Franzisca Gartenmann, Mitgründerin von KEEN Wellbeing, setzt auf wissenschaftlich erforschte Methoden wie Atemtechniken, Eisbaden und Infrarotsauna, um die Gesundheit ihrer Kund:innen zu fördern. Im Money Talk gewährt Franzisca Einblicke in die finanziellen Risiken als Gründerin und erzählt, wie sie in ihrem Freund:innenkreis mit ihrer aktuellen finanziellen Situation umgeht.
Welche Gefühle löst Geld bei dir aus?
Geld ist primär ein Transaktionsmittel – es kommt und geht. Dann ist Geld aber auch eine Projektionsfläche für emotionale Bedürfnisse: Sicherheit, Freiheit, Status, etc. In der eigenen Reflexion finde ich es wichtig, genau hinzuschauen, um zu erkennen, was davon in jenem Moment gerade berührt wird.
Du hast vor rund einem halben Jahr ein Start-up gegründet. Wie fühlst du dich damit?
Inzwischen sehr gut. Aber am Anfang der Gründung war es nicht einfach: Ich hatte einige schlaflose Nächte und insbesondere vermehrt Existenzängste. Ich habe heute den Grossteil meines Vermögens in mein Unternehmen, KEEN Wellbeing, investiert.
Wie viel hast du in das Unternehmen gesteckt?
Bei KEEN sind wir aktuell 100 Prozent gebootstrappt. Das heisst, mein Co-Gründer und ich haben den bisherigen Aufbau komplett selbst finanziert, ohne Fremdkapital. Wir haben eine AG teilliberiert gegründet und jeweils 25'000 Franken investiert. Die schlaflosen Nächte kamen aber nicht nur von der Angst, meine Rechnungen nicht zahlen zu können. Es ging auch um die soziale Komponente, die eine Gründung mit sich bringt.
Kannst du das etwas genauer erklären?
Mir war Unabhängigkeit immer wichtig. Die Vorstellung, finanziell von jemandem abhängig zu sein und Dinge annehmen zu müssen, empfand ich immer als Herausforderung. Mit meiner Entscheidung, zu gründen, ist dieses Szenario nun eingetreten. Der Start war für mich deshalb herausfordernd, obwohl ich immer wusste: Wenn ich falle, dann falle ich weich. Mein Umfeld unterstützt mich sehr.
Das Unternehmen, das du mitgegründet hast, heisst KEEN Wellbeing. Wie sieht euer Konzept aus?
Ich habe mich im Rahmen einer Ausbildung mit dem Thema Traumabewältigung befasst. Als ich David – meinen Mit-Gründer – kennengelernt habe, war für uns beide klar, dass wir ein Unternehmen entwickeln wollen, das in diesem Bereich anknüpft und einen Beitrag zu mentaler Gesundheit leistet. Bei KEEN fokussieren wir auf somatische Arbeit und bieten geführte Gruppenklassen, die es Teilnehmenden ermöglichen, innerhalb von 60 Minuten das eigene Nervensystem zu regulieren und Stress zu lösen. Wir arbeiten mit Coaches und kombinieren drei Tools, deren Nutzen wissenschaftlich breit erforscht sind: Atemübungen, Eisbaden und Infrarot-Sauna.
Wie viel kostet eine solche Stunde?
Wir haben mit 25 Franken gestartet. So konnten wir in einer Startphase früh Dinge ausprobieren, wertvolle Feedbacks aus der Community sammeln und implementieren. Wir werden die Preise künftig auf einen Marktpreis von 35 Franken anheben. Mehr soll es nicht werden.
Deckt euer Angebot tatsächlich ein Bedürfnis ab?
Wir wurden ab dem ersten Monat komplett überrannt, und alle unsere Klassen waren frühzeitig über ein bis zwei Monate komplett ausgebucht. Aufgrund der hohen Nachfrage und damit wir unser eigenes Studio tragen können, haben wir uns entschieden, Investor:innen zu suchen.
Von wie viel Kapital reden wir?
Wir brauchen 500'000 Franken. Das Kapital wird primär für den Umbau des Studios verwendet. Unser Ziel ist, ein Konzept zu entwickeln, das sich mittelfristig in anderen Märkten einfach skalieren und betreiben lässt. Eine geographische Expansion ist ab 2025 geplant.
Wie läuft die Investor:innensuche bisher?
Wir haben das Glück, über ein tolles Netzwerk zu verfügen. Es gibt Leute aus unserer Community, die das Projekt mittragen und bereit sind, uns als Angel-Investor:innen zu unterstützen. Aufgrund unseres Werdegangs sind wir mit Unternehmer:innen vernetzt, die Business und Selbstfürsorge verbinden wollen. Wir haben viel mit Menschen zu tun, die bei Finanzen frische Denkansätze verfolgen und Dynamiken rund um das Thema Geld offen benennen. Das Machtgefälle, das durch Kapital häufig entsteht, können wir darum minimieren.
Welche finanziellen Ziele habt ihr euch für die nächsten Monate gesteckt?
Unser aktuelles Ziel ist der Abschluss dieser ersten Pre-Seed-Finanzierungsrunde. Mit unserem neuen Studio können wir uns selbst finanzieren. Dann möchten wir uns auch einen Lohn auszahlen. Das ist bisher nicht möglich. Ich komme noch bis Mitte 2024 ohne Lohn aus, danach wird es für mich finanziell eng. Unser Ziel ist, dass wir uns als Gründer:innen in einer ersten Phase monatlich 4000 Franken auszahlen können. Damit wären wir beide sehr zufrieden.
Wie hat sich dein privater Umgang mit Geld verändert, seit du gegründet hast?
Grundlegend. Geld war für mich früher empfundene Freiheit. Jeden Monat kam der Lohn, und ich musste mir nie gross Gedanken machen. Die Gründung finanziere ich mir durch Erspartes, das heisst, jede unnötige Ausgabe verkürzt meinen Personal Runway – die Anzahl Monate, in der ich ohne Lohn auskomme und an KEEN arbeiten kann. Ausserdem beeinflusst meine aktuelle finanzielle Situation gewisse Dynamiken in Beziehungen, beispielsweise unter Freund:innen.
Wie meinst du das?
In meinem Freundeskreis herrschen etwas andere finanzielle Verhältnisse. Es gibt einige, die sehr gut verdienen, teilweise 10'000 Franken im Monat. Wenn ich mit meinen Freund:innen essen gehen will, stellen sich heute andere Fragen als noch vor einem Jahr, weil ich mir nicht mehr alles leisten kann. Es geht um Fragen wie: Wo gehen wir hin? Wer zahlt wie viel? Splitten wir die Rechnung durch alle, oder zahlt man das, was man tatsächlich konsumiert?
Ist es dir unangenehm, solche Gespräche zu führen?
Man fühlt sich verletzlicher, und manchmal empfinde ich es als Schwäche, zugeben zu müssen, dass nicht alles drin liegt. Es ist aber auch eine wertvolle Erfahrung. Ich glaube, es ist diese Verletzlichkeit, die mich als Person nahbarer gemacht und viel Verbundenheit im Freundeskreis ermöglicht hat. So darf ich lernen, was es heisst, bei meinem Traum unterstützt zu werden.
Worauf verzichtest du?
Ich kaufe kaum neue Dinge und esse viel seltener auswärts. Teure Sportlektionen, wo eine Stunde 40 Franken kostet, leiste ich mir auch nicht mehr. Ich muss dazu aber sagen, dass ich nicht spare. Ich habe mir auch kein Budget gemacht. Ich frage mich einfach mehr: Brauche ich das wirklich, oder kann ich verzichten? Das hat etwas Befreiendes, weil das Leben so einfach wird – man konzentriert sich auf das, was sich essenziell und wichtig anfühlt. Die Extras lasse ich weg.
Wie ist dein Verhältnis zu Geld? Wie bist du aufgewachsen?
Ich bin in Zürich aufgewachsen, genauer gesagt in Erlenbach. In meinem Umfeld gab es viele wohlhabende Menschen, und auch unsere Familie war sehr privilegiert. Unsere Eltern haben meinen Brüdern und mir allerdings früh beigebracht, dass wir für Dinge, die wir uns wünschen, arbeiten müssen. Das war bei manchen in meinem Umfeld anders.
Wie fandest du das als Kind und Jugendliche?
Nicht immer einfach. Vor allem als Jugendliche. Da will man dazugehören. Ich fand es manchmal schwierig, dass ich für meine neuen Schuhe arbeiten musste und andere einfach so eine teure Handtasche bekamen. Meine Eltern waren nicht knausrig. Wir konnten unseren Hobbys nachgehen, ein Instrument spielen und Ausbildungen machen. Aber alles war ein Investment und keine Selbstverständlichkeit. Sie wollten uns mitgeben, dass man was fürs Geld und für schöne Dinge tun muss. Das hat mir im Leben viel gebracht.
Erinnerst du dich, womit du dein erstes eigenes Geld verdient hast?
Ich habe mit neun Jahren mein erstes Geld mit Babysitten verdient. Von da an hatte ich immer Jobs.
Du hast mit 15 Jahren die Stiftung «Lotus for Laos» gegründet. Wie kam es dazu?
Ich bin hineingerutscht. Dass man Geld teilt und sich engagiert, wurde mir von meiner Mutter vorgelebt. Wir sind als Familie viel gereist. Bei einer Reise nach Laos haben wir ein Waisenhaus besucht. Das hat mich sehr berührt. Ein Jahr später bin ich mit meiner Mutter und einer befreundeten Familie wieder dorthin. Wir haben die Schlafsäle renoviert und Englisch unterrichtet. Wir merkten aber schnell, dass es keine Westler:innen braucht, die vor Ort sind. Unsere Hilfe war anders gefragt.
Das heisst?
Wichtig war, Bildung zu ermöglichen. Die Kinder im Heim konnten zwar ein Highschool-Diplom absolvieren, damit kommt man in Laos aber nicht weit. Wer einen Job mit Perspektive will, braucht einen Universitätsabschluss. Um die Uni besuchen zu können, braucht man wiederum Geld. So entstand die Idee, ein Scholarship-Programm zu gründen, um jungen Menschen ein Studium zu ermöglichen. Meine Mutter hatte Kontakte zu einem Fonds, der solche Projekte unterstützt, und so konnte ich mit 15 Jahren meine Idee für «Lotus for Laos» dort vortragen und war erfolgreich.
Was macht die Stiftung konkret?
Wir sammeln Geld von anderen Stiftungen für Student:innen. Konkret kosten ein Studienplatz, die Unterkunft und eine warme Mahlzeit am Tag 670 Franken pro Person. Pro Jahr unterstützen wir zwischen 100 und 130 Student:innen.
Hat deine Arbeit für die Stiftung deinen Blick auf Geld verändert?
Durch meine Arbeit, aber auch durch die Reisen und die Arbeit meiner Mutter, habe ich früh ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass Geld immer eine Frage des Kontexts ist. Und dass wir mit dem, was wir hier haben, manchen Menschen sehr viel ermöglichen können. Mit Geld kann man viel Gutes tun. Aber es braucht auch eine Auseinandersetzung mit der emotionalen Komponente von Geld, damit es die eigenen Entscheidungen unbewusst nicht zu stark beeinflusst.
Was wünschst du dir für deine finanzielle Zukunft?
Ich hoffe, dass ich mit KEEN meine Rechnungen zahlen kann. So könnte ich Leidenschaft und Sinn mit meinem Job kombinieren, und das wäre wirklich das Schönste für mich.