Tania Woodhatch ist Gründerin und Geschäftsführerin von «WÜRZMEISTER». Das Sozialunternehmen stellt Bio-Gewürze ohne Zusatzstoffe her. Im Money Talk erzählt sie, weshalb sie das Wohl ihrer Mitarbeitenden über finanziellen Gewinn stellt.
Tania, du hast mit «WÜRZMEISTER» ein Sozialunternehmen gegründet. Was ist bei dir anders als in anderen Unternehmen?
Bei uns arbeiten Menschen, die aus verschiedensten Gründen – Depressionen, Klinikaufenthalte, Suchtthematiken, chronische Krankheiten und Schmerzen – weder in den ersten noch den zweiten (geschützten) Arbeitsmarkt zurückkehren können. Sie und ihr Wohlbefinden stehen im Mittelpunkt.
Was heisst das?
Bei uns muss man keine Auflagen erfüllen, also eine bestimmte Anzahl Stunden arbeiten oder eine IV-Rente beziehen, damit wir jemanden aufnehmen. Das bedeutet natürlich, dass wir auf grössere Subventionen verzichten müssen, weil wir uns nicht an die Vorgaben dafür halten. Dafür können wir sehr flexibel und individuell auf Menschen eingehen.
Warum nimmst du das in Kauf?
Der Prozess, bis jemand eine IV-Rente bewilligt bekommt, dauert oft lange, manchmal Jahre. Währenddessen sitzen viele zu Hause, haben Schmerzen und keine Tagesstruktur. Das verbessert die Situation dieser Menschen leider kaum, im Gegenteil. Bei uns finden Menschen Gemeinschaft und Halt. Beispielsweise kocht jemand täglich ein gesundes Mittagessen, das allen kostenlos offen steht. Ausserdem tut die sensorische Arbeit mit Gewürzen vielen gut.
Aber wie geht das finanziell auf? Du hast ja acht Angestellte in deinem Team und ein Geschäftslokal.
Zu 80 bis 90 Prozent finanzieren wir uns durch den Verkauf der Gewürze oder durch Events, die wir durchführen. Für den Rest sind wir auf Spenden angewiesen. Dafür habe ich einen Verein gegründet. Allerdings planen wir, unser Fundraising auszubauen, damit noch mehr Privatpersonen und Stiftungen einen Teil mitfinanzieren können.
Was hat dich motiviert, eine Gewürzfirma zu gründen, die sich finanziell nicht selbst trägt?
Am Anfang war «WÜRZMEISTER» ein Hobby neben meinem Vollzeitjob. Nach vier Jahren ist dieses Hobby so gross geworden, dass ich mich 2016 entscheiden musste: Will ich all die Energie und Liebe, die ich hineingesteckt habe, aufgeben, oder will ich kündigen und dieses Hobby zu meinem Beruf machen?
Aber einen Lohn konntest du dir damals nicht zahlen, oder?
Nein. Deswegen habe ich mit meinen Eltern gesprochen, und sie haben mich eine Zeit lang mitgetragen. Später hat jemand aus meinem privaten Umfeld angefangen, mich regelmässig zu unterstützen.
Und heute?
Heute bezahle ich mir monatlich 3000 Franken brutto.
Wie zufrieden bist du damit?
Ich schätze die Gestaltungsfreiheit und die vielfältigen Arbeiten, die ich habe. Das würde ich nicht hergeben wollen. Deshalb habe ich mich in einer WG eingerichtet und färbe meine Haare selbst. Klar würde ich gerne alleine wohnen, aber ich würde sagen, ich habe in meinem Rahmen einen gewissen Luxus, der mich zufriedenstellt.
Inwiefern?
Meine Mutter hat ein Haus in Thailand. Da kann ich jeweils sehr günstig ein paar Wochen Ferien machen, mich massieren lassen und mich erholen.
Hast du manchmal schlaflose Nächte wegen Geld?
Erspartes habe ich natürlich nicht, und es gab Momente, in denen ich nichts mehr auf dem Konto hatte. Aber dann habe ich im Schrank immer noch Müesli und Haferdrink gefunden, ich musste also nicht leiden. Deswegen: Schlaflose Nächte habe ich erstaunlicherweise nicht, auch nicht wegen der Firma.
Wäre es denn das Ziel, dass «WÜRZMEISTER» sich finanziell komplett selbständig trägt?
Dass wir uns finanziell selbst tragen, werden wir vermutlich nicht schaffen. Wir haben jetzt schon eine Warteliste von Menschen, die gerne kommen möchten. Nur können wir nicht mehr Menschen aufnehmen, obwohl wir gerne würden. Es ist unser Konzept, dass wir keinen Druck schaffen. Ich möchte, dass Menschen frei sind und sich nicht beweisen müssen. Aber wenn man viel Raum gibt, ist es schwierig, betriebswirtschaftlich zu funktionieren.
Musstest du dich je rechtfertigen dafür?
Als ich vor einigen Jahren verschiedene Kurse gemacht habe zu Start-ups und Businessplänen, mussten wir uns und unser Unternehmen vorstellen. Da ist jemand voll reingegrätscht und hat gesagt, das macht doch überhaupt keinen Sinn, das sei ja nicht einmal eine Social Enterprise. Das hat mich schon etwas getroffen. Für mich misst sich Erfolg nicht in Zahlen und reiner Skalierbarkeit.
Woran misst du denn Erfolg?
Am Wohlbefinden der Menschen. Am Anfang habe ich drei Personen betreut. Inzwischen kommen 36 Menschen zu uns. In all den Jahren durfte ich etwa 100 Leute begleiten. Für mich ist es ein Erfolg, wenn Menschen sagen, dass sie keine Suizidgedanken mehr haben. Wenn sie sich psychisch stabilisieren und man das auch an ihrem Gesichtsausdruck sieht. Das kann man nicht in Worte fassen, und es ist einfach viel mehr wert als alles Geld auf dieser Welt.