Wir wollen Tabus brechen. Wir wollen landesweit einen Dialog über Geld, Lohn, Reichtum, Armut, Ungleichheit und Finanzen lostreten. Geld und Gefühle sind untrennbar miteinander verbunden. Money Talk ist deshalb nicht eine Serie über Geld, sondern vor allem auch eine über Stolz, Scham und Neid. Heute mit Astrid von Stockar, CEO der Zahnpflegefirma Swissdent und Miteigentümerin des Hotels Chesa Grischuna in Klosters GR.
Wie stehst du zu Geld?
Geld als Betrag interessiert mich nicht, nur in investierter Form. Auf dem Konto ist es nur eine Zahl. Ich denke lieber an die Möglichkeiten, die es eröffnet.
Dann ist also alles in Aktien investiert bei dir?
Nein. Aber zu Aktien habe ich in der Tat ein spezielles Verhältnis. Meine Urgrossmutter war in Schweden die erste Frau, die als Börsenhändlerin akkrediert worden ist. Das war noch vor dem ersten Weltkrieg. Und sie hat tatsächlich ein kleines Vermögen gemacht. Dieses hat sie dann meiner Grossmutter weitergegeben.
Dann liegt dir das Traden ja im Blut?
Nein, ich habe keine Aktien mehr. Ich habe meine Crash-Erfahrung früh gemacht. Zur Matura erhielt ich von meiner Grossmutter Swissair-Aktien. Da gab es noch Dividenden und Benefits dazu. Aktionärinnen konnten beispielsweise günstiger fliegen. Der Rest ist Geschichte: Grounding. Ich habe alles verloren, ausser das Aktienpapier. Das ist natürlich museumsreif.
Dann war das der Absteller?
Nicht nur, aber die Schwankungen machen mich nervös, und ich habe permanent das Gefühl, keine Zeit dafür zu haben.
Und jetzt investierst Du tatsächlich gar nicht mehr?
Doch, ich habe mein Anlagesegment gefunden: Immobilien. Und ich erwirtschafte gute Renditen aus diesen Liegenschaften.
Wie funktioniert das?
Häuser und Wohnungen kommen zu einem, und ich habe gekauft, was mir gefällt … zum Beispiel ein denkmalgeschütztes Haus von 1810 mit wunderschönem Garten in Zürich-Schwamendingen. Damals meinte die Bank, dass die Immobilie völlig überbewertet sei. Aber mittlerweile hat sich das Gebiet sehr gewandelt. Expats haben kein Stigma gegenüber Schwamendingen, und mittlerweile ist dies eines meiner besten Investments. Ich habe daraus drei Wohnungen gebaut und erziele eine Rendite von 7 Prozent jährlich.
Immobilienmogulin Astrid von Stockar?
Eher eine «Mini-Mogulin». Dank tiefen Hypothekarzinsen konnte ich damals neue Projekte realisieren. Aktuell habe ich mit meinem Lebenspartner in ein Hotel investiert in Klosters und möchte den Glanz vergangener Zeiten wieder aufleben lassen.
Von der Filmproduzentin zur Unternehmerin: Wie ist es zu dieser Wende gekommen?
Ich habe ja ursprünglich Wirtschaft studiert – damals haben übrigens in Zürich 50 Prozent Frauen das Studium begonnen, aber nur drei Frauen mit mir abgeschlossen. Nach zwei Monaten Bank wusste ich schnell, dass das nichts für mich ist. Obwohl sie damals schon viel Geld geboten haben.
Mich hat die Filmindustrie mehr interessiert, und ich wechselte nach Schlieren in eine Produktionsfirma, die mit Millionenbudgets Industriefilme produzierte. Das habe ich on the job gelernt und war nach drei Monaten bereits angestellt als Produzentin. Später habe ich für einen Filmproduzenten in England gearbeitet, habe gelernt, Deals zu verhandeln, mutig zu sein und die benötigten Geldbeträge laut auszusprechen. Ich wuchs auf damit, dass man nicht über Geld spricht. Aber ich habe damals auch erlebt, wie es ist, wenn man nie weiss, ob man Lohn erhält.
Deswegen hast du zum sicheren Arbeitgeber SRF gewechselt?
Nein! Lohn war nie ein Thema, aber die neue Herausforderung, als junge Redaktorin grosse Samstagabendkisten zu verantworten. Ich habe auch als Dokumentarfilmerin spannende Persönlichkeiten porträtiert. Bei einer Reportage in Cannes bin ich dem Gründer von Swissdent begegnet, der seine Zahnpasta am roten Teppich an die Stars verteilte. Wir sind im Kontakt geblieben, und ich bin 2016 bei ihm eingestiegen. Sein Produkt war genial, effektiv und natürlich, aber die Geschäftsführung war es nicht.
Ein grosses Risiko.
Andere kaufen sich einen Porsche, ich habe in meine Firma investiert. Und es hat sich ausgezahlt. Swissdent wird mittlerweile in 40 Ländern verkauft. Gerade der Osten ist verrückt nach Swissness. Unsere Umsätze sind im zweistelligen Millionenbereich, und wir wachsen jedes Jahr 30 Prozent.
Ihr verkauft Luxus-Zahnpasta. Wie teuer ist diese?
Wir nennen das Dentalkosmetik. 100 Milliliter kosten 25 Franken. 50 Milliliter um die 13 Franken. Damit ist unser Produkt etwa 5 mal teurer als herkömmliche Zahnpasta.
Und so viel zahlen Menschen für Zahnpasta, weil ...?
… weil sie einfach besser ist als herkömmliche Zahnpasta! Mehr als 90 Prozent der Menschen, die sie benutzen, kaufen sie wieder. Wir produzieren alles in der Schweiz und verwenden hochwertigere Inhaltsstoffe. Unsere Mundpflege ist sehr schonend und wegen der innovativen Rezepturen patentiert. Es ist wichtig, dass wir das immer wieder kommunizieren und aufklären.
Und wie viel bleibt davon bei euch hängen?
Die Marge ist beim Direktverkauf in der Schweiz am besten. Beim Verkauf an die weltweiten Distributoren liegt sie viel tiefer. Swissness hat ihren Preis und ist ein bewusster Entscheid für Qualität und kurze Transportwege. Die grossen Margen machen aber immer die Retailer.
Ist dir dieser Unternehmerinnengeist in die Wiege gelegt worden?
Nein. In der Erziehung war Geld bei meinen Eltern leider eher ein Tabu. Ich hatte zwar Taschengeld, musste aber damit relativ allein gelassen haushalten. Aber meine Grossmutter hat mich gelehrt, dass man immer eigenes Geld haben muss als Frau. Sie hatte auch Aktien.
An welchen Spruch über Geld erinnerst du dich?
Glück hängt nicht von einer absoluten Zahl auf dem Bankkonto ab.
Was bringst du deinen eigenen Kindern über Geld bei?
Sie sind durch meinen Ex-Mann, der ein sehr erfolgreicher Unternehmer ist, finanziell abgesichert aufgewachsen. Wir haben ihnen beide beigebracht, dass nicht Geld, sondern die Ausbildung und Art, wie sie mit anderen Menschen umgehen, sie ausmacht. Dass es wichtig ist, selbst etwas aufzubauen und nicht von der Kreditkarte der Eltern abhängig zu sein. Ich bin sehr stolz, dass beide auf eigenen Beinen stehen!
Und sieht man Geschlechterunterschiede?
Mein Sohn investiert in Aktien und digitale Währungen, meine Tochter nicht. Aber interessanterweise ist sie gerade unternehmerischer unterwegs, sie arbeitet bei einem Start-up.
Klingt fast ein wenig nach dir … danke für das offene Gespräch.