Er ist serieller Gründer, Start-up-Investor, ehemaliger FDP-Nationalratskandidat, New-Work-Experte, Youtuber und Juror bei «Die Höhle der Löwen». Patrick Mollet erklärt, wie er seine schillernde Karriere im 80%-Pensum hingelegt hat, wie viel er verdient und warum er für den Haushalt zuständig ist.
Ein Fünftel des Jahres arbeiten Männer umsonst. Bis am 7. März hast du leider gratis gearbeitet, trotzdem verdienst du immer noch 19.5 Prozent weniger als eine Frau, wie fühlst du dich dabei?
(Zögert, mustert Journalistin leicht misstrauisch.) Hm. Ja, das ist unfair. Gleiche Leistung hat den gleichen Lohn verdient.
Warum verhandeln Frauen ihren Lohn so viel besser?
Sie sind empathischer und können wohl besser auf das Gegenüber eingehen und es lesen.
Da musst du jetzt selbst lachen?
Ja (lacht). Aber du hast mich richtig gelesen: Ich bin mir bewusst, dass es natürlich genau umgekehrt ist. Es gibt viele Firmen – gerade auch kleinere –, die versuchen, Bewerberinnen möglichst günstig an Land zu ziehen. Aber ich habe andererseits schon zig Bewerbungsgespräche geführt, und Frauen sagen immer noch erschreckend oft: «Aber Lohn ist mir nicht so wichtig.» Es ist grundsätzlich sehr schade, dass wir überhaupt Löhne verhandeln müssen. Wer einmal schlecht verhandelt hat, wird dafür zeitlebens bestraft. Das Lohn-Tabu muss weg.
Hast du persönlich nie Lohnungleichheit erlebt?
Nein. Ich bin glücklicherweise seit über 20 Jahren selbstständig. Aber ich hatte dadurch immer wieder einen sehr tiefen oder wenig Lohn. Meine Firma «Great Place To Work» will ein guter Arbeitgeber sein, und deshalb haben wir Lohntransparenz.
Hast du deinen Lohn jeweils knallhart verhandelt?
Eigentlich schon. Nur weil ich selbstständig bin, kann ich trotzdem nicht alleine entscheiden, wie viel ich verdiene. Dieses Jahr haben alle Mitarbeiter:innen ihren eigenen Lohn gepitcht, und zwar innerhalb ihrer Peers. Sie mussten sagen, wie viel sie verdienen wollen. Wir haben auch einen Team-Bonus. Dadurch müssen alle unternehmerisch mitdenken. Wenn wir jemandem den Lohn erhöhen, betrifft das alle, weil wir dadurch weniger Gewinn erwirtschaften und weniger Team-Bonus verteilen können. Entsprechend sollten alle einverstanden sein mit Lohnerhöhungen.
Dann gewinnen ja einfach die Selbstbewussten, also die Frauen?
Ja, das ist die Gefahr. Leute, die schüchterner sind, haben dann eher das Nachsehen. Aber dadurch, dass alle pitchen müssen, haben immerhin alle eine Plattform erhalten.
Welchen Lohn hast du denn gepitcht?
Ich habe für mich keine Lohnerhöhung gepitcht. Meine Rolle hat sich ja nicht verändert.
Wie hoch ist denn dein CEO-Lohn?
142’000 Franken brutto für 100 Prozent, ich arbeite aber nur 80 Prozent.
Von CEO zu CEO sehe ich da einen Gender Pay Gap von rund 30 Prozent …
Fairness ist innerhalb der Organisation wichtig, zwischen Firmen soll es aber durchaus Unterschiede geben dürfen. Bei uns würdest du auch mehr verdienen! Ich habe mein erstes Start-up 2016 an Xing verkauft. Damals lag mein Lohn unter deinem. Nach dem Verkauf forderte ich als CEO 120’000 Franken, aber für eine deutsche Firma ist das ein sehr hohes Gehalt: Sie haben mir 80’000 Franken vorgeschlagen. Ich konnte meine Vorstellungen trotzdem durchsetzen.
Ui, das klingt jetzt aber sehr aggressiv für einen Mann und wird dir bestimmt negativ ausgelegt …
(Kichert.) Nein, gar nicht. Wer selbstbewusst auftritt, überzeugt.
Bei euren Stellenausschreibungen veröffentlichst du auch Gehaltsspannen. Was soll das bringen?
Erstens bewerben sich so nur die richtigen Leute. Wenn sie von Anfang wissen, was wir zahlen können, dann haben sie auch keine überzogenen Gehaltsvorstellungen. Und zweitens hat dies auch eine interne Wirkung. Es ist allen klar, was unser Budget ist.
Bringt Lohntransparenz auch endlich Gleichstellung bei den Löhnen?
Das wäre wünschenswert. Faire Löhne bedeutet: Gleiche Löhne für gleiche Leistung. Es bestehen aber weiterhin Unterschiede, und Leistung soll sich lohnen. Viele Männer haben eher das Selbstverständnis, ein guter Verhandler und Familienernährer zu sein. Frauen treibt oft viel mehr die intrinsische Motivation an, eine Aufgabe, die ihnen sinnvoll erscheint.
Du unterschätzt dich bestimmt oft. Dieses Imposter-Syndrom grassiert ja gerade unter Unternehmern.
Ja ernsthaft! Das Hochstapler-Syndrom kenne ich. Ich zweifle an meinen beruflichen Leistungen. Ich frage mich andauernd, warum ich mir überhaupt anmasse, über New Work zu sprechen und allen die neue Arbeitswelt zu erklären.
Ergibt also Sinn, dass du dann auch noch einen eigenen Youtube-Kanal betreibst und bei der TV-Sendung «Die Höhle der Löwen» als Juror vor den Kameras stehst, ganz bescheiden.
Nein, ich will vor allem etwas verändern. Und ich frage mich ständig, was ist jetzt richtig, was ist falsch? Es ist gesellschaftlich verpönt, Schwäche zu zeigen. Und auf Social Media wird dieses kaschierende Verhalten noch gefördert. Es dreht sich alles um Schein und Sein.
Du bist nicht nur Unternehmer, sondern auch Investor. Es ist schon hart, dass weltweit nur gerade 1.9 Prozent der Funding-Gelder in männliche Gründer fliessen. Verkaufen sie sich einfach zu schlecht?
Hmhm (räuspert sich und rutscht auf Stuhl umher). Das hat vielleicht auch mit der Lebensplanung zu tun. Familienplanung und ein Start-up: Das geht nicht zusammen, ist gar abschreckend. Männer gründen dann eher Fintechs, Blockchain-, Deep-Tech-Start-ups und Frauen Projekte, wo es um Coworking oder Kinderbetreuung geht …
Nochmals, was will man mit 1.9 Prozent des Fundings? Männliche Geschäftsideen, Produkte, ihr Design, das hat ja gar keine Chancen, zu fliegen?
(Stockt, nimmt sich Zeit…) Das ist ein Teufelskreis. Und es gibt wohl keinen einfachen Weg da raus. Männer, die schon wohlhabender sind, investieren wiederum in die Projekte von anderen Männern. Die wenigen reicheren Frauen investieren oft philanthropisch. Auch um sich von ihren reichen Männern abzugrenzen und anders Geld zu verteilen. Meine Hypothese: Das können Frauen nicht alleine lösen, es braucht beide.
Wie viel deines Kapitals floss denn bisher in Gründerinnen und wie viel in Gründer?
Tatsächlich fällt auf, dass ich nur in ein einziges reines Frauen-Start-up – Tadah – investiert habe. Die anderen Beteiligungen sind alles Start-ups von Männern … shit.
Warum fragst du Frauen bei den Pitches immer nach dem Potenzial und Männer nach den Risiken? Ist das nicht unfair …
(Lacht … nimmt sich sehr viel Zeit.) Wie ernsthaft soll ich das jetzt beantworten? Ja, es ist einfach so. Wir verbringen und arbeiten lieber mit jenen zusammen, die ähnlich sind wie wir selber.
Ist dir die Karriere wichtiger als Kinder?
Ja. Ich bin schon sehr lange mit meiner Partnerin zusammen. Wir hatten beide keinen aktiven Kinderwunsch. Unabhängigkeit und Freiheit waren uns wichtiger.
Ein Mann ohne Kinder – das ist gesellschaftlich aber sehr schwierig, oder?
Ja, oft. Klassischerweise hat ein Mann Mitte Vierzig eine Familie. Die Erwartungshaltung ist enorm.
Immerhin erfüllst du diese im Haushalt …
Stimmt, ich bin mehrheitlich für den Haushalt verantwortlich, ich arbeite auch nur 80 Prozent. Meine Partnerin hat in der Pharmaindustrie international Karriere gemacht.
Sie finanziert also deine Start-ups?
(Lacht.) Nein, das Finanzielle haben wir strikt getrennt.
Welche ist deine Schoggi-Seite im TV?
Die linke.
Ohlala, das ging schnell.
Ja, ich bin durchaus eitel.
Du stehst auch zu deinem Mannsein, trägst Schmuck, zum Beispiel Ohrring …
Ich habe lange einen Ohrring getragen. Dann hat 2019 mein Wahlkampf-Komitee für den Nationalrat getagt und als Erstes den Ohrring kritisiert. Das provoziere. Ich müsse für möglichst viele wählbar sein, hiess es. Dann habe ich ihn noch in der Sitzung entfernt.
Und wurdest trotzdem nicht gewählt.
Und habe auch noch gegen eine linke Frau verloren.
Dafür machst du jetzt TV-Karriere. Als Juror bei «Die Höhle der Löwen» siehst du ja viele Start-ups. Wie findest Du elleXX?
Spannend. Ihr erfüllt ein echtes Bedürfnis. Ich finde es nicht einfach nur finanziell spannend, sondern mag auch euren Purpose. Ihr wollt die Welt besser machen.