Arbela Statovci war erfolgreiche Unternehmerin, als eine schwere Diagnose alles änderte. Wie sich ihr Verhältnis zu Geld seither verändert hat, erzählt sie im Money Talk.
Welche Beziehung hast du zu Geld?
Geld ist für mich eine Art Hassliebe. Geld ist mir wichtig, um mich sicher und frei zu fühlen. Trotzdem war mein Ziel nie, eines Tages viel Geld zu haben.
Wie ist dein Umgang mit Geld?
Ich war nie wirklich eine Sparerin. Im Gegenteil. Ich habe mein Geld immer ausgegeben: für gutes Essen, für Ausbildungen, für Reisen, für meine Familie und Freunde.
Du arbeitest heute als Angestellte in der Finanzbranche. Da muss dich Geld doch irgendwie interessiert haben, oder?
Lustigerweise hat mich Geld nie wirklich interessiert, und ich wollte auch nicht unbedingt in der Finanzwelt tätig sein. Ich wollte immer etwas Kreatives machen. Als ich vor einigen Jahren mein erstes eigenes Unternehmen gegründet habe, hat sich das verändert. Ich musste mich mit Finanzfragen und dem Unternehmertum befassen.
Was war das für ein Unternehmen?
Ich habe mit einer Studienkollegin zusammen ein Food-Start-up gegründet, das gesundes Essen liefert. Wir haben uns dabei auf drei Zielgruppe fokussiert: jene, die in Form bleiben wollen; jene, die Muskelmasse aufbauen wollen; und jene, die abnehmen wollen. Wir haben dabei mit vielen Vereinen und Unternehmen zusammengearbeitet. Das haben wir fünf Jahre lang gemacht. Danach haben wir uns aufgrund von verschiedenen Visionen getrennt, und ich bin aus dem Unternehmen raus. Das war natürlich etwas schade, aber ich habe extrem viel gelernt.
Wie ging es weiter?
Ich bin dann zum Institut für Jungunternehmen und habe mich anschliessend in der Beratung von Jungunternehmer:innen selbstständig gemacht. Und da habe ich leider selbst einen Fehler in Sachen Versicherungen gemacht, der für mich aufgrund meiner Diagnose dann sehr einschneidend war.
Du sprichst von deiner Brustkrebsdiagnose?
Ja, genau. Ich bekam die Diagnose vor zwei Jahren und bin inzwischen wieder gesund. Wenn man das so sagen kann. Ich bin noch an zahlreichen Nachbehandlungen dran, weil der Krebs bei mir relativ weit fortgeschritten war. Die Wahrscheinlichkeit, dass er zurückkommt, ist relativ hoch. Ich werde die Nachbehandlungen deshalb wohl noch die nächsten zehn Jahre fortführen müssen. Aber ich bin sehr positiv eingestellt – das war ich auch während der Behandlung. Ich habe auch mit der Arbeit immer weitergemacht.
Warum das?
Einerseits hat es mir psychisch geholfen, weiterzuarbeiten. Andererseits hatte ich finanziell keine andere Wahl. Eben weil ich mit Beginn meiner Selbstständigkeit diesen Fehler gemacht hatte: Ich hatte noch keine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen, wollte mich aber drum kümmern. Und dann kam plötzlich diese Diagnose.
Das heisst, du wärst von einem Tag auf den anderen ohne Einkommen dagestanden?
Ja, ich hatte zwei Optionen: Entweder ich arbeite irgendwie weiter, trotz Krebsbehandlung, oder ich gehe zum Sozialamt. Ich sass weinend auf dem Sofa und war so wütend auf mich selbst, dass ich diese Versicherung nicht früher abgeschlossen hatte.
Wie hast du dich entschieden?
Ich ging nicht zum Sozialamt. Ich hatte Erspartes, das inzwischen fast aufgebraucht ist, und habe weitergearbeitet.
Ich stelle mir das wahnsinnig anstrengend vor, unter einer so starken Behandlung.
Das war es auch. Aber ich konnte alles gut einteilen. Ich hatte einen Drei-Wochen-Zyklus mit der Chemotherapie. Ich habe die Therapien immer auf Freitag gelegt, damit ich mich übers Wochenende erholen konnte und spätestens ab Dienstag wieder arbeitsfähig war. Ich habe voll von zu Hause aus gearbeitet und meine Kund:innen nur virtuell getroffen. Und so kam ich durch.
Musstest du in irgendeiner Form Geld für deine Behandlung bezahlen?
Nein, die gesamte Behandlung war von der Grundversicherung gedeckt. Zusätzliche Behandlungen wie Akupunktur waren durch die Zusatzversicherungen abgedeckt.
Weisst du, wie viel die ganze Behandlung gekostet hat?
Die Kosten für die Chemotherapie, die Bestrahlung und die Operationen beliefen sich ungefähr auf 250'000 bis 300'000 Franken. Das ist sehr viel Geld. Ich komme ursprünglich aus dem Kosovo. Nach meiner zweiten Chemotherapie bin ich dorthin gereist und habe einen Verein gegründet, der Geld sammelt für Menschen, die an Krebs erkranken. Einfach deshalb, weil das Gesundheitssystem im Kosovo nicht so ist wie in der Schweiz und den Menschen das Geld für teure Behandlungen fehlt.
Gibst du heute mehr Geld für deine Gesundheit aus als früher?
Jein. Ich habe schon früher einiges in meine Gesundheit investiert. Ich litt an Endometriose, habe eine Laktose- und eine Glutenintoleranz. Gesunde Ernährung war für mich darum immer wichtig, und dafür gebe ich auch gerne Geld aus. Das hat seit der Krankheit sicher noch etwas zugenommen. Aktuell investiere ich wohl rund zehn Prozent meines Einkommens in meine Gesundheit – also in gesundes, frisches Essen, in Sport und in Dinge, die meinem Körper guttun.
Hat die Krankheit dein Verhältnis zu Geld verändert?
Ja, schon etwas, und es stört mich ehrlich gesagt. Ich war früher eher ein Mensch, der Geld ausgegeben oder investiert hat, zum Beispiel in Ausbildungen. Durch die Krankheit bin ich viel vorsichtiger und sparsamer geworden.
Das ist spannend, irgendwie hätte ich jetzt das Gegenteil erwartet.
Ja, ich habe einen innerlichen Clinch. Ein Teil in mir sagt: Lebe dein Leben und geniess es. Du hast schon so viele schlimme Dinge erlebt in deinen jungen Jahren, du hast es verdient, das Leben einfach zu geniessen. Ein anderer Teil sagt: Du musst dich finanziell absichern, für den Fall, dass du wieder krank wirst. Du brauchst Geld auf deinem Sparkonto, über das du jederzeit verfügen kannst. Dieser Teil überwiegt momentan. Und das stört mich.
Warum?
Weil Geld auf dem Sparkonto überhaupt nichts bringt. Das liegt da ja nur rum. Aber es gibt Sicherheit. Ich versuche, mit mir selbst einen Kompromiss zu finden: Ein paar tausend Franken liegen auf dem Sparkonto, damit ich im schlimmsten Fall einige Monate überbrücken könnte, und den Rest gebe ich aus oder investiere ich. Aktuell tue ich mich aber noch etwas schwer damit.
Ich würde gerne noch mit dir über deine Vergangenheit in Bezug auf Geld reden. Wer hat mit dir als Kind über Geld gesprochen?
Mein Vater hat mit mir sehr viel über Geld gesprochen. Er ist ein sehr sicherheitsliebender Mensch und ein Sparer. Als meine Eltern aus dem Kosovo in die Schweiz migrierten, hatten sie praktisch nichts. Mein Vater hat mit 30 Jahren und drei kleinen Kindern noch mal eine Lehre angefangen. Wir mussten als Familie also sehr aufs Geld achten.
Gibt es einen Leitsatz, den dir dein Vater mitgegeben hat?
«Ihr müsst für euer Geld arbeiten. Je härter ihr arbeitet, umso eher kommt ihr an Geld, und wenn ihr Geld habt, seid ihr unabhängig.» Es war ihm vor allem wichtig, dass ich und meine zwei Schwestern das beherzigen. Dieser Glaubenssatz hat sich bei mir eingebrannt. Und manchmal hadere ich heute damit.
Wie meinst du das?
Bei mir hat sich eingebrannt: Dein Wert als Person hängt von deiner Leistung ab. Je mehr ich leiste, desto wertvoller bin ich. Ich weiss natürlich inzwischen rational, dass das nicht stimmt. Aber dieser Glaubenssatz sitzt sehr tief und macht mir das Leben schon manchmal schwer. Ich versuche darum, ihn etwas zu entkräften, weil ich nicht von dieser Idee gesteuert werden will.
Wie gelingt dir das?
Mal besser und mal weniger gut. Aber ich bin schon sehr froh, dass mir bewusst ist, dass ich so funktioniere. Das hilft schon mal.
Was wünschst du dir für deine finanzielle Zukunft?
Ich wünsche mir, dass ich immer genug Geld habe und nicht jeden Rappen umdrehen muss. Ich möchte nicht enorm viel verdienen, aber so viel, dass ich ein gutes Leben leben und mir Ferien und schöne Erlebnisse leisten kann. Und ich möchte etwas Geld für meine Eltern und Geschwister übrig haben.