Mittagszeit in einem Zürcher Café. Max Kämmerling und Laurent Aeberli nippen an ihren Getränken, neben sich ausgebreitet liegen Gitarren- und Handörgelikoffer. Sie sind auf dem Weg zur Arbeit und legen davor einen Zwischenstopp ein für die Männerfragen.
Als «Laurent & Max» machen sie Kindermusik. «So, dass sie Erwachsene nicht nervt», laut Eigenwerbung. Klingt gut. Ist sogar wahr. Im Gespräch, bei dem wir Männer fragen, was sonst nur Frauen gefragt werden, sprechen die beiden über ihre tickende biologische Uhr sowie fiese Kinder. Und sie erzählen, warum sie in ihren Songs «s Mami» dissen.
Dieses Gespräch wird als Doppelinterview geführt, auf euren Wunsch. Wahr also, dass Männer alles nur zusammen mit dem besten Freund machen?
Laurent Aeberli: Ich weiss gar nicht, ob wir beste Freunde sind (lacht).
Max Kämmerling: (Schweigt.)
Laurent: Nein, ernsthaft. Es macht Sinn, dass wir dieses Interview zu zweit geben. Sonst denken wieder alle, was ich sage, sei Laurent & Max. Dabei wäre das dann einfach Laurent von Laurent & Max.
Warum macht ihr Kinderlieder? Angst vor dem richtigen Rockstarleben?
Max: Angst würde ich nicht sagen. Es war ja nicht unsere erste Wahl.
Laurent: Genau, wir haben mit Kinderliedern angefangen, weil uns das Rockstarleben eine Absage erteilt hatte. Beim Lauter Festival musste ein Slot am Nachmittag besetzt werden – also sind wir eingesprungen. Halt mit Kinderliedern. (Sie sind Mitbegründer des Festivals, Anm. der Redaktion.) Wir hatten mehr Angst vor dem Nichts.
… als vor Kinderliedern?
Laurent: … als vor der Bedeutungslosigkeit.
Max: Und: Das ist schon Rockstarleben. Einfach zu anderen Tageszeiten.
Und Sirup statt Bier ist besser für die Figur?
Laurent: Sirup ist mehr bei den Kindern im Publikum angesagt.
Max: Bier am Nachmittag kann durchaus mal vorkommen bei uns. Ausser, wir müssen noch Auto fahren. Und nur in Massen. Ich glaube, das Rockstarleben heutzutage geht auch mit weniger Bier gut.
Das Rockstarleben ist vor allem weiblich. Wie ist es als Mann ausserhalb der Komfortzone?
Beide: (Stutzen kurz.)
Max: Ich muss mich schon manchmal zurückziehen. Wenn ich zum Beispiel an einem Festival spiele, brauche ich hie und da einen ruhigen Raum. Um ein bisschen Abstand zu kriegen von den lauten Frauengruppen.
Touché. Ihr seid beide Anfang 30 und macht seit über zehn Jahren Kindermusik. Sind Konzerte am Nachmittag eure Vorsorge, damit ihr potenziellen Nachwuchs pünktlich ins Bett bringen könntet?
Max: Gezielt geplant haben wir das nicht. Aber für die Vereinbarkeit sind diese Spielzeiten ein Vorteil, dessen bin ich mir inzwischen bewusst. Und meine Freundin sich auch. Insofern ja: Das ist meine potenzielle Vorsorge.
Laurent: Die biologische Uhr tickt wirklich mit Ü30. Ich mache mir Gedanken, ob ich Vater sein will. Und falls ja, in welchem Alter. Was ich weiss: Ich will nicht als alter Mann noch im Sandkasten stehen. Meine Freundin hat den gut bezahlten Job.
Schön, eine Frau zu haben, die so viel verdient, dass ihr ein Kinderlieder-Leben führen könnt.
Laurent: Absolut und ohne Ironie: Ja! Ich gebe offen zu: Ich bin gerne Hausmann. Ich putze und mache Wäsche und darf daneben Projekte realisieren, die ich richtig cool finde. Unser Deal: Meine Freundin zahlt mehr Miete, ich mache die Hausarbeit unentgeltlich. So bekommt meine Hausarbeit einen Wert – dafür muss ich aber auch wirklich sauber putzen. Und darf mir dann dafür auch mal eine neue Sonnenbrille leisten (lacht).
Max: Meine Freundin verdient auch mehr – dafür koche ich. Und zwar zeitlich so getimt, dass der Znacht auf dem Tisch steht, wenn sie von der Arbeit heimkommt.
Lasst uns über eure Texte sprechen. Auffällig oft singt ihr vom Mami. Weil es für das Kind wichtiger ist als der Papi?
Max: Wir versuchen, das Mami in der Gunst der Kinder zu pushen. Damit das Kind vor lauter Papi auch mal ans Mami denkt … Nein, ernsthaft: Wir übernehmen für unsere Lieder oft Vorlagen aus dem Englischen, von den Beatles über Miley Cyrus bis zu Billie Eilish. Und oft passt das Wort «s Mami» einfach besser als «de Papi», rein phonetisch.
Laurent: Wir machen seit 14 Jahren Kinderlieder. Wir sind mit Ü30 reflektierter als mit U20. Früher haben wir uns kaum überlegt, welche Message wir damit transportieren. Inzwischen ändern wir an Konzerten oft die Texte und singen vom «Papi» an Stellen, wo auf der CD noch «Mami» zu hören ist.
Max: Zu Beginn haben wir die Songs sehr intuitiv geschrieben, haben darin auch ein Stück weit unsere eigene Kindheit besungen. Über die Jahre haben wir gemerkt, dass wir damit den heutigen Kindern ein gewisses Bild vermitteln: Nämlich, dass eben nur das Mami anwesend ist. Heute finden wir, dass es sich lohnen kann, die Songs anders zu erzählen, als wir sie in unserer Biografie erlebt haben. Wir sind früher automatisch von Buben ausgegangen als Hauptfigur in den Songs, weil wir halt Jungs sind.
Mit Zeilen wie «Tschutte mit de Buebe» trefft ihr den Nagel auf den Kopf. Maitli können schon rein anatomisch nicht so gut tschutten …
Laurent: Das ist genau so ein Beispiel. Live singen wir inzwischen «Tschutte mit de andere». Wir haben gecheckt: Es ist doof von uns zu sagen, tschutte sei ein Buebe-Thema. Ein anderes Beispiel: Der Song «Zweierreihe» ist eine Liebesgeschichte. Wir erwähnen darin nicht, wer das lyrische Ich ist. Für die Zuhörer:innen ist dennoch ganz klar, da verliebt sich ein Junge in ein Mädchen. Es könnte aber auch eine Homo-Liebe sein … Da wird man als Songschreiber etwas enteignet.
Max: Wir mussten insofern umdenken, weil die Lieder schon alt sind und wir entscheiden mussten, wie wir an Konzerten mit ihnen und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Verantwortung umgehen wollen.
Laurent: Gerade Mütter weisen uns übrigens nach Konzerten manchmal darauf hin, dass wir hier alte Rollenbilder zementieren. Und einige enervieren sich, dass das Mami in den Songs gedisst wird.
Max: Aber: Wir bleiben immer auf der Seite der Kinder – die Eltern werden auch mal nicht nett dargestellt.
Laurent: Wir sind die Lobby der Kinder.
Stört es euch, dass eure Gage tiefer ist als die eurer Kolleginnen?
Laurent: (Sucht nach Worten.)
Max: (Kommt zu Hilfe, ganz BFF.) Wenn die Kolleginnen am gleichen Festival spielen wie wir und mehr verdienen, sind wir natürlich empört.
Werdet ihr häufig als Quotenmänner in einem Line-up gebucht?
Laurent: Wir sind mehr die Quotenkinderband.
Max: Ja, niemand will die Nachmittagsslots an einem Festival. Zeit vor Geschlecht also.
Wie kommt ihr als Männer eigentlich klar mit der Technik?
Laurent: Seit es uns gibt, pröbeln wir da rum.
Max: Zum Glück hat es an Festivals meistens eine Frau in einer wichtigen technischen Position, die uns alles erklären kann. Und das auch macht, auch ungefragt.
Laurent: Ich mag diese ungefragten Hilfestellungen von Frauen sehr. Oder auch wenn wir nicht für voll genommen werden mit unserem Wunsch nach mehr Tiefe auf dem Monitor, weil wir halt Männer sind.
(Sie kommen in Fahrt, werfen je noch einen Witz obendrauf. Die Interviewerin kann diese aber nicht wiedergeben, weil ein Töff vorbei rauscht und die Aufnahme unhörbar macht. Von wegen Technik …)
Was mich noch umtreibt: Wer von euch ist der «Hotte» und wer der «Lustige»?
Max: Auf der Bühne mache ich eher die Ansagen, Laurent ist eher still …
Laurent: … ich wirke dann vielleicht etwas dümmlich?
Max: … aber geheimnisvoll. Das zählt als sexy part. Also bin ich eher der Lustige.
Laurent: Aber wir haben beide mehrere sexy Outfits …
Max: Ja, ich habe heute extra dieses Hemd mit den Knöpfen angezogen, die leicht aufgehen. (Er reisst das Hemd auf, in Windeseile.)
Das ist vielleicht nicht die beste Idee vor den Kindern ... Wer macht euer Make-Up vor dem Auftritt?
Beide: (wie aus der Pistole geschossen:) Das machen wir selber!
Männer hinterfragen sich häufig, bevor sie etwas wagen. Keine Sorge, von den Kindern ausgelacht zu werden?
Laurent: Das wurden wir schon. (An Max:) Weisst du noch der Junge am «Äms Fäscht», der uns ausbuhte und uns lautstark die Daumen nach unten zeigte?
Max: Oh ja. Spannend finde ich, dass ich bei älteren Kindern, also etwa Sechstklässler:innen, manchmal für einen Moment echt wieder in eine Art ängstliche Teenager-Rolle zurückfalle. Und denke, oh nein, jetzt finden die das lächerlich, was wir hier machen. Augen zu und durch ist dann mein Rezept. Jugendliche sind Mobber. Kinder haben dagegen eine Art natürlichen Respekt vor uns, wohl allein deswegen, weil wir oben auf der Bühne stehen.
So, das wars. Wie wars?
Max: Anstrengend gut …
Laurent: Herausfordernd ungewohnt …