Die Welt der Start-ups ist eine einseitige und ungleiche – vor allem, wenn es um Geld geht. 2020 war ein hartes Jahr für viele Start-ups und ein besonders hartes für weibliche Jungfirmen. Investoren waren noch knausriger mit Frauen als sonst. Datenbanken wie Crunchbase verzeichneten 2020 generell 12 Prozent weniger Geld für die Gründerszene, aber Unternehmerinnen haben 22 Prozent weniger Geld erhalten. Frauen müssen sich mit einem winzigen Krümel des Kuchens begnügen – mit nur gerade 2,4 Prozent der Investorengelder.
Und die ganz grossen Finanzgeschichten schreiben die Frauen sowieso nicht mit. Kein einziger Mega-Deal über 50 Millionen ging im Corona-Jahr in Europa an ein Frauen-Team. Bevor sie Geld in weibliche Gründer stecken, investieren Venture-Kapitalisten lieber in Männer – ohne Angst vor Verlusten. Der Hype um männliche, junge, weisse Gründer hat zu vielfachen Fehlinvestitionen und übersteigerten Börsengängen geführt.
Keine Chance für Frauenideen
Oft mangelt es weiblichen Gründern an entsprechenden Netzwerken und Sichtbarkeit. Doch was passiert, wenn es eine Frau im Theater der männlichen Geldgeber auf die Bühne geschafft hat und «pitchen» darf? Hat sie dann faire Aussichten auf einen Deal? Fehlanzeige.
Das hat ein Experiment der Universität Harvard entlarvt. Identische Folien zu einem Geschäftsmodell wurden einmal von einer Frau und einmal von einem Mann vorgetragen. Wenn es der Mann präsentierte, wurde es vom Publikum als bedeutend besseres Investment bewertet. Eine Studie aus der gleichen renommierten Institution zeigte, dass Investoren männliche Gründer vor allem nach Chancen und Profiten, weibliche aber nach Risiken und Verlusten fragen. Und eine Auswertung der Dokumentenplattform Docsend zeigte soeben, dass männliche Investoren weibliche Gründerteams viel kritischer behandeln. Bei Frauen verbrachten sie 50 Prozent mehr Zeit damit, zurückzublättern, Fehler aufzuspüren und Modelle zu hinterfragen. Der Unterschied ist enorm.
Dieser Teufelskreis betrifft natürlich auch sämtliche anderen Zugänge zu Kapital. Wie Kredite. Auch bei den Banken vergeben immer noch vornehmlich Männer mit Vorliebe Kredite an Männer.
Gründerinnen erfolgreicher
Wenn Menschen nur in solche Menschen investieren, die aussehen wie sie, schliesst diese Wirtschaftswelt systematisch Menschen aus. Und das sind weltweit Frauen. Global dominieren Männer die Wirtschaft, sei es in den Chefetagen, im Welthandel oder den grossen Geldquellen wie Venture Fonds, die über Innovation und Fortschritt entscheiden. Nur gerade zwei bis drei Prozent der Wagniskapitalgeber sind Frauen. Ein solches Wirtschaftssystem schliesst damit viel Talent und geniale Ideen aus, die uns als Gesellschaft weiterbrächten.
Im Fachjargon nennt man dies übrigens «Fehlallokation der Mittel», sprich schlicht einen ökonomischen Unsinn. Zumal eine aktuelle BCG-Studie unterstreicht, dass Gründerinnen sogar erfolgreicher sind als Gründer. Aus jedem Dollar, den man in sie investiert, machen Frauen 78 Cent Umsatz, Männer lediglich 31 Cent.
Die Fakten sind da. Die Einsicht nicht. Immerhin hat die US-amerikanische Investmentbank Goldman Sachs erste Schritte unternommen: Sie investiert nicht mehr in Börsengänge reiner Männerfirmen.
Gender Investing Gap
Auch einige der raren weiblichen Geldgeber geben Gegensteuer mit Fonds, die nur in Frauen investieren. Die ehemalige deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries will aber viel weiter gehen und diesen Teufelskreis durchbrechen. Sie will eine Frauenquote – zumindest bei den öffentlichen Start-up-Fördergeldern. Staatsgeld soll schliesslich gleichermassen Frauen wie Männern zukommen. Die Schweiz ist davon noch weit entfernt. Wie so oft fehlen genauere Daten, um das Problem überhaupt zu messen und anzugehen.
Doch erst wenn die grossen Geldflüsse auch die Frauen erreichen, kommen ihre Ideen und Produkte auch der Gesellschaft zugute. Unternehmerischer Mut soll endlich auch mit fairen Bedingungen im Wettbewerb um Investoren-Gelder belohnt werden.