Persönlichkeit
KnauserigGrosszügig
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Hintergrund
Alter:37
Beruf:CEO & Founder von rebELLE Beauty
Einkommen:Ein Drittel vom vorherigen Lohn in Grossunternehmen
Schulden:noch nie gehabt
Vermögen:Sparkonto, grosser Teil Erbe

Warum fällt es uns so schwer, offen über Geld zu sprechen?

Ich glaube, das ist auch kulturell bedingt. Wir sind sehr zurückhaltend bei gewissen Themen, und es gibt immer noch viele Tabus. Ich habe viele Freund:innen ausserhalb der Schweiz, mit denen ich viel offener spreche, gerade über Geld.

Und mit deinen Schweizer Freund:innen sprichst du nicht über Geld?

Nicht wirklich. Weil es mich ehrlich gesagt gar nicht so interessiert. Viele waren wiederum erstaunt, als ich erzählte, dass ich mir einen Lohn auszahlen und davon leben kann. Das sind Vorurteile gegenüber Start-ups: Dass man sich am Anfang gar nichts auszahlen kann. Aber das ist nicht so, zumindest bei mir nicht. Und ich merke: Dass wir so wenig über Geld und Löhne sprechen, hat auch mit Druck von oben zu tun.

Das musst du erklären.

Als ich noch in der Unternehmenswelt gearbeitet habe, war es ganz klar: Über den Lohn spricht man nicht. Diese Haltung kam auch von der Geschäftsleitung und von unseren Vorgesetzten.

Und hast du dich daran gehalten?

Bei meinem ersten Job habe ich mich gar nicht erst getraut, meinen Lohn zu verhandeln. Das ist aber über zehn Jahre her, damals hat man das noch gar nicht so gemacht – im Nachhinein bereue ich allerdings, dass ich nicht verhandelt habe. Aber damals wurde uns ganz klar gesagt: Vergleicht euren Lohn nicht, sprecht nicht darüber miteinander.

Fabienne Bolliger
Dass wir so wenig über Geld und Löhne sprechen, hat auch mit Druck von oben zu tun.

Wow.

Ja, oder? Über die folgenden Jahre wurden die Themen Lohn und Lohnverhandlung aber gesellschaftsfähiger. Und das hat bei mir auch etwas verändert. Ich fing an, mehr über Geld zu sprechen und andere zu fragen, wie viel sie verdienen. So habe ich zum Beispiel herausgefunden, dass mein ehemaliger Chef, dessen Position ich später übernommen habe, dreissig Prozent mehr verdient hat als ich. Obwohl ich die bessere Ausbildung habe. Er hatte zwar zwei Jahre mehr Erfahrung als ich, aber der Unterschied betrug dreissig Prozent! Und ich dachte, ich hätte einen guten Lohn. Da wurde mir zum ersten mal bewusst: Hey, hier läuft doch etwas falsch. Dann fing ich an, mit meinen Kolleg:innen ganz konkret über unsere Löhne zu sprechen. Und siehe da: Jeder Mann im Unternehmen verdiente mindestens zehn Prozent mehr als die Frauen mit gleichen Ausbildungen.

Krass. Und was hast du dann gemacht, hast du mehr Lohn gefordert?

Ich habe das kurz vor meinem Jahresgespräch herausgefunden, das war noch praktisch. In meinem Gespräch mit dem HR habe ich es angesprochen und mehr Lohn gefordert. Und sie haben es zuerst abgestritten! Das liess ich aber natürlich nicht durchgehen und sagte dann, dass ich aufs Komma genau wisse, wie viel mein Kollege verdiene, weil er es mir gesagt habe. Mir wurde dann zwar eine Lohnerhöhung angeboten, aber die war minim und weit weg von dem, was mein Kollege verdiente. Da habe ich gesagt: Das mache ich nicht mit. Zwei Jahre mehr Erfahrung, damit kannst du mir einen Lohnunterschied von dreissig Prozent nicht verkaufen. Daraufhin habe ich gekündigt.

Hast du bei deiner neuen Stelle deinen Lohn denn verhandelt?

Ja. Ich habe ihn von Anfang an höher angesetzt, und das hat super funktioniert. Ich glaube, das muss man einfach üben. Und man muss sich getrauen! Es wird einem ja nirgends wirklich beigebracht. Vielleicht hat man einen Mentor oder eine Mentorin, die einen ein bisschen auf die Unternehmenswelt vorbereitet. Aber niemand sagt: Frauen, geht hin und verhandelt! Dabei wäre das so wichtig.

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Wie hast du dich auf die Lohnverhandlung vorbereitet?

Ich habe mich mit einem Onlinerechner informiert, wo die Löhne in meiner Branche, mit meiner Ausbildung und in meiner Region so angesiedelt sind. Und ich habe mich mit Leuten ausgetauscht, die in einer ähnlichen Position arbeiteten. Die meisten waren offen und haben es mir gesagt. Das hat mir sehr geholfen. Spannend war aber: Auch hier gab es Unterschiede zwischen Frauen und Männern.

Inwiefern?

Männer waren viel offener und genauer bei den Angaben zu ihrem Lohn. Frauen sagten zum Beispiel oft: Ja, mein Lohn ist etwas über 100’000 im Jahr. Das bringt mir nicht so viel.

Das finde ich spannend. Ich kenne das selber auch so. Männer scheinen einen eher rationalen Zugang zu Geld zu haben.

Ganz genau. Deshalb sprechen sie auch offener darüber, auch untereinander. Als ich vorher sagte, es interessiert mich nicht, wie viel meine Freund:innen verdienen, kommt das auch ein bisschen zum Zug. Männer definieren sich eher über Geld. Wohl auch deshalb, weil ihnen beigebracht wird, dass sie später einmal eine Familie ernähren müssen. Das führt schon dazu, dass man anders kalkuliert. Frauen sprechen weniger über Geld, sie haben es einfach. Aber es spielt in ihrem Leben eine andere Rolle. Das verändert sich aber auch langsam.

Im Vergleich mit den Generationen unserer Mütter und Grossmütter meinst du?

Definitiv. Früher war es ja noch eher so, dass sich eine Frau finanziell von ihrem Mann absichern liess. Das war auch nötig, weil Frauen lange gar keinen direkten Zugang zum Arbeitsmarkt hatten oder diese Welt einfach nicht auf uns ausgelegt war. Das ist heute zwar noch immer nicht viel besser, aber es ändert sich auf jeden Fall langsam etwas. Das merke ich auch bei mir: Mein Freund ist Banker und hat natürlich einen viel besseren Lohn als ich, aber ich würde mich nie finanziell von ihm absichern lassen.

Fabienne Bolliger
Männer definieren sich eher über Geld. Wohl auch deshalb, weil ihnen beigebracht wird, dass sie später einmal eine Familie ernähren müssen.

Was macht es mit einer Beziehung, wenn der Mann viel mehr verdient als die Frau?

Für uns war von Anfang an klar, dass wir unsere Finanzen getrennt halten. Und ich finde das super so. Gerade weil wir einen sehr grossen Lohnunterschied haben. Für mich ist es wichtig, dass ich mein Leben und mein Unternehmen selbst finanziere. Mein Freund hat mich schon zweimal gefragt, ob er bei mir investieren darf – und ich habe abgelehnt.

Warum?

Ich will das getrennt halten. Klar, wenn ich nicht überleben könnte, dann wäre es ein anderes Thema. Und er würde ja investieren wollen, weil er unterm Strich finanziell auch etwas davon hat. Aber ich möchte Geschäftliches und Privates getrennt halten.

Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass du eine eigene Firma gründest?

Nach meinem Studium an der HSG habe ich bei L’Oréal gearbeitet, später bei Red Bull und Globus. Ich habe aber relativ schnell gemerkt, dass hier Machtstrukturen spielen, die ich nicht so toll finde. Und dass die Welt der Grossunternehmen sehr männerdominiert und von Männern für Männer gemacht ist. Man macht als Frau vielleicht so 20, 30 Jahre Karriere, damit man irgendwann nach oben kommt. Und dann ist trotzdem immer noch ein Mann vor dir, und das wird auch so bleiben. Ich habe mich in diesem Hamsterrad einfach nicht wohlgefühlt. Dann habe ich ein halbes Jahr in einem Start-up gearbeitet und dort viel Verbesserungspotenzial gesehen. Also dachte ich, ich mache es einfach selber.

Einfach so?

Ich habe gemerkt, dass ich viel besser funktioniere, wenn ich selber agieren und entscheiden kann. Wenn mir niemand von oben sagt, was ich zu tun habe. Die Erfahrungen, die ich gesammelt habe, waren aber dennoch sehr wertvoll: Ich kann einen Businessplan erstellen und weiss, worauf es beim Budgetieren ankommt. Ins Blaue hinaus hätte ich diese Idee nicht verwirklicht.

Fabienne Bolliger
Man macht als Frau vielleicht so 20, 30 Jahre Karriere, damit man irgendwann nach oben kommt. Und dann ist trotzdem immer noch ein Mann vor dir, und das wird auch so bleiben.

Was reizt dich an der Beautybranche?

Mich hat immer genervt, dass man bei grossen Unternehmen den Kund:innen falsche Dinge verspricht. Und dass es nur wenige wirklich gute Produkte gibt. Es geht vor allem um den Profit. Und ich will das ändern. Die Idee zu meiner Unternehmung kam kurz vor der Pandemie. Ich mache momentan noch grösstenteils alles alleine, ich verpacke jedes Päckli selber. Aber das ist halt das Unternehmertum!

Was rätst du Frauen, die ein eigenes Unternehmen gründen wollen?

Getraut euch! Das ist wirklich mein wichtigster Rat. Wenn die finanziellen Möglichkeiten gegeben sind, getraut euch. Ja, wir haben hohe Lebenshaltungskosten in der Schweiz. Aber man kommt durch, wenn man ein gutes Budget macht und sich wirklich daran hält. Du musst nicht 15’000 Franken im Monat verdienen, um ein gutes Leben zu führen.

15’000 Franken sind ja für viele Leute schon sehr viel Geld. Wie viel kostet es eigentlich, ein Start-up zu gründen? Ich arbeite zwar bei einem, aber das weiss ich nicht.

(Lacht.) Ich habe eine AG gegründet, und dafür brauchst du in der Schweiz 100’000 Franken. Etwas an Startkapital braucht es aber natürlich auch. Ich habe von meinem Ersparten weitere 50’000 Franken investiert; im Wissen, dass ich aufstocken könnte, wenn es nötig ist. Mehr wäre auch möglich gewesen, aber ich habe bewusst noch nicht mehr investiert. Je mehr Cash vorhanden ist, desto mehr Geld gibt man aus – oft auch unnötig. Ich habe lieber weniger Kapital und muss dafür gut haushalten können. Alles, was die Unternehmung momentan an Umsatz generiert, wird wieder reinvestiert. Ich möchte, dass wir organisch wachsen. Und das funktioniert auch gut, bei uns kam schnell Gewinn rein. Darauf müssen andere Start-ups ein paar Jahre warten.