Nur 20 Prozent der Start-ups in der Schweiz werden von Frauen geleitet (17,7 Prozent sind es in Deutschland), und nur 3 Prozent der Business Angels sind weiblich (12,9 Prozent in Deutschland). Business Angels nennt man übrigens Personen, die junge Unternehmen mit Eigenkapital, Management-Erfahrung und Business-Kontakten unterstützen. Eine Studie der Boston Consulting Group (BCG) aus dem Jahr 2018 untersuchte die Erfahrungen von 350 Start-ups und stellte fest, dass Frauen viel weniger Geld erhielten als Männer: Durchschnittlich gingen 935’000 Dollar an Frauen, verglichen mit 2,12 Millionen Dollar für rein männliche Führungsteams. Allerdings erwirtschafteten die von Frauen geführten Start-ups für jeden Dollar, der ihnen zur Verfügung gestellt wurde, 78 Cent Umsatz. Bei den Männern waren es nur 31 Cent.
Mit anderen Worten: Von Frauen geführte Unternehmen erzielen doppelt so hohe Einnahmen und sind dadurch lukrativere Investitionsmöglichkeiten. Hätten Investoren stattdessen in Frauen investiert, hätten sie dazu beigetragen, zusätzliche 85 Millionen Dollar zu generieren.
Warum haben sie es also nicht getan?
Die Hauptgründe sind geschlechtsspezifische Vorurteile und die klischeehafte Skepsis gegenüber weiblichen Leistungen. Eine Studie über das New Yorker Start-up-Ökosystem hat ergeben, dass Männer und Frauen, die ein Start-up gründen, unterschiedliche Arten von Fragen gestellt werden. Und dass ein und dasselbe Pitchdeck mehr Geld einbringt, wenn männliche Gründer dahinterstehen.
Die Unterrepräsentation und fehlende Finanzierung von Frauen in der Start-up-Szene ist nicht nur ein gesellschaftliches und systemisches Problem für die Gleichstellung der Geschlechter. Es ist auch eine grosse verpasste Chance für Investor:innen und die Wirtschaft. Bei vielen weiblichen Start-ups stehen Nachhaltigkeit und Wirkung im Mittelpunkt, und wir müssen Bedingungen schaffen, unter denen diese Start-ups gedeihen können.
Was können wir tun?
Vor zwei Jahren habe ich mit meinem Unternehmen YESS Impact und einem lokalen Partner begonnen, mit Frauen im ländlichen Uganda zu arbeiten. In einem Gebiet, in dem Arbeitslosigkeit und Armut ein massives Problem darstellen, wollten die Frauen Unternehmerinnen werden und ihren Familien ein zusätzliches Einkommen verschaffen. Sie hatten jedoch Schwierigkeiten, weil sie keinen Zugang zu Finanzmitteln hatten, um ihre Ideen umzusetzen. Ausserdem verfügten sie nur über begrenztes Wissen in Sachen Business und Finanzen und hatten kein unterstützendes Netzwerk.
Um die Frauen auf ihrem Weg zum Unternehmertum zu unterstützen, haben wir sie zunächst in Finanzwissen und Unternehmensgründung geschult. In einem zweiten Schritt bildeten die Frauen Gruppen, in denen sie sich wöchentlich trafen, um gemeinsam Geld zu sparen und ihre Pläne und Herausforderungen zu besprechen. Wenn eine Frau Geld für den Start ihres Unternehmens benötigte, konnte sie ein Darlehen aus dem Gruppenfonds beziehen. Wenn fortgeschrittene Kenntnisse erforderlich waren, um einen Schritt weiter zu kommen, wurden weitere Schulungen vor Ort angeboten. Neben dem Projekt wurden viele andere Initiativen entwickelt, die den Frauen und ihren Gemeinden direkt zugutekamen. Wir sorgten auch dafür, dass das Projekt an Sichtbarkeit gewann, indem wir es in den sozialen Medien und auf Konferenzen präsentierten, um andere zu inspirieren.
Es gibt vier Lehren aus dieser Erfahrung, die ich mit euch teilen möchte:
1. Schaffe deine persönlichen «YES-Kreise»
Egal, ob du Gründerin, Investorin oder eine andere Fachkraft bist, ob du in Uganda oder in der Schweiz lebst: Baue eine Gemeinschaft um dich herum auf, die dich beruflich und emotional stärkt. Dein Empowerment- und Unterstützungskreis – oder «YES-Kreis», wie ich ihn in meinem jüngsten TEDx-Vortrag genannt habe – besteht aus deinen Freund:innen, deiner Familie, deinem Partner oder deiner Partnerin und deinen Geschäftspartner:innen.
Auf meiner eigenen Reise als Gründerin war die Stärkung meines persönlichen YES-Kreises entscheidend, um meinen Zielen näher zu kommen. Als Kind hörte ich oft das Klischee, dass Frauen miteinander konkurrieren. Aber ich erlebte schnell das genaue Gegenteil: Die meisten Frauen, denen ich begegnet bin, waren hilfsbereit und unterstützten sich gegenseitig bei der Verfolgung ihrer Träume. Das hat mir geholfen, mich Frauennetzwerken wie Female Founders Switzerland oder der FinAcademy anzuschliessen, die mir tolle Möglichkeiten boten und es mir auch ermöglichten, selbst andere Unternehmerinnen zu unterstützen.
Um deinen YES-Kreis aufzubauen, ist es wichtig, dich zu fragen, welche beruflichen Träume und welche Art von Leben du dir für dich vorstellst. Sobald du das herausgefunden hast, lautet die nächste Frage: «Welche Art von Unterstützung brauche ich, um dies zu erreichen, und wo kann ich sie finden?» Geh auf Menschen zu, schliesse dich Netzwerken an und baue eine starke, unterstützende Gemeinschaft um dich herum auf.
Ein aktiver Teil deines YES-Kreises besteht auch darin, dich immer wieder zu fragen: «Wie kann ich die Menschen in meiner Gemeinschaft am besten unterstützen?» Kürzlich habe ich mich mit einigen absoluten Draufgängerinnen aus den Bereichen Technologie, Nachhaltigkeit und Risikokapital auf einem Berliner Dach getroffen, um die Frage «Was steht auf deiner Bucket List?» zu diskutieren. Während jede von uns ihre Träume erzählte, hatten wir plötzlich eine ganze Ideenschmiede kluger Frauen, die gemeinsam Tipps und Verbindungen suchten, um sich gegenseitig beim Erreichen ihrer Ziele zu helfen. Ich verliess diese Dachterrasse mit einem breiten Lächeln im Gesicht und einer Menge Inspiration! Und die gute Nachricht ist, dass man auch hier in der Schweiz viele tolle Frauen-Communities für Empowerment finden kann, zum Beispiel:
- Female Founders: Die Initiative will Frauen inspirieren, informieren und unterstützen, Gründerinnen und Unternehmerinnen zu werden, indem sie Vorbilder vorstellt und eine Karte der Gründerinnen in der Schweiz bietet.
- Makou: Unterhaltsame Veranstaltungen für Gründerinnen, die von Workshops und Bootsfahrten über Austernbrunches bis hin zu Picknicks reichen.
2. Geschäfts- und Finanzwissen entwickeln
Ähnlich wie bei unseren Unternehmerinnen in Uganda ist es für die erfolgreiche Führung, das Wachstum eines Unternehmens und die Weiterentwicklung der Gründerinnengemeinschaft wichtig, regelmässig neue Fähigkeiten zu erlernen und die eigenen Kompetenzen auf ein neues Niveau zu bringen. Dazu gehören finanzielle Kenntnisse (zum Beispiel durch elleXX), betriebswirtschaftliches Wissen, Marketing und so weiter. Das Angebot an tollen Programmen speziell für Gründerinnen ist noch begrenzt, wächst aber stetig. Unter den Programmen für Frauen empfehle ich:
- Grace – Accelerate Female Entrepreneurship Programm für Gründerinnen mit einem sehr starken Netzwerk von weiblichen Business-Mentoren dahinter. Es kann der Entwicklung einen grossen Schub geben und bietet eine wertvolle Unterstützungsgemeinschaft.
- FeMentor ist eine grossartige Gemeinschaft für umgekehrtes Mentoring, in der jüngere weibliche Mentees mit fortgeschrittenen Fachleuten zum gegenseitigen Wissensaustausch und zum Erlernen neuer Fähigkeiten zusammengebracht werden.
3. Erleichterung des Zugangs von Frauen zu Finanzmitteln
In der Schweiz haben die meisten Gründerinnen ihre Unternehmen durch enormen Einsatz und ohne externe Finanzierung aufgebaut. Um zu expandieren und ein signifikantes Wachstum als Start-up zu erreichen, ist Kapital, das in Form von Risikokapital oder Angel-Investitionen zur Verfügung stehen kann, jedoch eine entscheidende Ressource. Derzeit geht nur ein kleiner Prozentsatz der Risikokapitalfinanzierung und der Angel-Investitionen an Frauen.
Die Zahl der weiblichen Business Angels in der Schweiz ist im Vergleich zu den männlichen Angels immer noch sehr gering, ebenso wie die Zahl der Fonds, die explizit in Frauen investieren. Erfreulicherweise gibt es aber einige positive Entwicklungen: Gender Lens Investing (GLI), das darauf abzielt, die Kluft zwischen den Geschlechtern zu schliessen, ist auf dem Vormarsch. Im Jahr 2021 wurde der Auxxo Female Catalyst Fund von zwei der bekanntesten deutschen Angel-Investor:innen, Gesa Miczaika und Bettine Schmitz, ins Leben gerufen. Der Fonds investiert ausschliesslich in Start-ups, die von Frauen oder gemischten Teams geleitet werden. Und es gibt starke Beispiele für Risikokapitalfirmen, die von weiblichen Business Angels gegründet wurden, wie Verena Pausders Risikokapitalfirma «Pausder Ventures» und «CK Venture Capital» der Schwestern Conny Hörl und Katja Ruhnke in München.
Viele Frauen wissen jedoch immer noch nicht, was es bedeutet, ein Business Angel zu sein und wie sie selbst einer werden können. So ist es zum Beispiel möglich, bereits mit 5000 bis 25'000 Franken direkt in einige Start-ups zu investieren. Es gibt auch die Möglichkeit, Crowdfunding-Plattformen wie capacura, inventure (beide ab 1000 Euro) oder Gateway Ventures (ab 10'000 Euro) zu nutzen. Als Business Angel können Sie das Start-up während seines Wachstums beraten – ein Aspekt, den viele Frauen schätzen.
Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie du selbst ein Business Angel werden kannst, empfehle ich dir die FinAcademy, wo ich mehr darüber gelernt habe, wie man ein Angel-Investor wird, Deals findet und sie analysiert. Unter den Fittichen der Akademie haben wir die Initiative FIN Angel Investors Switzerland gestartet, um die Zahl der weiblichen Business Angels im Land zu erhöhen (die nächste Veranstaltung findet am 26. Oktober in Zürich statt).
4. Bewusstsein und Sichtbarkeit von Unternehmerinnen und Unternehmern erhöhen
Starke und sichtbare Vorbilder können einen immensen Effekt haben, um mehr Frauen zu ermutigen, Gründerinnen zu werden und ihre Unternehmen zu vergrössern. Als Teenager waren die einzigen berühmten Frauen, die wir kannten und denen wir nacheifern wollten, Schauspielerinnen, Sängerinnen und Models – weit weg und unerreichbar. Heutzutage haben sich die Vorbilder geändert und neue Persönlichkeiten wie die Start-up- und Investment-Influencerinnen Lea-Sophie Cramer, Verena Pausder und Diana von Löwen teilen ihren Werdegang. Heute treffe ich regelmässig inspirierende Frauen, von Gründerinnen bis hin zu leidenschaftlichen Investorinnen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Frauen, von denen ich mir wünschte, ich hätte sie als 12-Jährige schon gekannt.
Wie können wir dafür sorgen, dass diese Frauen und ihre Wege sichtbar werden?
Wenn du selbst Gründerin, Investorin oder Fachfrau bist, nutze deine Plattform: Sprich über die Themen, die dich bewegen. In den sozialen Medien, auf Veranstaltungen oder schreib darüber – jede von uns hat wertvolle Erkenntnisse zu teilen. Trau dich, über deine Misserfolge zu sprechen, aber auch deine Erfolge zu feiern. Halte Ausschau nach Gelegenheiten für deine Kolleginnen – schlag sie vor, wenn du zu einem Vortrag oder einem Interview eingeladen wirst oder wenn einer deiner Kontakte eine neue Zusammenarbeit sucht. Inspirierende Unternehmerinnen können die Influencerinnen von morgen sein und so zu neuen Vorbildern für junge Mädchen werden. Wir können auch das Bewusstsein schärfen, indem wir das Thema Unternehmertum in Schulen und Universitäten einführen und erfolgreiche Unternehmerinnen einladen, von ihrem Werdegang zu berichten.
Indem wir eine starke, unterstützende Gemeinschaft um uns herum schaffen, unternehmerische und andere Fähigkeiten verbessern, Investitionen leichter zugänglich machen und Gründerinnen und Investorinnen als starke Vorbilder sichtbarer machen, können wir ein starkes Ökosystem für Gründerinnen schaffen. Je stärker unser Netzwerk und je besser die Bedingungen, desto mehr können wir mit unseren Unternehmen vorankommen und zu positiven Veränderungen in der Gesellschaft beitragen. Werde Teil der Bewegung und beginne mit dem Aufbau Ihres Ökosystems – es wird ein Gewinn für uns alle sein.