Aleksandra Laska ist Partnerin bei Redalpine, einem VC-Fonds, der in der frühen Phase in Start-ups aus dem Techbereich investiert. Im dritten Teil unserer Serie «Female Founders» spricht sie mit Samantha Taylor über unbewusste Vorurteile, die Veränderungen in der Welt der Venture-Capital-Fonds und Quoten.
Aleksandra Laska, wie viele Female Founders hat Redalpine im Portfolio?
Wir haben in unserem Portfolio zwischen 25 und 30 Prozent Female Founders. Diversität ist uns wichtig. Darum ist uns auch bewusst, dass es mehr Frauen sein könnten. Wir bekommen insgesamt aber deutlich weniger Anfragen von Female Founders als von Männern. So gesehen ist diese Quote nicht schlecht. Grundsätzlich investieren wir wie auch andere VC-Fonds in die besten Ideen. Es sollte keine Rolle spielen, ob sie von Frauen oder von Männern stammen.
Die Verteilung des Risikokapitals ist sehr einseitig. Nur drei Prozent des weltweit investierten Kapitals fliessen an Female Founders. Sind die Ideen von Männern so viel besser? Oder woher kommt dieses Ungleichgewicht?
Das Thema ist komplex. Feststeht: Frauen bekommen nicht weniger Kapital, weil ihre Ideen weniger gut sind oder sie diese schlechter pitchen. Ein Grund ist die historische und gesellschaftliche Komponente: Frauen sind vielerorts noch nicht lange unternehmerisch tätig, ihnen wird eine andere Rolle zugeschrieben. Daneben investieren VC-Unternehmen häufig im Tech-Bereich, wo Frauen nach wie vor deutlich weniger vertreten sind. Auch hier spielen Rollenbilder, die schon in der Schule vermittelt werden, eine wichtige Rolle: Jungs sind gut in Mathe, Mädchen in Sprachen. Solche Stereotypen gilt es aufzubrechen. Und schliesslich sind die Entscheidungsträger:innen auf der Investitionsseite sehr oft männlich.
Und diese investieren lieber in Männer?
Nicht bewusst, aber unbewusste Vorurteile beeinflussen Entscheidungen. Ich kann mir gut vorstellen, dass man sich wohler fühlt mit Menschen, die einem selbst möglichst ähnlich sind – und ihnen eher vertraut.
Frauen werden aufgrund solcher unbewusster Vorurteile als weniger kompetent, risikofreudig und leistungsorientiert eingeschätzt. In Pitch-Situationen müssen sie ihre Kompetenz mehr beweisen, während Männer die Möglichkeit bekommen, das Potenzial ihrer Innovation aufzuzeigen.
Ich kenne die Studien dazu, muss aber sagen, dass ich das nicht so erlebe. Wir haben bei Pitches einen Fragenkatalog, den wir mit allen Bewerber:innen durchgehen. Jeder und jede bekommt dieselben Fragen gestellt: «Was ist dein USP?», «Welches Problem löst du?», «Wie schätzt du dein Wachstumspotenzial ein?» und so weiter. Ich stelle aber auch Unterschiede im Auftreten von Bewerber:innen fest.
Zum Beispiel?
Frauen sind zurückhaltender, wenn es darum geht, ihre Vision zu verkaufen. Sie sind realistischer. Männer präsentieren sich und ihre Projekte ambitionierter. Aus meiner Sicht ist das aber nicht immer besser. Als VC-Fonds möchte ich eine gute Balance zwischen Selbstbewusstsein, Optimismus und Realismus. Es bringt nichts, wenn jemand visionär und von sich überzeugt ist, aber die Erfolgschancen völlig falsch einschätzt. Diese Eigenschaften sind übrigens nicht nur von Geschlecht, sondern stark vom Charakter abhängig. Ich erlebe genau so ambitionierte Frauen wie zurückhaltende Männer.
Was halten Sie von genderneutralen oder anonymen Pitches?
Das ist schwierig umzusetzen. Ich finde es richtig, dass man mit standardisierten Fragen arbeitet. Auch das Pitch Deck, die Präsentation, die Gründer:innen einreichen, kann anonymisiert sein. Aber ohne Interaktionen mit den Gründer:innen ist es unmöglich. Die Menschen, die hinter einem Unternehmen stehen, sind ein zentraler Faktor für den Investitionsentscheid, besonders in den ersten Finanzierungsrunden.
Suchen Gründerinnen Kapital für Innovationen für eine weibliche Zielgruppe, haben sie es doppelt schwer. Männlichen Investoren interessieren sich nicht für Periodenprodukte, weil sie nicht betroffen sind. Kommt Ihnen das bekannt vor?
Ich kann mir vorstellen, dass das vorkommt. Für ein rein männliches Investment-Team ist es vielleicht manchmal schwierig, das Potenzial eines Femtech-Cases voll zu verstehen. Manche finden es auch unangenehm, beispielsweise über ein Periodenprodukt zu sprechen. Bei uns befasst sich unser Healthtech-Experte mit solchen Themen. Da er ein Mann ist, fragt er mich oder meine Kolleginnen bei Femtech-Themen nach unserer Meinung. Das finde ich völlig legitim. Ich mache das nicht anders.
Sie ziehen also auch einen männlichen Kollegen bei, wenn es um Männergesundheit geht?
Ja, klar. Ich habe mich vor Kurzem mit einer Gaming-App befasst. Da ich selbst nicht game, habe ich mich dazu auch mit jemandem ausgetauscht, der gamet. Es gibt bei einem Case immer Teile, die jeder beurteilen kann, wie beispielsweise das Geschäftsmodell oder die Grösse des Zielmarktes. Als Investor:in braucht man zudem eine gewisse intellektuelle Flexibilität und Neugier, um sich mit neuen, unbekannten Themen zu befassen. Und schliesslich gibt es Bereiche, bei denen es hilfreich ist, wenn jemand mit Erfahrung draufschaut. Darum braucht es möglichst diverse Investitions-Teams.
Das ist aber nach wie vor nicht die Regel. Investoren sind meist männlich. Wo sind die Investorinnen und Analystinnen?
Im VC-Bereich arbeiten klassischerweise Personen aus der Finanzindustrie oder aus dem Tech-Bereich. In beiden Branchen sind Frauen bis heute untervertreten. Ich sehe aber auch, dass sich die VC-Welt verändert.
Inwiefern?
Vielen Fonds wollen sich diverser aufstellen und sind explizit auf der Suche nach Frauen oder wollen jene Frauen, die für sie tätig sind, fördern. Das ist erfreulich. Für Diversität in einem Portfolio ist es aber wichtig, dass Frauen nicht nur Junior-Positionen besetzen. Sie müssen aufsteigen. Es braucht Frauen in Entscheidungspositionen.
Braucht es Quoten für die Diversität in VC-Unternehmen oder für die Finanzierung von Gründerinnen?
Ich bin kein Fan von Quoten, weil ich finde, dass sie die Leistung von Frauen schmälern können. Es ist unangenehm, das Gefühl zu haben, dass man eine Position oder gewisse Unterstützung nur aufgrund des Geschlechts erhalten hat. Ich sehe aber auch, dass Quoten zum Umdenken zwingen können und so für Bewegung sorgen. Ich könnte mir vorstellen, dass Quoten als kurzfristiges Mittel eingesetzt werden, um eine Veränderung in der ganzen Start-up-Welt anzustossen.
Zum Abschluss: Was geben Sie Gründerinnen mit auf den Weg?
Seid selbstbewusst, visionär und ambitioniert. Lasst euch nicht entmutigen von Absagen, auch Männer bekommen sie. Glaubt an euer Business und lasst euch nicht einschüchtern, wenn euch nur Männer gegenübersitzen. Es ist eine super Zeit, um als Frau zu gründen. Es gibt viele interessante Initiativen und Angebote. Nutzt sie! Ich wünsche mir, dass mehr Frauen in der Start-up-Welt aktiv werden – als Gründerinnen oder Investorinnen.
Aleksandra Laska (35) begann ihre Karriere in der Finanzindustrie als Traderin bei Goldman Sachs in London. In den vergangenen Jahren hat sie selbst ein Start-up im Fintech-Bereich gegründet, und war bei einem VC-Fonds in London. Seit zwei Jahren arbeitet sie beim Zürcher VC-Unternehmen Redalpine, wo sie seit 2021 eine Partnerin ist.