«Verkaufsberater*in (M/W/D gesucht», «Offene Stelle als Projektmanager*in (M/W/D»oder «Bewirb dich jetzt als Koch/Köchin». Fühlst du dich als Frau durch diese Stellenanzeigen angesprochen? Würdest du dich darauf bewerben? Geschlechtsneutrale Stellenbezeichnungen gelten heute als bewährte Praxis. Sie sollen die Anzahl Bewerbungen diverser Geschlechter erhöhen und so zu mehr Chancengleichheit und einem offenen und vielfältigen Arbeitsumfeld beitragen.
Während die EU-Richtlinien eine geschlechtsneutrale Formulierung in Jobanzeigen vorschreiben, ist dies in der Schweiz derzeit freiwillig. Dennoch verbietet das Gleichstellungsgesetz jegliche direkte oder indirekte Benachteiligung aufgrund des Geschlechts. Auch in der Gesellschaft wächst die Forderung an Unternehmen, sämtliche Geschlechter in ihrer Unternehmenskommunikation zu inkludieren und zu adressieren.
Think Manager – Think Male
Nun stellt sich aber die Frage: Sind geschlechtsneutrale Bezeichnungen wirklich neutral? Jein – das Problem genderneutraler Bezeichnungen liegt darin, dass Männer in unserer Gesellschaft immer noch als Norm betrachtet werden, während Frauen oft als Abweichung von dieser Norm wahrgenommen werden. Eine Studie der University of Waterloo zeigt, dass viele Menschen automatisch das Bild eines Mannes vor sich sehen, wenn sie über das Wort «Person» nachdenken.
Insbesondere im Kontext der Arbeitswelt führen stereotypische Rollenbilder dazu, dass bestimmte Berufsgruppen und Branchen mit einem Geschlecht assoziiert werden. Die Tatsache, dass wir beim Wort «Führungskraft» unbewusst einen Mann vor Augen haben, wurde bereits in den Siebzigerjahren in einer wissenschaftlichen Untersuchung mit dem aussagekräftigen Namen «Think Manager - Think Male» erforscht.
Das «Think Manager - Think Male, Think Follower - Think Female»-Prinzip geht sogar noch weiter und besagt, dass wenn Führung als männlich angesehen wird, Gefolgschaft im Umkehrschluss als weiblich wahrgenommen wird. Dies wird durch die Ergebnisse der Studie «Measuring Sex Stereotypes: A Multination Study» unterstützt, welche zeigt, dass wir typischerweise Berufe in der Pflege oder Reinigung mit Frauen in Verbindung bringen.
Wie Sprache die Karrieremöglichkeiten von Frauen beeinflusst
Assoziationen bestimmter Berufe mit einem Geschlecht können auf die erwarteten Charaktereigenschaften an eine bestimmte berufliche Position zurückgeführt werden. Eine Führungskraft beispielsweise sollte idealerweise «durchsetzungsstark», «resilient» und «analytisch» sein. Alles Attribute, die wir aufgrund der stereotypen Rollenbilder vorwiegend mit Männern in Verbindung bringen.
«Frauen sind nicht mit der kompetitiven und leistungsorientierten Sprache sozialisiert, wie sie in den meisten Stelleninseraten verwendet wird. Gängige Formulierungen wie ‹leistungsbereit› oder ‹ehrgeizig› können für sie daher abschreckend wirken», erklärt Nadia Fischer, Co-Founderin des inklusiven Sprachtools Witty Works. Laut Untersuchungen ihrer Plattform sind auch heute noch 70 Prozent der Stellenanzeigen mit stereotypischen und traditionellen Attributen verfasst. Diese halten Frauen möglicherweise davon ab, sich überhaupt auf eine Position zu bewerben.
Und wenn Frauen sich dennoch auf solche Inserate bewerben, haben sie oft eine schwierigere Position im Bewerbungsprozess im Vergleich zu männlichen Bewerbern. Die Formulierung eines Stelleninserats beeinflusst nämlich auch die Wahrnehmung der Personalverantwortlichen. So besteht gemäss einer Untersuchung der Universität Konstanz die Gefahr, dass Recruiter:innen Frauen als weniger geeignet für eine Position sehen könnten, da sie beispielsweise nicht dem typischen Rollenbild einer durchsetzungsstarken Führungskraft entsprechen. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen ohne Managementerfahrung eine Führungsposition bekommen, geringer als bei Männern mit demselben Hintergrund. Von stereotypischen Rollenbildern geprägte Formulierungen können sich negativ auf die Karrieremöglichkeiten und Löhne von Frauen auswirken.
Die Wirkung geschlechtsneutraler Stellenanzeigen in der Praxis
Was bedeutet das nun konkret für die Verwendung geschlechtsneutraler Formulierungen in Stellenanzeigen? Nun, Forschungen legen nahe, dass geschlechtsneutrale Stellenanzeigen dazu beitragen können, dass sich durchaus mehr Frauen auf Positionen bewerben, die traditionell männlich dominiert sind. Einer Analyse der amerikanischen Jobplattform ZipRecruiter zufolge erhalten Jobinserate mit inklusiver Sprache insgesamt 42 Prozent mehr Bewerbungen.
Die eigentliche Hauptfrage ist damit aber noch nicht beantwortet: Führen geschlechtsneutrale Stellenanzeigen zu einer erhöhten Anzahl von Bewerbungen und letztendlich zu mehr Einstellungen von Frauen? Eine eindeutige Antwort darauf gibt es bisher nicht. Das Problem: Die vorhandenen Studien fokussieren bisher auf die Wahrnehmung, nicht aber den tatsächlichen Effekt von geschlechtsneutralen Stellenanzeigen. Hinzu kommt, dass geschlechtsneutrale Formulierungen gar nicht so neutral sind, wie sie auf den ersten Blick scheinen, und weit über das Gendern der Jobbezeichnung hinausgehen.
Nadia Fischer empfiehlt daher, in Stellenanzeigen gänzlich auf geschlechterkonnotierte Begriffe zu verzichten und den sprachlichen Fokus stattdessen auf Kooperation und Gemeinschaft zu legen. «Begriffe wie ‹gegenseitige Unterstützung› oder ‹gemeinsames Erreichen von Zielen› weisen auf eine inklusive und vielfältige Arbeitskultur hin. Etwas, worauf Frauen wie auch die Generation Z grossen Wert legen.» Auch die visuelle Gestaltung der Anzeigen, einschliesslich der Farb- und Bildauswahl, ist entscheidend für die Ansprache aller Geschlechter.
Die University of Amsterdam hat dazu auf Basis verschiedener existierender Forschungen detaillierte Handlungsempfehlungen ausgearbeitet. Diese umfassen beispielsweise den Verzicht auf Bilder, die ein stark männlich dominiertes Arbeitsumfeld suggerieren, oder die transparente und proaktive Kommunikation flexibler Arbeitsmöglichkeiten wie Jobsharing oder Home Office.
Es braucht einen grundlegenden Strukturwandel
Ebenso wichtig wie eine attraktive Ansprache sind aber auch die Rekrutierungsprozesse und die Arbeitskultur bei einem Unternehmen. Für echte Chancengleichheit ist es unerlässlich, das Bewusstsein für geschlechtsspezifische Vorurteile und stereotypische Rollenbilder bei der Personalrekrutierung erst zu schärfen und diese dann abzubauen. Idealerweise geschieht dies auf organisatorischer Ebene. So können beispielsweise Rekrutierungsprozesse so gestaltet werden, dass sie möglichst unabhängig von individuellen Entscheidungen sind. Das neutralisiert individuelle Voreingenommenheiten.
Die laufende Diskussion über die richtige Verwendung geschlechtsneutraler Stellenanzeigen und deren Wirksamkeit verdeutlicht den Fortschritt unserer Gesellschaft in Richtung Inklusion und Gleichberechtigung.
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