In dieser Rubrik fragen wir Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven.
Dich als Radiopionier und bekannte Radio Voice wollte ich schon immer fragen: Wie sollte die perfekte Radiostimme sein?
Ich muss das spüren, die Ausstrahlung der Stimme. Sie muss echt, selbstbewusst sein und Sex Appeal haben.
Was macht eine Stimme sexy? Männer haben ja eher so leise Wisper- oder dann nervige Piepsstimmen.
(Stutzt.) Frauen haben eher einen Nachteil. Höhere Stimmen funktionieren am Mikrofon schlechter als tiefe. Da haben Frauen leider generell ein Problem. Aber am wichtigsten ist, dass jemand echt ist.
Männer müssen ja generell sehr hart arbeiten, bis sie als genial angesehen werden, während Frauen schon bei der Geburt als das genialere Geschlecht angesehen werden. Ärgert dich das?
Dieses Thema ist bei mir nie aufgekommen. Von Genialität bin ich selbst weit entfernt. Ich bin ein Medienarbeiter. Ich bin verlässlich und bereite mich möglichst gut vor. Ich schaue oder höre mir auch jede ausgestrahlte Sendung nochmals an, um aus meinen Fehlern zu lernen.
Wie bescheiden und selbstkritisch, typisch Mann.
Ja, ich bin ziemlich selbstkritisch. Aber ich habe das Gefühl, als Moderator mit den Jahren eher besser und nicht schlechter geworden zu sein, wie mir in letzter Zeit oft bestätigt wird.
Du suchst als Moderator heute noch das Scheinwerferlicht. Bist du eine Diva?
Absolut nicht. Ich kleide mich auch nicht wie ein Geck.
Du lässt nie jemanden ausreden … – (Journalistin wird unterbrochen)
Ich bin nicht mehr ganz so ungeduldig wie früher!
Also was ich fragen wollte: Ist das noch Hysterie oder bist du eine Furie?
Wenn man Menschen einfach reden lässt, dann werden sie immer länger. Wenn jemand länger redet, dann muss er weniger Fragen beantworten. Das ist bei vielen die Strategie. Das hat Albert Rösti ganz offen zugegeben. Und so werden Sendungen langweilig.
Trotzdem kam es zum Eklat mit Satiriker Andreas Thiel. Du bist schon auch eine Mimose?
Mit Kritik gehe ich heute besser um. Aber ich freue mich auch über Lob. So wurde ich vor kurzem als erster Journalist aus den elektronischen Medien mit dem renommierten Zürcher Journalistenpreis für mein Lebenswerk ausgezeichnet.
Du hast als Moderator bei SRF auch unter einer Chefin gearbeitet, bei Blue Zoom erneut unter einer Frau. Wie gehst du damit um?
Das ist für mich kein Thema. Die Qualität der Führungskraft ist entscheidend, nicht ihr Geschlecht.
Trotzdem, wie empfindest du Female Leadership?
Claudia Lässer von Blue Zoom ruft mich oft an. Sie gibt mir dabei Feedback zu meinen Sendungen. Sie will zudem auch von meinem Know-how als langjähriger Medienunternehmer profitieren. Nathalie Wappler hat sich hingegen nie direkt zu einer meiner Sendungen geäussert, sich nie nach meiner Meinung zu aktuellen TV-Themen erkundigt.
Nicht mal bei einem Lunch?
Nie. Auch ein negatives Feedback ist besser, als Mitarbeitende nicht zu beachten. Aber zu einer gewissen Ehrenrettung von Nathalie: Der ehemalige TV-Chef Ruedi Matter hat mir ebenfalls nie ein Feedback gegeben. Das ist eben seit Jahrzehnten die SRG-Kultur.
Wie viele Frauen und wie viele Männer hast du interviewt?
Ich habe sicher viel mehr Männer interviewt, da mehr von ihnen wichtige Positionen in der Gesellschaft und Politik besetzen. Frauen haben mir zudem öfter abgesagt als Männer, zum Beispiel auch du – und zwar wiederholt.
Ja. Nicht verwunderlich, Männer müssen mit viel härterer Kritik und Shitstorms rechnen, wenn sie sich öffentlich exponieren.
(Kurz verdutzt, dann unbeirrt:) Frauen wollen sich oft nicht in Situationen begeben, die kritisch werden können. Martina Hingis hat mir letzthin gestanden, dass sie immer Angst vor mir hatte und deshalb jeweils ablehnte.
Angst vor dir? Vor deinen Kuschelfragen?
(Leicht beleidigt.) Ja, zu Frauen bin ich meist netter. Das bringe ich einfach nicht weg.
Trotzdem: Du weisst ja, dass in der Medienindustrie viel mehr Expert:innen als Experten auftreten. Du hättest da ja gegensteuern können.
(Ungeduldig.) Nein, ich will die spannendsten Menschen haben.
Autsch. Ich kann dir aus eigener Erfahrung sagen, dass man ein ganzes Medienportal mit spannenden Frauen betreiben kann. Da kannst du doch nicht sagen, es gäbe zu wenig spannende Frauen.
Es ist wohl eher diese Absageproblematik. Die Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner hat mir beispielsweise lange für die Sendung «Doppelpunkt» bei Radio 1 abgesagt. Sie hat dabei jeweils Terminprobleme vorgeschoben – das machen viele. Doch neulich ist sie trotzdem gekommen, und wir hatten eine starke Diskussion über die Bildungssituation in der Schweiz.
Du bist Vollblut-Unternehmer, und trotzdem hast du drei Kinder. Warum?
Kinder sind das Wichtigste im Leben. Ich habe immer Zeit gehabt für meine Kinder. Auch nach der Scheidung, als meine Ältesten leider mit der Mutter nach Baden-Baden gezogen sind, habe ich sie jedes zweite Wochenende besucht.
Hast du das Pensum bei der Geburt deiner Kinder reduziert?
Ich war flexibel. Als Chef konnte ich mir das einteilen. Nachdem ich als Sat.1-Chef aufgehört hatte, entschied meine Frau, was wir für ein Jahr lang machen. Sie hat ein Studium an der Freien Universität Berlin angefangen, und ich habe den Abholservice für Lea gemacht.
Du warst Hausmann?
Nein, das dann doch nicht. In der Küche habe ich nur für den Abwasch Talent. Aber all diese Traditionen, etwa Räbeliechtli schnitzen, habe ich fleissig mitgemacht.
Wie bist du als Vater? Was für ein männliches Role Model willst du den Kindern vermitteln?
Ich will, dass sie sich verwirklichen können und dabei glücklich werden. Kevin wurde Astrophysik-Professor und gründete eine Firma für Artificial Intelligence, Joelle ist Ärztin, und Lea macht zurzeit ihren Master in Jus. Als Vater ist man da gewaltig stolz, gebe ich gerne zu.
Du bist auch zweifacher Grossvater. Übernimmst du zwei oder drei Tage die Woche Carearbeit?
(Verwirft die Hände.) Ich kümmere mich um die Enkel während der Ferien, da sie in Hamburg leben. Ich beschäftige mich gerne mit ihnen, lege Domino-Steine oder betätige mich beim Uno. Nur beim «Sändelen» am Strand mache ich nicht mehr mit. Ich habe genug gesändelet in meinem Leben, finde ich.
Du hast ein bewegtes Liebesleben, drei Ehen, du bist ein Homme Fatal ...
Es ist ja gut, wenn man noch eins hat, ein Liebensleben.
Warum hast du dich von den anderen beiden Frauen getrennt, hatten sie zu wenig Vermögen?
(Lacht laut.) Nein! Die erste Scheidung war problemlos. Wir hatten kein Geld und keine Kinder. Bei der zweiten Scheidung war es genau umgekehrt. Wir hatten Kinder, reichlich Geld und keinen Ehevertrag. Das war sehr schmerzhaft. Ein Schock. Der Scheidungsanwalt wollte mir sogar mein Radio wegnehmen. Ich war lange Zeit regelrecht traumatisiert.
Ich nehme an, dass du in der dritten Ehe nun einen Ehevertrag hast?
Natürlich. Er ist so konzipiert, dass es sich aus finanziellen Gründen nicht lohnt, sich von mir scheiden zu lassen. So habe ich Gabriella unsere tolle Wohnung in Berlin geschenkt. Und heute gehört ihr das Haus in Ibiza. Ich finde es wichtig, dass in einer Ehe finanziell kein allzu grosses Ungleichgewicht besteht.
Wie haben dich die Frauen eigentlich generell behandelt, wie eine Trophäe oder eher wie ein Accessoire?
Das Problem ist vielmehr, dass sich die Leute in der Öffentlichkeit auf mich stürzen und meine Partnerin weitgehend ignorieren. Dies empfinde ich als unverschämt. Gabriella hat mit über 50 Jahren ein Studium an der Uni Zürich begonnen und mit dem Master abgeschlossen. Sie hat anschliessend Vorlesungen an der Pädagogischen Hochschule gehalten und vor zehn Jahren ein sehr erfolgreiches Projekt für Kinder mit Migrationshintergrund gegründet. Sie ist also mindestens so spannend, wie ich es bin.
Du hast halt viele Groupies. Fühlst du dich nicht oft einfach als Sexobjekt?
(Schmunzelt.) In Deutschland habe ich das schon eher miterlebt. Da haben sich die Geschäftsführer der TV-Sender traditionsgemäss beim weiblichen Personal bedient. Bei Sat.1 werden Schauspielerinnen- und Moderationsjobs vergeben, und um die hat man sich sehr intensiv bemüht. Das Paarungsverhalten ist in Deutschland eindeutig aggressiver als in der Schweiz. Elvira Netzer hat meiner Frau Gabriella mal in der Kronenhalle gesagt: «Bist du denn wahnsinnig, deinen Mann alleine in Berlin zu lassen. Kennst du die deutschen Frauen nicht?» Danach ist Gabriella umgehend nach Berlin gezogen.
Bist du eitel?
Eigentlich nicht, aber wenn ich mich vor eine Kamera setze, will ich professionell aussehen. Ich konnte mich so über das übliche Verfalldatum halten.
Es wurde schon immer gemunkelt, dass du gern Wimperntusche aufträgst und die Haare färbst?
Ich habe offenbar gute Gene. Ich musste dreissig Jahre gegen Vorwürfe kämpfen, dass ich mir die Haare färbe. Das Thema hat sich jetzt, wie du siehst, von selbst erledigt (schwenkt zum Beweis den Kopf mit grauem Haupthaar).
Erklär mir deinen Look.
Ich trage gerne Jeans. Ich bin einer der Ersten gewesen, der schon in den 70ern ihre Krawatten an den Nagel gehängt haben. Das war damals ein Akt der Revolution. Ich erinnere mich noch an die entsetzten Ausrufe von Migros-Boss Pierre Arnold: «Schawinski, sind sie in den Ferien?!» Auch als Chef in Deutschland war das etwas Ungewohntes. Alles ist dort viel hierarchischer. Auch mein Doktortitel wurde plötzlich wichtig. Die Devise lautet in allen deutschen Betrieben: «Der Chef macht die Ansage!»
Hast du als feinfühliger Mann nicht darunter gelitten?
Ich habe versucht, den Team-Gedanken nach Deutschland reinzutragen. Ich wollte nicht einfach befehlen, sondern den Mitarbeitern zuhören. Und zusammen Lösungen erarbeiten. Ich war mit dieser Methode recht erfolgreich. Der Gewinn von Sat.1 stieg innerhalb von drei Jahren von 4 auf 204 Millionen.
Da konntest du beweisen, dass du rechnen kannst?
(Verwirft abermals die Hände.) Ich habe an der Uni St. Gallen studiert! Das war also nicht mein grösstes Problem.
Ich habe mich bei dir aber auch schon gefragt, ob das eine hormonelle Sache ist? Diese Launen.
Ich bin doch nicht launisch!
Dann ist es vielleicht die Andropause, die hat dir bestimmt zu schaffen gemacht?
Ich weiss gar nicht, was das ist.
Die Abänderung: Schlappheit, Depressionen, Potenzprobleme etc.
Gut, ich laufe keine Marathons mehr. Ich musste mein Knie machen lassen. Nun spiele ich halt Golf. Alles zu seiner Zeit ….
(Schaut auf die Uhr und steht auf, hebt elegant die Hand …) «Hey Ladies!» , ruft er uns zu – und entschwebt.