Ganz ehrlich: Ich bin schlecht mit Geld. Bereits meine allererste Kolumne für ellexx im November 2021 drehte sich um dieses Thema. Lange dachte ich, das sei meine eigene Schuld – schliesslich bin ich privilegiert. Weiss, Schweizerin und studierte Ökonomin – ausgerechnet! 

Die letzten vier Jahre als Kolumnistin eines feministischen Finanzmagazins haben an dieser Einschätzung allerdings einiges geändert. Nicht direkt an meinen Schwierigkeiten im Umgang mit Geld (leider!), aber ich weiss heute, dass dies nur teilweise meine Schuld ist.

Der Grund dafür ist so einfach wie deprimierend: Ich bin eine Frau. Und wir Frauen werden bei der Verteilung von Reichtum massiv benachteiligt – national, global, überall. Wir verdienen weniger, verfügen über weniger Vermögen, verrichten den Löwenanteil der Gratisarbeit und sind darum viel häufiger von Altersarmut betroffen als Männer, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. ellexx will das ändern: Close the Gaps!

Damit nicht genug: Auch unser Steuersystem benachteiligt Frauen. Dies habe ich erst kürzlich vollumfänglich verstanden, und seither bin ich schlecht gelaunt.

Wollt ihr es trotzdem wissen?

In dem Fall beginne ich mit einem kurzen Reminder zu Sinn und Zweck von Steuern, ok?

Rosanna Grüter
Männer kosten den Schweizer Staat im Vergleich mit Frauen knapp eine Milliarde Franken mehr pro Jahr.

Steuern sind die wichtigste Einnahmequelle des Staates. Die Schweizerische Eidgenossenschaft finanziert damit unser Gemeinwesen – Schulen, Spitäler, Strassen etc. Also alle öffentlichen Strukturen, die dem Wohl der Gesamtgesellschaft dienen. Soweit die Theorie. Praktisch sieht es wie immer anders aus, denn: Gesellschaftliche Ausgaben werden zwar von allen solidarisch gemeinsam getragen, ob arm oder reich, jung oder alt, schwarz oder weiss. Aber: Sie werden eben nicht von allen gleichermassen verursacht – ganz im Gegenteil.

Tatsächlich kommen Männer eine Volkswirtschaft viel teurer zu stehen als Frauen – das wurde bereits mehrfach empirisch untersucht und bestätigt. Männer verursachen mehr Verkehrsunfälle, begehen mehr Diebstähle, sind fast allein für Hooliganismus, Wirtschaftskriminalität und (sexualisierte) Gewalt verantwortlich und werden häufiger spiel-, alkohol- oder drogensüchtig, um nur einige wenige Faktoren zu nennen. Und aus diesem (Fehl-) Verhalten resultieren Mehrkosten für den Staat. In Deutschland sind dies 63 Milliarden Euro pro Jahr.

Bei uns sieht es kaum besser aus. Das Studierendennetzwerk «Rethink Economics Lausanne» schreibt in der Studie «Der Preis der Männlichkeit für die Schweiz»: «94 Prozent aller Gefängnisinsassen sind männlich. Dieser statistische Fakt wird nur selten besprochen (...). Paradoxerweise besteht zwar die Bereitschaft, Unsummen für Sicherheitsmassnahmen auszugeben, doch es wird kein Gedanke daran verschwendet, präventiv beim Faktor Männlichkeit anzusetzen.»

Das Ergebnis der Studie ist erschütternd: Männer kosten den Schweizer Staat im Vergleich mit Frauen knapp eine Milliarde Franken mehr pro Jahr. Eine. Fucking. Milliarde!

Dieser horrende Betrag kommt hauptsächlich durch zwei Faktoren zustande. Erstens: Die staatlichen Mehrausgaben, die infolge von asozialem, gesellschaftlich unerwünschtem Verhalten von Männern entstehen – zum Beispiel durch Inhaftierung von Straftätern, durch die Finanzierung von Polizeiapparat und Feuerwehr. Zweitens: Dem «Wert eines statistischen Menschenlebens», kurz «WLS». Das sind die kumulierten Kosten und Ausfälle – ärztliche Behandlungskosten, Produktivitätsverluste und Ähnliches –, die durch die schwere Verletzung oder den Tod eines Menschen für die Gesellschaft anfallen.

Besonders deutlich wird diese Ungerechtigkeit, wenn man sich die Gesundheitskosten in unserem Land anschaut. Offiziell verursachen wir Frauen über die Hälfte davon und bezahlen darum häufig höhere Krankenkassenprämien als Männer. Wenn man sich diese Kosten aber genauer anschaut, stellt man fest, dass «sich die Frauen ihre eigene Statistik vermiesen», wie die WOZ schreibt. «Frauen betreuen oft ihre pflegebedürftigen Männer. Diese unbezahlte Hilfe übertrifft die Hilfe der Spitex bei Weitem und wird zu 77 Prozent von Frauen geleistet – die damit die Gesundheitskosten der Männer senken.» 

Rosanna Grüter
Die Kosten häuslicher Gewalt schlagen auf der meist weiblichen Seite der Opfer zu Buche, nicht auf derjenigen der fast immer männlichen Täter. 

Dann: Männer verursachen zwar mehr Unfälle als Frauen, allerdings werden die dadurch verursachten von der Unfallversicherung via Arbeitgeber gedeckt. Weil Frauen weniger Lohn-, dafür mehr Care-Arbeit leisten, schlagen ihre Unfälle stärker in den Statistiken der Krankenkassen zu Buche. 

Noch ein Beispiel: Die Kosten des Kinderkriegens werden uns Frauen angelastet, obwohl zur Reproduktion doch zwei gehören. 

Und, mein Favorit: Die Kosten häuslicher Gewalt schlagen auf der meist weiblichen Seite der Opfer zu Buche, nicht auf derjenigen der fast immer männlichen Täter. 

Diese Daten stammen aus einer gross angelegten Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums und zeigen exemplarisch für den Gesundheitsbereich auf, wie wir Frauen für Strukturen zur Kasse gebeten werden, die uns nichts bringen, im Gegenteil: die uns benachteiligen. Anders ausgedrückt: Wir müssen auch noch dafür blechen, wenn wir zu Hause verprügelt werden. 

Rosanna Grüter
Wenn Schweizer Männer eine Milliarde mehr Steuern bezahlen müssten als wir Frauen – also genau so viel, wie sie an Mehrkosten verursachen: Wäre das nicht viel gerechter?

Dabei wäre es einfach, gesellschaftliche Kosten fairer  zu verteilen – nämlich demgemäss, wo sie ihre Ursache haben. Man nennt es «Verursacherprinzip», und es kommt in vielen gesellschaftlichen Bereichen zum Tragen. Zum Beispiel im Umweltrecht, wo (theoretisch) alle Kosten, die bei der Vermeidung, Beseitigung und zum Ausgleich von Umweltverschmutzung entstehen, von den schuldigen Akteuren bezahlt werden sollen. Genauso müssen Strassenrowdys, die ständig in Unfälle verwickelt sind, mehr für ihre Vollkaskoversicherung hinblättern als vorsichtige Autofahrer:innen. Oder: Ich als Raucherin zahle mehr für meine Lebensversicherung als eine nichtrauchende Person. Das dünkt mich nicht mehr als fair. 

Und nun zu meiner Idee vom feministischen Fiskus: Wie wäre es, wenn wir das Verursacherprinzip nicht nur auf die Krankenkassenprämien, sondern auch auf den Steuerfuss in diesem Land anwenden würden? Wenn Schweizer Männer mehr Steuern bezahlen müssten als wir Frauen – also genau so viel, wie sie an Mehrkosten verursachen: Wäre das nicht viel gerechter? Ausserdem würden sie es sich dann vielleicht zweimal überlegen, bevor sie potenziell gesellschaftsschädigendes und kostentreibendes Verhalten an den Tag legen.

You break it, you pay for it – so einfach könnte das sein.