Nur ein Prozent des Risikokapitals in Europa floss 2022 in weibliche Gründerteams, vier Prozent waren es 2021 in der Schweiz. Das hat unterschiedliche Gründe, einer der wichtigsten dürfte jedoch sein: Die klassischen Start-up-Investor:innen, also die mehrheitlich männlichen Wagniskapitalgeber oder Business Angels, suchen nach Tech-Start-ups, die unendliches Wachstum anstreben.
Zebracorns statt Unicorns
Unter diesen Start-ups gibt es durchaus solche, die von Frauen (mit)gegründet wurden – etwa die australische Grafikdesign-Plattform Canva oder das indonesische Fintech-Unternehmen Xendit. Viele Frauen gründen jedoch Unternehmen, die nicht nur auf wirtschaftliches Wachstum aus sind, sondern auch einen Nutzen für Umwelt oder Gesellschaft erzielen wollen. Studien zeigen: 54 Prozent der Frauen räumen diesen Dimensionen eine hohe Priorität ein, während es bei den Männern 39 Prozent sind.
Es gibt gar schon einen Namen für diese Bewegung, weg von nur wachstumsorientierten Start-ups: die Zebracorns. Der Begriff ist eine Anlehnung an Unicorns – ein Label für Start-ups, die über eine Milliarde Franken Marktbewertung haben – und wurde von einer Gruppe namens Zebras Unite erfunden. Im Gegensatz zu den Unicorns sprechen sich Zebracorns bewusst für Grundwerte wie Nachhaltigkeit, Inklusivität und Kooperation aus und damit gegen die klassische rein profitorientierte Start-up-Welt.
Eine Börse für Start-ups
Die Zebracorn-Fans unter den klassischen Investor:innen sind aber noch verschwindend klein: Wie können Start-ups mit nachhaltigen Ideen also trotzdem an das nötige Kapital gelangen? Eine neue Form der Finanzierung ist das sogenannte Crowdinvesting. Die Idee: Statt auf grosse Investor:innen zu setzen, kommt die Crowd zum Zug. Damit sind Menschen, sprich eine Gemeinschaft, gemeint, die an das Geschäftsmodell des Unternehmens glauben. Mit wenigen hundert Franken können sie so Miteigentümer:innen eines Start-ups werden: Sie erhalten also genau wie an der Börse eine Aktie des Unternehmens im Gegenzug für ihre Investition. Damit sind sie am Erfolg des Start-ups beteiligt. Und investieren gleichzeitig in eine Idee, die nicht nur schnellen Erfolg, sondern auch nachhaltiges Wachstum anstrebt.
Hier liegt auch der Unterschied zwischen Crowdinvesting und dem bisher bekannteren Crowdfunding. Beim Crowdfunding erhalten die Unterstützer:innen keine Aktien des Start-ups als Gegenleistung, sondern ein Produkt oder eine Dienstleistung. Damit bleiben sie eben auch «nur» Unterstützer:innen und werden nicht mitbestimmende Eigentümer:innen der Start-ups. Crowdinvesting-Plattformen schaffen hingegen eine Art Börse für Start-ups – eine Innovation in der Finanzwelt, die diese gleichzeitig ein Stück weit demokratisiert. Weil: Normalerweise sind die Börsen nur für grosse Unternehmen zugänglich, Start-ups hingegen sind kleine Unternehmen und können ihre Aktien nur kostspielig und aufwändig für die Massen listen.
Der klassische Weg für Start-ups, ihre Finanzierung sicherzustellen, führt über Bankkredite, strategische Investor:innen (sogenannte Venture Capitalists, kurz VC) oder Angel-Investor:innen. Das bringt aber auch entsprechende Einflussnahme und Abhängigkeiten hervor. Mit Crowdinvesting werden hingegen Fans und Mitglieder der Community eines Start-ups zu Miteigentümer:innen. Sie können nicht nur an der GV mitentscheiden, sondern auch mithelfen, das Start-up zu unterstützen. Sei es als Kund:innen, sei es durch Werbung oder eben durch den Kauf von Aktien. Damit ist Crowdinvesting auch eine gute Möglichkeit, im Kontakt mit den Wünschen der Community zu bleiben.
Frauen investieren in Frauen
In der Schweiz gibt es bereits solche «Start-up-Börsen», zum Beispiel Conda oder Aktionariat. Und in den letzten zwei Jahren haben auch die ersten Schweizer Start-ups den Schritt gewagt, die Schwarmfinanzierung zu testen – mit grossem Erfolg. Gerade nachhaltige Start-ups haben Rekorde gebrochen. Die Finanzplattform Inyova hat letztes Jahr im Rahmen eines Crowdinvestings rund sieben Millionen Franken eingenommen und damit knapp 3000 Investor:innen dazugewonnen. Modeproduzentin Nikin wiederum hat ein Crowdinvesting im Dezember fünf Millionen Franken in die Kasse gespült.
Und von Frauen gegründete Start-ups? Bisher gibt es zumindest in der Schweiz noch keine weiblich geführten Start-ups, die den Schritt zum Crowdinvesting gewagt haben. Allerdings zeigen Studien, dass Frauen beim verwandten Crowdfunding sehr erfolgreich sind. Auf der Schweizer Crowdfunding-Plattform wemakeit sind Projekte von Frauen im Schnitt rund 60 Prozent erfolgreicher. Und: Auch die Unterstützer:innen auf Crowdfunding-Plattformen sind häufig Frauen. «Frauen investieren in Frauen», sagte wemakeit-Geschäftsführerin Céline Fallet gegenüber elleXX in einem Interview.
Ob Frauen auch beim Crowdinvesting erfolgreicher sind, wird sich zeigen. Es könnte aber eine Chance sein, den Gender-Gründungsgap zumindest ein Stück weit zu reduzieren. Und: Studien gehen davon aus, dass eine stärkere Betonung von Start-ups mit nachhaltigem und sozialem Fokus mehr Frauen fürs Thema Entrepreneurship begeistern kann.