Ungleichstellung der Geschlechter entlarven? Dafür gibt’s in den sozialen Medien einen neuen Trend: den Hashtag «Women in Male Fields». Mit mehreren hunderttausend Beiträgen unter #WomenInMaleFields auf TikTok, Instagram und LinkedIn – Tendenz steigend – entwickelt er sich zu einem der grössten Trends dieses Jahres.
In Kurzvideos kehren Frauen durch Männer getätigte Aussagen und Handlungen um – sei es im beruflichen Kontext oder beim Dating. Die Beiträge zu #WomenInMaleFields zeigen auf, mit was für absurden Vorurteilen und Geschlechterbildern wir Frauen konfrontiert sind.
Eine Nutzerin schreibt: «Ich habe ihn nicht eingestellt. Er ist Anfang 30 und frisch verheiratet. Wahrscheinlich geht es bald in die Familienplanung!» Was im ersten Moment unsinnig erscheint, ist für viele Frauen im gebärfähigen Alter bittere Realität: Wir werden als Kosten- und Ausfallrisiko für Arbeitgebende wahrgenommen, weil wir eine Gebärmutter mit aktivem Zyklus haben.
In der Sitzung «mansplained» werden? Kennen viele Frauen, besonders wenn sie in Männerdomänen tätig sind. Eine Nutzerin bringt es auf den Punkt: «Wenn ein Mann in einem Meeting seine Idee präsentiert, unterbreche ich ihn und sage ‹Lass mich es dir erklären›».
Ein weiteres Beispiel gefällig? Die voreingenommene Frage an berufstätige Mütter, wer denn gerade auf die Kinder aufpasst, im aktuellen Trend umgekehrt: «Wenn er an einem Business-Dinner erscheint, muss ich ihn fragen, wer auf seine Kinder aufpasst», sagt eine weitere Nutzerin.
Dating-Kultur in Heterobeziehungen
Neben Anekdoten aus der Arbeitswelt beziehen sich die meisten Videos auf Dating, Ghosting oder «Situationships» – also klassische Themen rund um Heterobeziehungen.
Die Aussage eines Mannes, er möchte beim Sex kein Kondom tragen, weil er sonst nichts spüre, überträgt eine Nutzerin auf die Pille: «Nee, die Pille nehm ich nicht, damit spüre ich ja nichts.» Es geht weiter auch um das Abwerten von Emotionen: «Boah, jetzt heult mein Freund schon wieder. Was soll ich jetzt dazu sagen?!» Oder das Nicht-Committen-Wollen als Teil der heutigen Dating-Kultur: «Ich, wie ich die Karte ‹Ich bin nicht bereit für eine Beziehung› zücke, nachdem wir seit zwei Monaten daten.»
Zwischen Gesellschaftskritik und Verharmlosung
Dass Frauen öffentlich Kritik ausüben und auf Probleme aufmerksam machen, ist keine neue Erscheinung. Die Frauenrechtsbewegung in den 1970er-Jahren etwa nutzte das Aufmerksammachen auf Probleme sowie Gesellschaftskritik, um aufzuzeigen: Nicht das Individuum erlebt Einzelfälle oder Unglücke, vielmehr handelt es sich dabei um geteilte Erfahrungen. Damals geschah dies analog.
Heute haben wir Social Media, was uns wortwörtlich die Welt eröffnet. Der Trend «Women in Male Fields» funktioniert einfach zugänglich und weltweit, schafft ein Gemeinschaftsgefühl, stützt und bestärkt uns.
Es tut gut, zu sehen, dass man mit manchen unschönen Erlebnissen und alltäglichem Sexismus nicht allein ist. Seit es #WomenInMaleFields gibt, fühlt sich das ziellose Scrollen für mich an wie eine Gruppentherapie. Es schafft einen Safe Space. Gleichzeitig finde ich es tragisch zu sehen, was andere Frauen erlebt haben.
Meine Vorbehalte dem Trend gegenüber: Es ist ein schmaler Grat zwischen Empowerment und dem Normalisieren von hochproblematischen Verhaltensweisen. Ich bin bestürzt, dass ich bei der Recherche für diesen Text auf Videos gestossen bin mit Berichten über sexuelle Übergriffen, Gewalt und Vergewaltigung in der Beziehung. Die Anzahl an Kommentaren von Frauen, die Ähnliches erlebt haben, beelendet mich.
Wir müssen bei solchen Trends unterscheiden, ob wir uns über einen vorurteilsbehafteten Spruch lustig machen oder ob wir von einer Vergewaltigung sprechen, also von einer Straftat. Bei Letzterem ist ein ironisches TikTok-Video ohne Kontext oder Triggerwarnung fehl am Platz. Auf den For-You-Pages (dem Bereich in der App, wo neue Videos in personalisierter Auswahl angezeigt werden) braut der Algorithmus allerlei zusammen, und es ist uns überlassen, zu differenzieren und kritisch zu konsumieren.
Ein Bubble-Phänomen
So ein feministischer Trend ruft Männer auf den Plan, die den Trend auf sich umkehren. Auf Trend folgt Gegentrend, und zwar unter #MenInFemaleFields. In meinem Feed werden kaum solche Videos angezeigt, deswegen habe ich mich bei Kollegen informiert. Manche der Videos finde ich legitim, einfach nicht besonders lustig, andere dagegen klar unangemessen. Ich verstehe die Notwendigkeit nicht, weshalb Männer einen Trend auf sich beziehen müssen, der jetzt einfach mal uns Frauen gehört, und nur uns.
Die meisten von uns verweilen auf Tiktok und Co., um unterhalten zu werden. Unterhaltungswert schön und gut, aber was bewirkt #WomenInMaleFields wirklich?
Selbst wenn der Trend viral geht, ist und bleibt er ein Bubble-Phänomen. Die feministischen Videos erreichen vor allem die Zielgruppe, die damit interagiert. Vereinfacht gesagt reagieren mehrheitlich junge Frauen positiv und einige Männer, die sich bedroht fühlen, negativ. Die Reichweite? Ist somit beschränkt. Bis in Zeitungen darüber berichtet wurde, scheint der Trend an den älteren Generationen mehrheitlich vorbeigegangen zu sein.
Es braucht zudem bereits Sensibilität für das Thema, um die Ironie und die Botschaft des Trends zu verstehen. Wem Vorurteile und Sexismus nicht bewusst sind, bei dem wird der Trend schlicht nichts bewirken.
Die Wirkung des Trends ist begrenzt. Vielleicht ist es auch zu viel verlangt, dass ein Social-Media-Trend die Geschlechter gleichstellen würde. Am Schluss bringt uns der Hashtag nur etwas, wenn die Botschaften ins echte Leben überschwappen. Und dort etwas bewegen, verändern. Bei #MeToo ist dies gelungen – auf eine Online-Bewegung folgte ein Umdenken, folgten Taten.
Immerhin: #WomenInMaleFields hat eine Strömung in Gang gesetzt, die empowert, Bewusstsein schafft und eine Diskussion anregt. Wenn auch nur bei denen, die dafür affin sind.
Trotzdem ist das schon ziemlich viel für einen Hashtag, unter dem Frauen Fotos und Kurzvideos hochladen, in denen sie Vorkommnisse mit Sexismus teilen.