Es ist ein Wiedersehen. Zumindest ein virtuelles. Pascal Mader war einen Monat lang Praktikant bei ellexx.* Nun erreichen wir ihn per Video-Call in einem Sitzungszimmer der Berner Kantonalbank, seinem Arbeitgeber seit fast einem Vierteljahrhundert.
Wir konfrontieren ihn mit Fragen, die sonst nur Frauen gestellt werden. Das Ziel: Stereotype aufbrechen, aber auch Toxizität entlarven.
Ein Männerfragen über Druck, Geld – und zwei Gesichter.
Du gehörst einer seltenen Spezies an: dem männlichen Banker …
Schaue ich mich in meinem Büro um, sehe ich das anders. Hier gibt es fast nur Männer.
Gibt's da Zickenkrieg im Männerhaufen?
Ja, den haben wir schon. Wir sind rund 40 Mitarbeiter im selben Büro mit unterschiedlichen Charakteren. Da bleiben Reibungen nicht aus – manchmal wird es laut, manchmal ist die Stimmung angespannt.
Bist du ironisch?
Nein. Du musst dir das Grossraumbüro mit Inseln aus Halbkreisen vorstellen, hier arbeiten die Aktienleute, dort die Obligationenleute und so weiter. Und überall gibt es emotionale Menschen. Da wird schon mal rumgeschrien und mit der Faust auf den Tisch gehauen.
Hoi Klischee! Der typische Banker schreit abwechselnd ins Telefon und den Bildschirm an?
Ich würde nicht sagen, der typische Banker. Der typische Händler – also mein Team – manchmal schon.
Männer, das emotionale Geschlecht.
Diese Erfahrung mache ich tatsächlich. Was mir meine Mitarbeiter alles anvertrauen, geht teils ans Eingemachte.
Du bist Leiter Handel und Verkauf Aktien Schweiz. Was zum Gugger treibst du den ganzen Tag?
Ich berate grosse institutionelle Kunden wie Versicherungen, Pensionskassen oder Firmen. Wenn sie Aktien kaufen oder verkaufen oder Anlageempfehlungen von mir wollen, berate ich sie. Mein Ziel ist, dass wir gemeinsam ein Geschäft abschliessen – zum Beispiel, dass der Kunde mir sagt, welche Aktie er kaufen oder verkaufen möchte. Mit jedem Geschäft, das mit Schweizer Aktien gemacht wird, verdiene ich Geld für die Bank.
Kannst du als Mann gut mit Druck umgehen?
Da wächst man rein. Sonst wird man aufgefressen.
Aufgefressen?
Ja, schon.
Hui. Wie führst du als Chef?
Mit langer Leine. Ich bin gegenüber der Bank sehr loyal und langjährig dabei – meine Mitarbeiter genauso. Wir sind alle seit 20 oder noch mehr Jahren in dieser Bank und in dieser Abteilung. Ich bin aus dem Team zum Teamleiter aufgestiegen. Vom Kollegen zum Chef, das ist nicht immer einfach. Ich bin fast 25 Jahre bei der Bank, ich kenne beruflich nichts anderes.
Du arbeitest seit deiner Lehre bei der Berner Kantonalbank. Wie überlebt man so lange in der Bankenwelt?
Die Finanzmärkte interessieren mich, die Arbeit ist abwechslungsreich. Ich habe mich einfach immer sehr wohl gefühlt. (Fast entschuldigend.) Ich hatte schlicht nicht das Bedürfnis, mal etwas anderes anzuschauen.
Hast du Frauen im Team?
In meinem Team nicht. Und auch in den insgesamt sieben Teams in unserer Abteilung gibt es aktuell nur drei Frauen.
Auf wie viele Männer?
32.
Du bestätigst alle Klischees der Bank als Altherrenclub.
Ja, weil es so ist. Bei uns dominieren alte weisse Männer.
Es ist erwiesen, dass gemischte Teams erfolgreicher sind als reine Männergruppen. Fragst du dich oft, ob du kompetent genug bist für deine Tätigkeit?
Das frage ich mich nicht, aber als ich eine Stelle besetzen musste, habe ich mir diesen Gedanken durchaus gemacht. Von rund 35 Bewerbungen war nur eine von einer Frau – und leider passte sie nicht zur gesuchten Stelle. Ich hätte mir gewünscht, eine Frau einstellen zu können.
Frauen wird eingeredet, dass sie sich kaum mit Finanzen auskennen. Bist du als Banker mitschuldig daran?
Ich fühle mich da nicht mitschuldig. (Pause.) Obwohl meine Frau wahrscheinlich sagen würde, dass wir Banker eine Mitschuld haben. (Nochmals Pause.) Wie soll ich sagen? In meinem speziellen Gebiet sind die Frauen derart untervertreten, dass sie im Berufsalltag – also wie ich mit den Firmen über Aktien spreche – gar keine Rolle spielen. Ich arbeite als Mann mit männlichen Kunden.
Und was löst das aus bei dir?
Ich finde es nicht einfach. Ich arbeitete kürzlich ja einen Monat als Praktikant bei ellexx und somit in einem fast reinen Frauenteam.* Wie du selber festgestellt hast, arbeite ich gerne mit Frauen. Ein Geständnis: Es war tatsächlich nicht ganz leicht, nach dieser Erfahrung wieder in ein rein männliches Team zurückzukehren.
Dann ein Geständnis meinerseits: Zum Glück habe ich dich vor diesem Gespräch hier kennengelernt. Ich glaube, einzig aufgrund dieses Interviews hätte ich ein anderes Bild von dir. Schliesslich bestätigst du mir alle Klischees über Banker. Dabei habe ich dich als total umgänglich kennengelernt.
Tatsächlich bin ich in der Bank wahrscheinlich etwas anders. Kompetitiver. Mit Sternzeichen Zwilling gelingt mir das gut.
Eine Sotomo-Studie zeigt, dass 48 Prozent der Männer in Aktien und Fonds investieren, bei den Frauen sind es nur 32 Prozent. Was sagst du zu diesem Gender-Investment-Gap?
Bei den Frauen hat es noch sehr viel Potenzial. Es warten viele neue Kundinnen – wir müssen es einfach schaffen, sie anzusprechen. Ich finde es sehr schade, dass so wenige Frauen investieren, und denke, ein Teil dieses Ungleichgewichts liegt auch an der Bankenwelt, in der wir Männer oft den Ton angeben. Hier müssen wir definitiv mehr tun, um Frauen für das Thema Finanzen zu gewinnen.
Wo müsste man ansetzen, um vermehrt Frauen zu erreichen?
Ich glaube, beim Private Banking müsste man einen Fokus auf Frauen setzen. Etwa durch gezieltes Marketing und eine frauengerechte Sprache.
Klingt etwas nach Pinkwashing. Wir Frauen wollen nicht nur anderes Marketing, sondern auch andere Inhalte.
Ich denke, Berater:innen müssen vor allem lernen, Frauen besser zu verstehen – individuell auf ihre Bedürfnisse einzugehen, aktiv zuzuhören und auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Frauen fühlen sich von der Finanzbranche nicht angesprochen und lagern ihr Geld lieber auf dem Sparkonto, statt es am Kapitalmarkt anzulegen. Dabei investieren sie im Schnitt nachhaltiger und erfolgreicher als Männer. Du hast noch etwas Arbeit vor dir, hmm?
(Wirkt zerknirscht.) Ja, das ist so. (Pause. Schaut betrübt.) Ja, das ist wirklich so.
Gehen wir einen Schritt weiter. Du bist ein wahrer Powerman, zweifacher Familienvater, inklusive Karriere. Keine Sorge, deine Kinder beim Aufwachsen zu verpassen?
Glücklicherweise nicht. Auch, weil ich einen sehr kurzen Arbeitsweg habe. Ich sehe meine Kinder am Abend immer oder fast immer. Aber klar, im Nachhinein hätte ich vielleicht besser Teilzeit gearbeitet, als die Kinder kleiner waren. Nur schon, um meine Frau besser unterstützen zu können.
(Schweigt abwartend.)
Aber: Finanziell gesehen – und da muss man einfach auch ehrlich sein – hätte das keinen Sinn gemacht. Ich verdiene fast doppelt so viel wie meine Frau.
Liegst du nachts wach wegen Mental Load?
(Wie aus der Pistole geschossen.) Nein, ganz klar nicht!
Würdest du gerne?
Ja, im Fall schon. Aber ich schaffe es einfach nicht, den Mental Load von meiner Frau weg und hin zu mir zu verschieben. Ich habe wirklich ein schlechtes Gewissen deswegen.
Was anderes: Wie hat dein Aussehen deine Karriere beeinflusst?
Ich würde sagen, das hat meine Karriere kaum beeinflusst.
Wie alt bist du eigentlich?
44.
Merkst du dein fortgeschrittenes Alter?
Ja.
Inwiefern?
Ich höre nicht mehr so gut, wird mir nachgesagt. Ich brauche eine Lesebrille und erhole mich nach dem Sport nicht mehr so schnell.
Ab 40 wirst du langsam unsichtbar für die Gesellschaft. Wie fühlt sich das an?
Da kann ich mich schön unter dem Radar bewegen. Das passt mir.
Ernsthaft?
Absolut.
So. Das war's. Wie war’s?
Angenehm. Ich fühlte mich nie in die Ecke gedrängt. Und konnte ehrlich antworten.
*Hinweis der Redaktion: Pascal Mader hat im November 2024 ein Praktikum bei ellexx gemacht. Dies im Rahmen eines Programms, durch das Führungskräfte von Corporates bei Start-Ups ein Praktikum machen, um neue Perspektiven zu erhalten. Die Start-Ups profitieren umgekehrt von qualifizierten Fachkräften. Den Männerfragen hat Mader übrigens erst nach sanftem Druck der Interviewerin zugestimmt.
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