wirklich noch gibt. Oder vielleicht nehme ich es nicht wahr, weil ich keine Frau bin. Ich weiss, dass es immer Leute gibt, die versuchen, ihre Machtposition auszunutzen. Das ist schon immer so gewesen. Aber es ist so schändlich, so etwas zu tun. Deshalb denke ich wirklich, dass Produzenten und Regisseure damit aufgehört haben. Aber vielleicht täusche ich mich auch. Ich finde es übrigens auch nicht in Ordnung, wenn ein:e Schauspieler:in auf die Couch geht, um eine Rolle zu bekommen.
Wie kann man es sonst als Mann in Hollywood schaffen?
Mit Talent. Das war schon immer mein Ding. Ich habe keine Beziehungen in Hollywood. Ich habe Beziehungen in der Schweiz und ein bisschen in Spanien. Aber in Hollywood kennt mich niemand. Ich muss mein Talent zeigen und mir den Arsch abarbeiten, um Rollen zu bekommen. Das ist das ganze Geheimnis.
Dein neuester Film heisst «Father Stu», du spielst neben Mark Wahlberg und Mel Gibson.
Der Film war kürzlich die Nummer eins auf Netflix USA! Ich spiele nur eine kleine Rolle, aber das ist schon sehr cool.
Wie oft gab es Zickenkrieg am Set?
Man ist einfach ein glücklicher Kerl, wenn man als Schauspieler arbeiten kann. Berühmte Schauspieler wie Mark Wahlberg und Mel Gibson sind verdammt nett. Sie sind nicht überheblich oder angeberisch, weil sie wissen, dass diese Branche so hart ist! Wenn du arbeiten kannst, sei einfach glücklich. Sei keine Diva. Du rettest keine Leben, du bist nur ein Schauspieler. Auf dieser Ebene der Industrie wissen die Leute das. Wenn man diese Haltung hat, gibt es keinen Zickenkrieg. Zwischen Männern nicht und auch nicht zwischen Frauen.
Mit welcher Diät bereitest du dich auf deine Rollen vor?
Ich habe das Glück, dass ich nicht allzu schlecht aussehe. Ich bin gross und dünn. Aber ich habe auch erkannt, dass Schönheit mehr ist als das Äussere, vor allem für jemanden wie mich, der über fünfzig ist. Es geht nur darum, wie gut man sich in seinem Kopf fühlt. Aber ich habe mit intermittierendem Fasten angefangen. Das heisst, ich mache sechzehn Stunden Pause zwischen der letzten Mahlzeit am Vortag und der ersten Mahlzeit am nächsten Tag. Das hilft tatsächlich, ein bisschen konzentrierter zu sein und meinen Bierbauch etwas kleiner werden zu lassen. Denn der ist hartnäckig (zeigt auf seinen Bauch): Ich habe diese eine Rolle hier, und ich kann nichts dagegen tun. Sie ist einfach da.
Vor zwei Jahren erschien neue Musik von dir: «Les brunes et les blondes/Highway». Im Video dazu wachst du nach einer Partynacht in der Badewanne auf, irrst durch die Wohnung und bist bald umgeben von jungen hübschen Frauen. Gehört sich ein solches Auftreten für einen Familienvater?
Die Figur in diesem Video heisst Charles und ist mein Alter Ego. Charles stellt sich diese Frauen vor, sie sind nicht real. Charles ist ein einsamer Mensch. Früher hatte er Frauen um sich herum und war der König der Welt. Aber jetzt ist er es nicht mehr. Aber auch wenn er einen Niedergang erlebt, nimmt er ihn voll und ganz an. Und dafür mag ich ihn.
Wie viel Charles steckt in dir?
Ich bin verheiratet. Wir sind ein sehr modernes Paar. Wir versuchen, im Jahr 2022 so zu leben, wie wir denken, dass die Menschen im Jahr 2022 leben sollten. Das bedeutet, dass wir zum Beispiel die Monogamie als Beziehungskonzept infrage stellen – das ist für uns alte Schule.
Du hast zwei Kinder. Wer passt eigentlich während den Dreharbeiten auf sie auf?
Im Moment kümmert sich meine Frau um sie. Sie ist auch Schauspielerin und Schauspieltrainerin. Aktuell dreht sie eine Fernsehserie in den USA. Durch meinen Job bin ich mehr auf Reisen als sie. Ich bin also froh, dass ich sie habe und dass sie sich um die Kinder kümmern kann. Sobald ich zurückkehre, versuche ich, mehr zu helfen und die Kinder ein bisschen mehr zu betreuen. Aber wir haben kein einfaches Leben. Eines unserer Kinder hat gesundheitliche Probleme, und das ist manchmal schwierig. Wir sind eine sehr solidarische Familie, helfen uns gegenseitig, wir lieben uns sehr. Wir stehen im Leben vor Herausforderungen, die wir uns nicht ausgesucht haben, aber sie sind da. Also müssen wir mit ihnen fertig werden und stark sein. Meine Frau ist die stärkste Person, die ich mir vorstellen kann. Ich habe grosses Glück, ihr Ehemann zu sein.
Hast du Angst, etwas bei der Entwicklung deiner Kinder zu verpassen, weil du viel unterwegs bist?
Ich bin nicht so viel unterwegs. Das letzte Mal, als ich für längere Zeit auf Reisen war, waren es drei Monate. Da habe ich meine Kinder für drei Wochen mitgenommen. Ich finde immer eine Lösung, um nicht länger als vier Wochen von meiner Familie getrennt zu sein. Das ist für mich das Maximum. Ich leide schon nach fünf Tagen. Vor allem wegen meiner Bindung zu meinen Kindern. Wenn ich mich für eine Produktion entscheiden muss und sie sagen: Hör mal, du wärst sechs Monate in China und deine Familie kann nicht mitkommen, und du kannst zwischendurch nicht zurückkehren … Das wäre ein Angebot, das ich sofort ablehnen würde.
Du hast einen Sohn und eine Tochter. Wie erziehst du deine Kinder zu Feminist:innen?
Meine Kinder wachsen in eine Welt hinein, die viel ausgeglichener ist als früher. Aber ich finde, wir müssen mit dem Wort oder dem Konzept des Feminismus vorsichtig sein. Es kann sehr positiv für Frauen sein, aber auch sehr negativ.
Inwiefern?
Ich verstehe jeden Schritt, der von Frauen unternommen wird, um Gleichstellung zu erreichen. Aber auch hier hoffe ich, dass die Frauen nicht die gleichen Fehler machen, die die Männer schon immer gemacht haben. Denn Frauen sind besser als Männer. Sie wollen nicht in den Krieg ziehen, sie wollen keine Kehlen durchschneiden. Sie tragen das Leben in sich und haben eine bessere Vorstellung davon, was Leben bedeutet. Ich hoffe, dass Frauen nicht einfach Männer kopieren, sondern ihre Sensibilität als Schöpferinnen des Lebens behalten. Also, Feminismus, ja, aber aus guten Gründen: Es muss ein Gleichgewicht geschaffen werden. Es war schlecht, sehr schlecht – aber das bedeutet nicht, dass man jetzt Rache nehmen muss. Denn Rache ist nicht die Lösung. Wenn sich die Frauen jetzt dafür rächen, was früher passiert ist, wird es in Zukunft wieder Rache von Männern geben.
Welche Art von Maskulinität lebst du deinen Kindern vor?
Ich bin ein sehr zerbrechlicher Mensch. Ich weine zum Beispiel mehr als meine Frau. Für meine Kinder ist es psychologisch wohl sehr interessant, eine Mutter zu haben, die stärker ist als der Vater. Und ich möchte nicht der Mann sein, der (macht maskuline Geräusche) ist. Diese Scheissfigur hat meiner eigenen Familie nicht gut getan. Ich bin nicht interessiert an dieser Macho-Welt und daran, als Mann stark zu sein. Ich meine, schau mich an: Ich sehe vielleicht stark aus, aber mein Herz kann sehr sensibel sein. Ich will mich nicht dazu zwingen, ein Superheld zu sein. Ich bin, was ich bin. Manche Männer sind sensibel, künstlerisch und zerbrechlich – das bin ich auf jeden Fall.