Laurin Krausz ist eines der erfolgreichsten Schweizer Models. Gemeinsam mit seiner Freundin Angeline hat er ein Unternehmen gegründet, das abgelaufene Lebensmittel rettet. Mit uns spricht er er über Body Shaming, seinen Kinderwunsch und wie viel Zeit er vor dem Spiegel verbringt.
Wir fragen Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven.
Du siehst ja gut aus, aber kannst du auch was?
Mit 17 Jahren habe ich angefangen zu modeln, und ich musste nicht viel können. Gut aussehen hat gereicht. Du modelst, bist nicht Schauspieler, nicht Sänger oder Tänzer. Du stehst einfach vor der Kamera und siehst gut aus. Das ist jetzt nichts, worauf ich sonderlich stolz bin.
Jetzt bist du aber sehr bescheiden …
Naja, beim Modeln macht man halt wirklich nicht viel. Aber ich mache ja auch noch ein paar andere Dinge: Ich habe Wirtschaft an der Uni studiert und gemeinsam mit Angeline SECEND gegründet. Uns war es immer wichtig, etwas Richtiges zu machen. Etwas Gutes, das uns Freude macht. Ich würde also schon sagen, ich kann etwas (lacht).
Das ist ja ganz nett, dass du noch so einen Antrieb hast. Ich möchte aber noch ein bisschen bei deinem Aussehen bleiben. Ihr Männermodels müsst euch ja einiges anhören. Wie bist du so mit dem Bodyshaming klargekommen?
(Überlegt.) Als Mann wird man damit sicher viel weniger konfrontiert als eine Frau. Natürlich braucht man gewisse Masse. Aber es gab dünnere, breitere, manche mit mehr und manche mit weniger Muskeln. Das war alles ok. Aber dass man als Model grundsätzlich immer nur oberflächlich angeschaut wird, das macht schon was mit einem.
Was hat es mit dir persönlich gemacht?
Ich habe viel mehr Wert auf Äusserlichkeiten gelegt. Ob man einen Job kriegt oder nicht, hat nichts mit der eigenen Persönlichkeit zu tun, sondern nur mit dem Aussehen. Also probiert man, in diese Form reinzupassen. Ich würde sagen, ich konnte das recht gut handeln. Derzeit ändert sich die Branche gerade: Die Persönlichkeit des Models wird wichtiger. Das hat auch mit Social Media zu tun.
Interessant. Hast du eine solche Persönlichkeit, solche inneren Werte?
Die inneren Werte sind sehr viel wichtiger. Mein Aussehen hat aber definitiv einen Einfluss auf andere Menschen. Gerade als Model habe ich das oft gespürt. Mein Äusseres hat sicher mehr Stellenwert als das anderer.
Wie oft erlebst du Catcalling? Und traust du dich, dich da zu wehren?
Also jetzt bei mir, wenn mich jemand catcalled?
Genau, anzügliche Sprüche, Pfiffe, das gehört bei euch schönen Männern ja dazu.
Das passiert sehr, sehr selten. Ich würde sagen, eher noch im Ausgang und sogar eher noch von Männern. Frauen machen das praktisch nie, ausser sie sind sehr selbstbewusst. Als Mann erfährst du das so selten, dass du Catcalling sogar als Kompliment auffasst. Darum machen das, glaube ich, so viele Männer, weil sie das Gefühl haben, das ist ein Kompliment. Bei Frauen kommt Catcalling einfach so viel vor, dass es sehr unangenehm werden kann. Männer machen diese Erfahrung viel weniger. Deshalb wird es wohl auch als nicht so schlimm angesehen.
Wie viel Zeit verbringst du so vor dem Spiegel?
Mmh … Ich würde sagen, wenn ich aus dem Haus gehe und mich richtig parat mache, brauche ich 20 Minuten.
Jetzt untertreibst du aber …
Als Mann fällt ein grosser Teil weg, weil man sich nicht schminkt. Ich creme mein Gesicht ein und mache meine Haare. Fertig. Heute morgen habe ich zum Beispiel noch nicht mal geduscht (lacht).
Sieht man dir gar nicht an. Sag mal, musst du dich eigentlich mehr beweisen, weil du attraktiv bist?
Ich würde sagen, dass attraktive Männer das weniger müssen als Frauen. Wenn du als Frau attraktiv bist, gibt es immer Männer – und auch Frauen –, die dich einfach anders behandeln. Das spüren Angeline und ich auch, seit wir SECEND gegründet haben. Manche Leute dachten sicher: Oh, da kommt ein Modelpaar, das etwas aufbauen möchte. Die können eh nichts. Vor solchen Leuten mussten wir uns schon teilweise beweisen. Aber ich glaube nicht, dass unser Aussehen nur ein Nachteil ist. Es hat auch Vorteile.
Du bist inzwischen 30, kannst du deinen Kinderwunsch noch unterdrücken?
Entschuldigung, nochmal? Ach so, den von uns als Paar (lacht). Ja, den kann ich schon noch unterdrücken. Wir sehen das beide recht ähnlich. Es ist eher ein Thema für die Zukunft. Stand jetzt haben wir sehr viel zu tun und geniessen unsere Freiheiten und Hobbys. Da wäre ein Kind sehr einschneidend.
Und wenn du mal Vater bist, möchtest du dann noch berufstätig sein?
Ja bestimmt. Viel bessere Voraussetzungen für ein Kind könnten wir nicht haben. Wir beide arbeiten von zu Hause aus. So sind wir nicht an einen Ort oder an Zeiten gebunden. Wir könnten uns aufteilen, wie wir wollen. Ich denke, wir würden das ziemlich 50:50 machen.
Sollte es Männern denn ermöglicht werden, eine CEO-Karriere und Kinder zu haben?
(Lacht.) Natürlich sollte man ihnen diese Freiheit geben. Aber ich glaube, CEO zu sein und sich gleichzeitig um ein Kind zu kümmern, ist unmöglich. Wenn du CEO einer Firma bist, ist diese Firma dein Baby. Vielleicht könnte man sich die Position in einem solchen Fall teilen, als Co-CEOs. Da muss man Prioritäten setzen und einen Job suchen, bei dem es möglich ist, Kind und Karriere zu vereinen.
Viele CEOs haben aber Kinder. Wie, denkst du, bringen die Job und Familie unter einen Hut?
Da man in dieser Position meistens sehr gut verdient, ist es viel einfacher, Unterstützung zu holen. Das kann in Form einer Nanny oder Kita sein. Oder der/die Partner:in arbeitet Teilzeit und kümmert sich um die Familie.
Warum hast du denn eigentlich als Mann ein Unternehmen gegründet – normalerweise ist das ja Frauensache?
Angeline und ich haben das zusammen gemacht. Die Idee kam von mir. Aber gegründet haben wir gemeinsam ... (unsicher). Aber ich bin mir nicht sicher, wie es statistisch aussieht, sind es wirklich mehr Frauen als Männer, die eine Firma gründen?
Eben nicht. Es sind mehr Männer. Das ist die Ironie der Frage.
Bist du eigentlich der Mann im Hintergrund, der Angeline den Rücken freihält?
Ja, das mache ich sicher. Aber sie hält auch meinen Rücken frei. Ich kann mir gut vorstellen, dass es diese Frauen- und Männerrollen in Unternehmen gibt. Lustigerweise treffen gewisse Stereotypen bei uns genau zu. Ich kümmere mich beispielsweise um die Finanzen (lacht).
Spannend. Mit wie vielen Investorinnen hast du denn geflirtet, um Kapital für dein Start-up zu bekommen?
(Hält inne.) Das habe ich jetzt nicht verstanden, es hat grad gestoppt.
Kein Problem. Ich wollte wissen, mit wie vielen Investorinnen du geflirtet hast, um Kapital für dein Startup zu bekommen?
(Kurz perplex.) Lustigerweise haben wir kein Kapital aufgenommen, weil wir komplett bootstrapped sind, also selbst finanziert. Aber ja, was soll ich sagen, es ist nicht unbedingt Flirten. Wenn du als Mann eine Person nicht herumkriegst, mit dir zu arbeiten, ist Flirten schwierig. Es geht mehr darum, dass man sympathisch ist und gut mit Leuten reden kann. Aber bis jetzt habe ich mit niemandem geflirtet, um weiterzukommen.
Und wie teilt ihr denn die Einnahmen bei SECEND auf?
Das ist 50:50 bei uns. Wir haben alles zusammen gegründet und allen Gewinn, den wir jetzt auszahlen können, teilen wir uns gleichmässig auf. Das ist gar keine Frage.
Wie vorbildlich. So, du hast es überstanden. Wie ist es dir so ergangen bei diesen Fragen?
Während meiner Modelkarriere bekam ich oft solche Fragen gestellt. Im Rahmen von SECEND eher weniger. Es beleidigt mich auf jeden Fall überhaupt nicht oder geht mir zu nahe oder so.
Du kannst dich also gut abgrenzen?
Ja, irgendwie schon. Im Modelbusiness gab es schon echt komische Leute (schmunzelt). Entweder du machst da mit oder nicht. Mir fällt das nicht sehr schwer. Dank SECEND hat das Modeln gar keinen grossen Stellenwert mehr für mich.
Da hast du mit SECEND also etwas Neues gefunden für dich?
Ja, zum Glück (lacht). Ich war zehn Jahre lang hauptberuflich Model und habe viele tolle Sachen erlebt und erfahren. Aber mittlerweile bin ich aus diesem Alter raus und einfach froh, ein Zuhause zu haben, ohne ständig unterwegs zu sein. Dazu ist es schön, mit SECEND etwas Gutes aufzubauen und Leute um mich herum zu haben, die die gleiche Vision verfolgen wie ich.