Noriware arbeitet daran, herkömmliche Plastikverpackungen durch kompostierbaren Algenplastik zu ersetzen. Bei einer Reise 2021 geboren und 2022 gegründet, hat das Start-up 2023 eine Million Schweizer Franken Funding gesammelt. Jessica Farda ist die 25-jährige CEO.
Jessica, was bringt eine Wirtschaftsstudentin dazu, sich mit Algen zu beschäftigen?
Während meiner Ferien in Mexiko 2021 hatte es sehr viele Algen im Meer. Da habe ich mich gefragt, welche Funktion Algen in unserem Ökosystem übernehmen. Bei Bäumen ist klar, dass sie CO2 binden. Algen hingegen sind sehr verschieden. Wenn sie Teil eines gesunden Ökosystems sind, produzieren sie Sauerstoff und binden Stickstoff.
Und da hast du sofort an ein Business gedacht?
Nein, aber ich bin ein völliger Algen-Nerd geworden (lacht). Ich habe angefangen, sämtliche Papers zu lesen. Irgendwann habe ich eins gefunden, das erforschte, wie sich aus Polysacchariden, also aus langkettige Zuckermolekülen der Algen, abbaubares Bio-Material herstellen lässt. Ich habe mir die Inhaltsstoffe nach Hause bestellt, eine Lösung aus Algenmasse auf dem Kochherd erhitzt, sie auf ein Backblech gegossen und es ins Zimmer gestellt, um sie trocknen zu lassen. Im morgendlichen Stress ist mir meine Jeans darauf gefallen. Die Algenmasse im Bachbleck war abends unbrauchbar, aber auf der Jeans hatte sich letztendlich ein Plastikfilm gebildet. Da wurde mir klar, dass die Algen das Zeug zum Verpackungsmaterial haben.
Wie lief das denn finanziell? Wie konntest du Geldgeber finden und von deiner Idee überzeugen?
Meine ersten Schritte liefen über die Universität. Ich habe Forscher:innen angeschrieben, um sie als Partner:innen für mein Vorhaben zu gewinnen. Durch Forschungsanträge, also Gelder, die man bei Forschungsfonds beantragt, konnten wir Forscher:innen im Labor bezahlen.
Und du, hast du in dieser Zeit auch etwas verdient?
Nein, ich selbst habe alles in dem Sinne «freiwillig» gemacht.
Wie konntest du dich denn finanzieren?
Ich hatte das Privileg, dass meine Eltern mich finanziell unterstützten. Eigentlich war ich in dieser Zeit auch noch Studentin, aber faktisch habe ich sehr schnell sehr viel Zeit ins Start-up gesteckt und das Studium auf die Seite geschoben. Deswegen lacht mich mein Team heute auch etwas aus, weil ich endlich meine Bachelor-Arbeit fertig schreiben muss (grinst).
Wie war das für dich, auf das Geld deiner Eltern angewiesen zu sein?
Zunächst musste ich meine Eltern auch von meiner Vision überzeugen und ihnen aufzeigen, dass ich vermutlich ein bis zwei Semester länger studieren würde aufgrund der Arbeitslast mit dem Start-up. Aber dass ich aufgrund dessen mit verhältnismässig wenig Geld auskommen musste, hat mich nicht gross gestört. Ich war dankbar dafür, dass meine Eltern meinen Unterhalt bis zur abgeschlossenen Finanzierungsrunde übernommen haben.
Kannst du heute von deinem Lohn leben?
Seit dem erfolgreichen Fundraising Ende Mai kann ich das. Aber ich bezahle mir logischerweise weniger als beispielsweise den ausgebildeten und erfahrenen Materialwissenschaftler:innen im Labor. Ich habe ja faktisch auch noch keinen Abschluss und abgesehen von meinem Studi-Job in einer Saftbar keine Arbeitserfahrung.
Wie viel verdienst du denn?
Im Moment bezahle ich mir 3500 Franken pro Monat.
Das ist noch nicht das grosse Geld.
Nein. Aber ich habe beispielsweise nicht das Bedürfnis, in teuren Restaurants zu essen. Ich koche lieber mit Freund:innen zu Hause und habe eine gute Zeit.
Wie würdest du denn dein Verhältnis zu Geld beschreiben?
Es kommt sehr darauf an, ob ich als CEO oder als Jessica denke. Für meine Firma möchte ich die bestmögliche Qualität, schaue jedoch immer auf das Preis-Leistungsverhältnis. Und auch, ob ich irgendwo anders dasselbe Produkt mit derselben Qualität günstiger kriege. Bei mir selbst bin ich eher zurückhaltend, viel Geld für Dinge auszugeben. Was ich mir selbst gönne, sind schöne Ferien und ab und zu ein teureres Kleidungsstück.
Du hast es vorhin ja schon angesprochen: Mittlerweile hast du für Noriware eine Million Franken gesammelt. Wie hast du das geschafft?
Mein Team sagt, dass es meine grosse Stärke ist, die Vision von Noriware aufzuzeigen und Menschen dafür zu begeistern. Letztendlich war mein Co-Founder, Stefan Grieder, der mit mir die operativen Prozesse aufzog und in der Produkt- und Prozessentwicklung vor allem stark agierte, eine bedeutende Unterstützung.
Wie war das denn für dich, plötzlich über so viel Geld zu entscheiden?
Im Prinzip ist das Geld ja budgetiert. Das heisst, wir haben schon vor der Runde «entschieden», wie wir das Geld ausgeben werden. Daher fühlt es sich nicht sonderlich anders an. Was mich allerdings überaus glücklich macht, sind die Löhne, welche wir für neue Teammitglieder ausgeben, und dass wir so intern wachsen und unsere Kultur und Produkte weiterentwickeln können.
Wie ist das eigentlich für dich in einer Start-up-Welt: Wurdest du aufgrund deines Geschlechts und deines Alters anders behandelt?
Schwierig zu sagen. Von meinen jetzigen Investoren und Partnern werde ich bestimmt nicht anders behandelt. Am Anfang gab es im Hintergrund vermutlich schon die eine oder andere Vorverurteilung, aber nichts, was ich wirklich im Vordergrund gespürt habe. Man kann den Einfluss von Alter und Geschlecht sicherlich nicht leugnen. Es gab aber auch wirklich vieles, das ich nicht wusste und das man auch gemerkt hat, was man wiederum auf die Vorurteile hätte schieben können.
Was hättest du denn gerne gewusst?
Als es darum ging, Investor:innen zu finden, hatte ich keine praktische Erfahrung zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Begriffen, die in den Verhandlungen auftauchten. Ich musste mich richtig einlesen, worüber ich verhandle, und war teilweise auch sehr unsicher. Heute würde ich selbstbewusster verhandeln.
Woher nimmst du …?
… den Mut? Das werde ich oft gefragt. Ich habe einfach von Anfang an an die Idee geglaubt. Während der Raising-Runde bin ich allerdings schon jeden Tag joggen gegangen, um den Druck und Stress abzubauen und habe vor meinem inneren Auge visualisiert, dass alles (hoffentlich) klappt (lacht).