Über Geld spricht man nicht? Falsch. Im Money Talk tun wir genau das. Wir wollen damit einen Dialog über Lohn, Reichtum, Armut, Ungleichheit und Finanzen lostreten. Heute mit Franziska Iselin vom Softwareunternehmen bexio.

Wie ist es, über alle Löhne im Unternehmen Bescheid zu wissen? Wie Franziska Iselin mit Lohnungleichheit umgeht und warum sie kurz vor dem Fall der Credit Suisse noch in deren Aktien investierte, sagt sie im Moneytalk.

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Finanzieller Hintergrund
Alter: 42
Beruf: Mitglied der Geschäftsleitung, verantwortlich für alle Umsätze
Einkommen: im mittleren sechsstelligen Bereich
Schulden: Hypothek
Grösster Ausgabeposten: mein Hund und meine zwei Katzen
Vermögen: ein Einfamilienhaus, und einen sechsstelligen Betrag auf dem Bankkonto

Du arbeitest seit zehn Jahren beim Softwareunternehmen bexio, also seit dessen Anfängen… Jetzt will sich bexio mehr an Frauen richten. Warum?

Wir wollten seit dem Start von bexio Frauen und Männer ansprechen. bexio ist für alle Geschlechter relevant. Um die Vielfalt unserer Zielgruppe noch besser zu widerspiegeln, möchten wir nun gezielt Frauen im Business ansprechen und dabei unterstützen, sowohl unternehmerisch erfolgreich zu sein als auch ihre finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen.

Ändert sich für dich damit etwas? 

Ich bin für den ganzen Kundenbereich zuständig, vom Vertrieb bis zum Kundendienst. Da ändert sich nichts. Im Marketing und in der Kommunikation zeigen wir bewusst Erfolgsgeschichten auf unserer Website, um Frauen im Business gezielt anzusprechen. 

bexio regelt die Administration für Unternehmen, wie Rechnungen  erfassen und die Buchhaltung. Haben Frauen andere Erwartungen an den Service als Männer?

Aus meiner Erfahrung: Frauen wollen Geschäftsprozesse sehr genau machen. Sie sind sich bewusst, dass es sehr wichtig ist, von Anfang an eine Buchhaltungslösung zu haben, damit ihr Business auch erfolgreich wird.

Du bist bei bexio als Chief Revenue Officer (CRO) angestellt. Hast du eine grosse finanzielle Verantwortung in dieser Position?

Ja. Es geht darum, Umsätze zu schreiben, Kunden zu gewinnen und zu behalten, so dass wir das Unternehmen finanziell tragen und nachhaltig ausrichten können.

Wie gehst du mit dieser Verantwortung um? 

Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst und kann damit umgehen. Ich habe Vertrauen in das ganze Leadership-Team und alle Mitarbeitenden. Natürlich bringt Verantwortung auch Druck mit sich, aber damit kann ich umgehen.

Du führst sieben Mitarbeitende direkt, leitest eine Abteilung mit 80 Mitarbeitenden, bist für das Kundengeschäft zuständig, sowie Teil der Geschäftsleitung. Was fasziniert dich an deinem Job?

Die Vielfältigkeit meiner Tätigkeit, und das Unternehmen für die Zukunft  auszurichten. Ich habe ein grossartiges Team. Es ist immer etwas los. Als ich mich damals für bexio entschied, sagte ich mir bewusst: Das ist ein Startup, da verdiene ich erstmal nicht das grosse Geld, aber es macht Spass. Heute verdiene ich mehr Geld, und Spass macht es immer noch.

Hört der Spass dort auf, wo es um Geld geht, zum Beispiel bei Lohnverhandlungen? 

Nein. Ich finde, gerade in einem gesunden, offenen Umfeld lässt sich auch über Löhne sprechen und konstruktive Verhandlungen führen. Für mich persönlich war und ist es wichtig, dass ich Freude an meiner Arbeit habe. Wenn sich diese Arbeit auch finanziell positiv widerspiegelt, umso besser. Das ist bei bexio der Fall.

Sind Lohnverhandlungen für dich eine Herausforderung?

(Lacht.) Mit den Mitarbeitenden ist das manchmal eine Herausforderung. Man hat ein anderes Bild von der Situation oder der Person, oder die Person schätzt sich selber anders ein. Dann gibt es manchmal ein Seilziehen.

Franziska Iselin
Bevor ich sein Dokument öffnete, fragte ich mich selbst: Will ich es wirklich wissen, schwarz auf weiss?

Wer gewinnt es?

Niemand. Oder besser gesagt: beide Seiten. Es geht nicht darum, wer stärker zieht, sondern darum, dass man sich in der Mitte trifft. Mein Ziel ist es, eine Lösung zu finden, die für beide Seiten stimmig ist. Wenn sich jemand fair behandelt fühlt, ist das langfristig viel wertvoller als ein kurzfristiger Sieg im Seilziehen. 

Kannst du deinen eigenen Lohn gut verhandeln?

Ich habe Lohnverhandlungen selten als schwierig empfunden. Ich bin immer so vorbereitet, dass ich aufzeigen kann, weshalb ich mich für eine Lohnerhöhung empfehle. 

Siehst du einen Unterschied darin, wie du den Lohn der Mitarbeitenden oder mit der Geschäftsleitung deinen eigenen Lohn verhandelst?

Eigentlich ist es das Gleiche. Meinen eigenen Lohn verhandle ich immer faktenbasiert. Ich bin auf das Gespräch vorbereitet und lege meine Fakten dar. Ähnliche Erwartungen habe ich an meine Mitarbeitenden, die ihren Lohn mit mir verhandeln wollen. Wenn das jemand nicht macht, gebe ich gerne den Tipp, gut vorbereitet zu sein. Bei bexio haben wir inzwischen Lohnbänder, die Orientierung geben. Das hilft beiden Seiten, den Lohn transparent und fair zu gestalten.

Hast du schon einmal Lohnungleichheit erlebt?

Ja. In der Vergangenheit hatte ein Mann in meinem damaligen Job eine ähnliche Position wie ich. Er verdiente aber viel mehr. 

Wie hast du das herausgefunden?

Ich hatte Zugriff auf alle Lohndaten. Bevor ich sein Dokument öffnete, fragte ich mich selbst: Will ich es wirklich wissen, schwarz auf weiss? Wenn ich es öffne, muss ich damit umgehen können, selbst wenn ich es als unfair empfinde. Es darf mich nicht so sehr beschäftigen, dass ich eine schlaflose Nacht habe. Das gelang mir ganz gut. Unfair fand ich es trotzdem.

Was hast du aus dieser Erfahrung mitgenommen?

Mir persönlich war und ist es wichtig, dass der Lohn fair ist. Ich gebe den Mitarbeitenden heute auch Tipps: Wie bereitet ihr euch vor, nennt eure Erfolge. Positioniert euch gut in solchen Gesprächen, dann könnt ihr viel gewinnen. Ich selber schaue, dass der Lohn der Mitarbeitenden fair ist. 


Korreliert der Lohn für dich mit Wertschätzung?

Ein Stück weit schon. Ich finde, man soll für gute Leistungen und wenn jemand den Job gern macht und engagiert ist, entsprechend Lohn bekommen. 

Gehen wir einen Schritt weiter: Was hast du privat für ein Verhältnis zu Geld?

(Lacht.) Ein ganz entspanntes. Geld ist bei mir nicht das Thema Nummer eins. Es ist ein Mittel zum Zweck. Man braucht es zum Leben.

Was für Assoziationen verbindest du mit dem Thema Geld?

Unabhängigkeit und Selbstständigkeit. Gewisse Sorgen hat man durch Geld nicht. Wenn ich mir vorstelle, jeden Tag überlegen zu müssen, ob das Geld noch reicht, würde ich weniger entspannt durchs Leben gehen. Man muss eine gewisse finanzielle Basis haben. 

Wurde dein Verhältnis zu Geld durch deinen Beruf beeinflusst?

Meine Einstellung zu Geld hat sich nicht verändert durch meinen Job. Ich habe schon früh gelernt: Wenn du dir etwas leisten willst, ob es schöne Ferien sind oder eine teure Handtasche, dann musst du etwas dafür tun, um dir das zu finanzieren. Das sehe ich auch heute noch so. 

Franziska Iselin
Wenn du dir etwas leisten willst, ob es schöne Ferien sind oder eine teure Handtasche, dann musst du etwas dafür tun, um dir das zu finanzieren.

Kannst du gut mit Geld umgehen? 

Ja. Ich bin aber niemand, der sich Haushaltsbudgets macht und jede Quittung aufbewahrt. Ich kenne meine Kontostände, ich weiss ungefähr, was ich ausgegeben habe. Ich kann mich auch gut mal zurückhalten, etwas nicht zu kaufen, was nicht sein muss.

Hast du bestimmte Wünsche, was du dir irgendwann leisten können möchtest?

(Lacht.) Ja. Ich habe mir bereits ein Haus leisten dürfen. Mir geht es finanziell sehr gut, ich konnte sehr vieles realisieren. Das finde ich toll und macht mich stolz. Ich würde gerne mehr Geld spenden. Für den Tierschutz stelle ich mir vor, in Zukunft ein Projekt zu machen. 

Was für eines?

Aktuell unterstütze ich Tierschutzprojekte vor allem finanziell. Mein Wunsch ist es aber, mich auch persönlich einzubringen. Ich würde gerne eine Woche im Tierheim in Spanien mitarbeiten, aus dem mein erster Hund stammt. Besonders beeindrucken mich Menschen, die selbst auf vieles verzichten, um anderen Menschen oder Lebewesen ein besseres Leben – oder überhaupt ein Leben – zu ermöglichen. 

Hast du Angst davor, irgendwann zu wenig Geld zu haben und deinen Lebensstandard anpassen zu müssen?

Nein. Wenn ich diesen Job nicht mehr hätte, oder gar keinen und auf der Suche wäre, dann wäre ich offen, etwas ganz Anderes zu machen. Ich sass auch schon zwei Monate lang im Detailhandel an der Kasse. Es hat total viel Spass gemacht und ich verdiente Geld. Das bereitet mir keine Sorgen. 

Franziska Iselin
Ich kaufte Credit-Suisse-Aktien kurz vor deren Übernahme. Das hat mich gelehrt. Ich habe nicht gerade wieder investiert.

Sparst oder investierst du?

Ich spare zum grössten Teil. In wenige Sachen investiere ich. Ich kaufte Credit-Suisse-Aktien kurz vor deren Übernahme. (Lacht.) Ich glaubte daran, dass sich die Credit Suisse erholen würde. Das war nicht der Fall. Es war nicht tragisch für mich, aber es war im Nachhinein nicht besonders smart. (Lacht.) Das hat mich gelehrt. Ich habe nicht gerade wieder investiert, sondern habe mein Geld vorerst auf dem Sparkonto. Aber das ist so mit Aktien. Es kann sich immer in alle Richtungen entwickeln.

Wie viel Geld hast du durch den CS-Crash verloren?

Rund 10'000 Franken.

Was für einen Geld-Tipp möchtest du der nächsten Generation mitgeben?

Es ist wichtig, sich frühzeitig Gedanken zu machen. Wie sieht meine Zukunft aus, wo möchte ich hin? Wenn man einen Traum vom Eigenheim hat, sollte man früh zu sparen anfangen und den Vollbetrag in die 3. Säule einzahlen. Auch Überlegungen zur Altersvorsorge sind wichtig. Das Geld kommt nicht einfach so. Man muss auch etwas dafür tun. Und wenn man dabei auch noch Spass hat, umso besser.

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