Hallo Andri, könntest du heute protokollieren?

(Schaut überrascht.) Ja ist gut, ich mach das. Ich schreibe ab und zu Protokoll. Ich mache das noch gern.

Stimmt, Männer sind ja auch besser geeignet für sowas.

Das weiss ich nicht, finde das ist eher typabhängig.

Was bist du denn für ein Typ?

Ich bin sehr fleissig und pflichtbewusst.

Wie viel Prozent arbeitest du?

(Überlegt lange.) Etwa 50 Prozent.

Und den Rest deiner Zeit?

Die widme ich der Politik.

Kannst du davon leben?

Ja. Für die politische Arbeit werde ich ja auch noch bezahlt.

Wieviel verdient ein Nationalrat schon wieder, 200'000 Franken?

Es sind circa 120'000 Franken inklusive Spesen. Ich habe noch ein Zimmer in Bern, netto sind es also etwa 100'000 Franken Einkommen.

Willst du mal Kinder haben?

Ja, sicher, das ist ein Thema.

Wann?

In den nächsten Jahren.

Was heisst das? Sehr bald?

Ich weiss nicht, ob man das so planen kann. Aber vom Alter her kann ich mir das nun besser vorstellen als mit 20.

Wie alt bist du eigentlich?

27.

Noch so jung!

(Lächelt verlegen.)

Andri Silberschmidt
Die Elternzeit sollte sich auf das ganze Leben beziehen, man sollte sich immer Zeit nehmen für die Familie und die Kinder.

Als zukünftiger Vater bist du bestimmt für eine Elternzeit.

Ja, aber ich finde, die Elternzeit sollte sich auf das ganze Leben beziehen, man sollte sich immer Zeit nehmen für die Familie und die Kinder, und auch die ersten Wochen sollte ein Vater präsent sein. Aber es dauert ja über 20 Jahre, bis die Kinder aus dem Haus sind, da ist die gesetzlich festgeschriebene Elternzeit nur ein kleiner Teil davon.

Wie viele Wochen würdest du denn befürworten?

Ich bin der Meinung, es braucht keine Ausweitung des bestehenden gesetzlichen Urlaubs. Die 14 Wochen kann man zusammenlegen, wovon die Frau zum Beispiel mindestens 10 Wochen bekommen sollte. Der Rest würde unter den Eltern nach ihrem Willen aufgeteilt.

(Die Journalistin und zweifache Mutter atmet tief durch). Andri, wir reden nochmals, wenn du wirklich Vater bist.

Übernimmst du dann auch den Nachtdienst?

Ich nehme es an. Ich kann immer wieder gut und schnell einschlafen. Als Kind bin ich auf Besuch immer unter den Tisch gekrochen und dort eingeschlafen. Noch heute kann ich überall schnell einschlafen.

Wirst du als Vater eher auf 40 oder 60 Prozent reduzieren?

Ich habe das Privileg, dass ich nicht eine bestimmte Anzahl Stunden arbeite. Von daher werde ich keine Anstellungsprozente aushandeln müssen.

Aber reduzieren wirst du schon, oder? Du willst ja als Vater sicher einige Tage mit dem Kind verbringen?

Ich kenne das «Familie gründen» ja erst vom Hörensagen von meinen Freunden, die bereits Eltern sind. Ich stelle es mir sehr schön vor, Zeit mit den Kindern zu verbringen, zusammen ins Sporttraining zu fahren, Kindergeburtstage zu veranstalten und sie im Cargo-Bike zu chauffieren! Ich freue mich sehr darauf, aber es wartet bestimmt auch harte Arbeit, wie Hausaufgaben oder Windelwechseln. (zögert) Warum warst du eigentlich sicher, dass ich Vater werden möchte? Dein ganzes Interview wäre ja sonst nicht aufgegangen. (lacht)

Hm, ich dachte, du bist einfach der Typ dazu. Perfect daddy.

Andri Silberschmidt
Logistisch würde ich mich für die Babytrage entscheiden. Das ist im Parlamentssaal wahrscheinlich einfacher.

Wie willst du denn deine Parlamentsarbeit mit der Vaterschaft vereinbaren?

Ich werde sicher alle anderen jungen Väter und Mütter im Parlament fragen, wie sie das machen.

Andri, schreibst du auch wirklich mit? Du scheinst mir hier sehr entspannt zu sein, dafür dass du das Protokoll führen solltest.

(Er grinst bloss, da die Journalistin mitschreibt.)

Baby im Bundeshaus, ja oder nein?

Wieso nicht? Wir haben ja sogar ein Stillzimmer.

Kommst du dann mit der Babytrage oder dem Kinderwagen in den Parlamentssaal?

Logistisch würde ich mich für die Babytrage entscheiden. Das ist im Parlamentssaal wahrscheinlich einfacher.

Was machst du eigentlich sonst beruflich?

Jeder Tag ist anders, aber hauptsächlich bin ich bei Planzer engagiert, als Assistent der Geschäftsleitung für strategische Projekte.

Wie wichtig ist dir dein Job?

Enorm wichtig.

Andri Silberschmidt
Ich will aber weiterhin in der Privatwirtschaft meinen Beitrag leisten sowie Erfahrungen und Einblicke sammeln. Es ist mir wichtig, dass ich mein Geld in der Privatwirtschaft verdiene.

Warum willst du denn überhaupt Kinder haben, wenn du gleichzeitig auch Karriere machen willst? Alles kannst du nicht haben, Andri.

Ich strebe nicht unmittelbar einen Job als CEO an. Ich will aber weiterhin in der Privatwirtschaft meinen Beitrag leisten sowie Erfahrungen und Einblicke sammeln. Es ist mir wichtig, dass ich mein Geld in der Privatwirtschaft verdiene.

Jetzt untertreibst du. Du bist immerhin Nationalrat, das können nicht viele Männer von sich behaupten. Also warum willst du obendrauf noch Kinder?

Weil Familie und Kinder für mich wichtige Werte sind. Es geht darum, etwas weiterzugeben. Familie bedeutet Zusammenhalt und Fundament. In den letzten zwei Jahren hat sich das nochmals verdeutlicht. Natürlich freue ich mich, dass ich im Alter einmal sagen kann, «dank mir kann man eine Firma digital gründen», aber eine eigene Familie, das ist einzigartig.

Also du bist Chef und hast Mitarbeitende bei deinem Startup Kaisin, das Poké Bowls anbietet. Traust du dir diese Verantwortung zu? Du bist ja noch sehr jung.

Ja, wir sind alle mega jung. Wir lernen noch dazu und machen Fehler. Es ist auch richtig, dass wir uns das zugestehen. Die Verantwortung nimmt zu und wir haben Respekt davor. Es sind jetzt 50 Leute angestellt und wir sind nicht mehr klein. Wir haben uns organisch und ohne Investoren etwas aufgebaut und sind entsprechend stolz darauf.

Und im Verwaltungsrat von Kaisin?

Der Gründungs-Verwaltungsrat war zuerst sehr männlich, da wir nach einer Reise unter Freunden die Geschäftsidee umgesetzt haben. Ich habe dann aber beschlossen, den Verwaltungsrat zu professionalisieren. Jetzt ist auch eine Frau dabei.

Wie viele seid ihr?

Wir sind fünf. Zwei Gründer sind ausgetreten, dafür sind zwei neue Mitglieder dazu gekommen, eine davon ist die Frau. Mir ist wichtig, dass wir diverse Teams haben. Auf Andy Schwarzenbach, er hat Hitzberger gegründet und verkauft, wollte ich ungern verzichten, bloss weil er keine Frau ist.

Andri Silberschmidt
Ich bin mir bewusst, dass nach wie vor Nachteile in der Politik und Wirtschaft für Frauen bestehen. Beispielsweise bei den Steuern, wo zusätzliche Arbeit steuerlich bestraft wird, weshalb wir endlich die Individualbesteuerung wollen.

Setzt du dich für Frauen ein?

Ich setze mich für alle Menschen ein, damit sie ihre Träume verwirklichen können. Ich bin mir bewusst, dass nach wie vor Nachteile in der Politik und Wirtschaft für Frauen bestehen. Beispielsweise bei den Steuern, wo zusätzliche Arbeit steuerlich bestraft wird, weshalb wir endlich die Individualbesteuerung wollen.

Du wirkst sehr selbstbewusst. Fragst du dich nie, ob du das alles kannst?

Doch, sogar sehr institutionalisiert. An einem Wochenende pro Jahr überlege ich mir, was ich in Zukunft öfters oder nicht mehr mache. Ich treffe zudem regelmässig Menschen, die ich bitte, mich zu kritisieren. Ich bin überzeugt, dass man schnell in eine Blase abdriftet und das Fremdbild verliert.

Wer urteilt dann über dich?

Das sind Menschen aus meinem Umfeld. Wir gehen mittagessen, ich zahle ihnen eine Poké-Bowl und dafür sagen sie mir, was ich alles nicht gut mache.

elleXX Säule 3a
Sinnvoll vorsorgen? Aber mit Rendite. Das geht. Wir sind überzeugt, dass ein verantwortungsbewusster Einsatz deines Geldes langfristig Wert schafft, ganz nach unserer Vision «Close the Gaps». Wenn du erwerbstätig bist, kannst du dich mit der elleXX 3a zusätzlich finanziell absichern, langfristig investieren und damit Steuern sparen.

Andere sagen, du willst Bundesrat werden. Ist das nicht eine Schuhnummer zu gross für dich?

Doch. Im Moment ist das bestimmt ein paar Schuhnummern zu gross. Ich habe mir selbst die Frage noch nicht gestellt. Dass man überhaupt erst in die engere Auswahl kommt, ist von vielen Faktoren abhängig. Ich möchte mir lieber Ziele setzen, die ich aus eigener Kraft erreichen kann. Das Bundesratsamt ist nicht etwas, das ich direkt beeinflussen kann.

Bist du überzeugt, dass du gut bist, indem was du tust?

Ich bin jemand, der eher nur 80 Prozent des Geforderten liefert, aber diese Schwäche gleiche ich aus, indem ich fleissig und effizient bin. Ich kann gut vernetzen und Lösungen sehen. Das hilft mir, am Ende doch etwas Gutes abliefern zu können.

Das ist sehr reflektiert. Schon fast weiblich bescheiden.

(lacht) Ich kann wenig mit solchen Attributen anfangen. Das schubladisiert doch sofort.

Andri Silberschmidt
Die Pflege meiner Haare ist sehr ausgeklügelt. Ich nehme die Paste in die Finger, streiche fünf Mal über die Haare, ziehe den Velohelm an und gehe aus dem Haus.

Du bist auch ein schöner Mann, nutzt du das als Vorteil?

Ich versuche, anständig gekleidet das Haus zu verlassen. Das ist schon ein Erfolg für mich. Das ist alles was ich dazu sagen kann.

Aber die Frauen fliegen doch auf dich.

Ich glaube nicht. Das habe ich auch nie angestrebt. Dann wäre ich besser DJ geworden. Als Politiker hat man da weniger Chancen.

Auf was achtest du bei deinem Look?

Im Parlament trage ich Anzug und Hemd. Meistens widerspricht sich das in der Farbe nicht. In meiner WG hängen drei Anzüge und fünf Hemden. Das ist ein Ökosystem für sich.

Hast du einen Signature Look?

Ich versuche, nicht aufzufallen durch meinen Look oder Style. Ich will sicher keine schmutzigen Kleider tragen, aber auch nicht total herausgeputzt herumlaufen. Am liebsten möchte ich neutral aussehen.

Wie pflegst du deine Haare?

Die Pflege meiner Haare ist sehr ausgeklügelt. Ich nehme die Paste in die Finger, streiche fünf Mal über die Haare, ziehe den Velohelm an und gehe aus dem Haus.

Faszinierend.

Ja, das Gel muss wirklich gut sein, damit die Sache mit dem Velohelm funktioniert.

Von VRP zu VRP: Wie findest du eigentlich elleXX? Bitte sei ehrlich, ich zahle dir auch eine Poké-Bowl.

Ganz ehrlich, ich finde es Hammer. Ihr macht «walk the talk». Für mich ist es nur schon ein Erfolg, dass ihr es gegründet habt. Es ist wichtig, dass man über diese Themen schreibt und spricht, aber Wirkung erzielt man erst, wenn man es politisch oder unternehmerisch angeht. Es braucht Taten! Deshalb finde ich es cool - ohne den Businessplan und eure Revenue Streams genau zu kennen. Ich bin zwar nicht mit jedem eurer Artikel einverstanden, aber ich finde es wirklich cool, was ihr macht. Respekt!

Danke! Das haben wir auch vor dir und deiner Arbeit, Andri. Danke für das offene Gespräch. Freue mich dann über die Geburtsanzeige, nicht vergessen, gäll!

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde angepasst; in einer früheren Version hiess es, der gesetzliche Mutterschaftsurlaub betrage hierzulande 18 Wochen, dabei sind es nur 14.