Wie hiesst du eigentlich vor der Heirat?
Markus Somm, korrekt: Markus Paul Somm. So nannte ich mich aber nur im Gymi, aus einer Marotte heraus. Allerdings ist Paul auch ein schöner Name.
Ah, du hast den Namen deiner Frau nicht angenommen? Sehr emanzipiert.
Ja, meine Frau hat ihren Namen auch behalten. Das war gar kein Thema.
Heiraten ist ja voll en vogue. Würdest du wieder heiraten?
Ja.
Warum?
Ich finde es sehr wichtig, Beziehungen sehr verbindlich einzugehen. Gerade in einer Welt, die sehr volatil ist, empfinde ich es als wertvoll, wenn man gemeinsam sagt: Das binden wir fest, das muss halten.
Bist du eigentlich der, der deiner Frau den Rücken freihält?
Nein, das würde ich so nicht sagen. Wir waren beide immer berufstätig. Wir haben uns stets gegenseitig beraten. Meine Frau würde sicher behaupten, sie habe mir den Rücken mehr freigehalten als umgekehrt – was unter dem Strich sicher zutrifft.
Wie viele Kinder habt ihr eigentlich?
Fünf. Sophie, Max, Paula, Marie und Hans.
Fünf Kinder! Grundgütige Göttin! Verhütung, war das nie ein Thema?
Doch, wir wissen, wie das geht. Wir haben alle fünf Kinder bewusst bekommen. Wir haben nach jedem Kind gedacht, dass noch eins doch schön wäre. Eine grosse Familie ist unglaublich schön.
In Spanien sagt man ja: Familia Catolica. Bist du?
Ich bin tatsächlich katholisch aufgewachsen, katholischer Vater, reformierte Mutter, bin aber mit 20 aus der Kirche ausgetreten. Das war meine erste politische Handlung. Erst dann erfolgte der Beitritt zur Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA). Wenn ich heute wieder in eine Kirche eintreten würde, dann wäre es eine calvinistische.
Warum denn das?
Ich habe ein Faible für die Puritaner. (Steht auf und zeigt der Journalistin ein Bild der englischen Pilgerväter, die der Mayflower nachsehen, die nach Europa zurücksegelt). Die haben alles zurückgelassen, um neu anzufangen. Das macht mir noch heute Eindruck.
Nach was sehnst du dich?
Ich habe alles oder es ist in Griffweite. Ich bin wunschlos glücklich. Vielleicht würde ich gerne noch einen Roman schreiben. Es wird nie dazu kommen.
Wie hast du dich während der Schwangerschaften gefühlt?
(Lacht.) Gute Frage. Ich habe mich überhaupt nicht speziell gefühlt.
War dir oft schlecht?
(Lacht jetzt laut.) Nie! Ich hatte eher das Phänomen, dass ich wusste, dass bei meiner Partnerin körperlich viel passiert – und bei mir nichts. Beim ersten Kind betreibt man ja noch einen Riesenaufwand. Da nahmen wir an einem Geburtskurs teil und haben geübt, wie man gemeinsam atmet. All das Zeugs, was man bei der Geburt nachher natürlich nie anwendet , weil alles anders läuft als erwartet. So etwas haben wir bei den anderen vier Kindern dann natürlich nicht mehr gemacht.
Hast du seit den Geburten dein Ursprungsgewicht von vorher wieder erreicht?
(Überlegt und schmunzelt.) Das ist so lange her. Ich habe zugenommen, aber daran sind nicht die Geburten schuld.
Sondern?
Bis ich 50 war, hat sich mein Gewicht nie verändert. Aber ab danach änderte sich wohl mein Stoffwechsel und dann habe ich gleich weiter gegessen und voilà. Aber eins scheint mir wichtig: als Mann ist eine Schwangerschaft wirklich kein körperliches Ereignis.
Ein mentales?
Mit dem ersten Kind verändert sich das Leben komplett. Sobald das Kind da ist, wird es nie mehr so sein wie vorher. Das ist ein riesiger Einschnitt. Als dieser neue Mensch da war, da erfasste einem plötzlich diese beständige Angst. Bevor ich Kinder hatte, war es mir doch eher gleichgültig, ob ich plötzlich sterbe. Heute darf niemand von uns sterben. Mit den Kindern fängt eine Art Ernst des Lebens an. Es ist eine der zentralen Erfahrungen als Mensch. Es ist eine unglaubliche Verantwortung. Ich will alles Böse, alles Gefährliche vom Kind abwenden. Ein schlimmes, ein schönes Gefühl. Jeden Tag spüre ich, wie unendlich wichtiger es mir ist, dass meine Kinder überleben. Mein eigenes Leben ist insofern zweitrangig geworden. Es braucht mich, weil meine Kinder mich brauchen.
Mit dem ersten Kind verändert sich das Leben komplett. Sobald das Kind da ist, wird es nie mehr so sein wie vorher. Das ist ein riesiger Einschnitt.
Wie rasch bist du nach der Geburt wieder in den Job eingestiegen?
Das war ungefähr nach zwei Wochen. Ich habe Ferien bezogen und Anita, meine Frau, hat sechs Monate ausgesetzt, bald nur noch vier Monate, es fiel ihr die Decke auf den Kopf.
Wie viel Prozent bist du wieder eingestiegen nach der Geburt?
Ich 80 und Anita 60 Prozent. Einen Tag fand ich richtig, um gleichzeitig im Job zu bleiben, während es Anita wichtig war, die Kinder zwei Tage zu betreuen. Wir fällten diesen Entscheid im Konsens. Was die Betreuung anbelangt, kennen wir alles, das ganze Programm: Au Pair, Nanny und Krippe und alles hatte seine Vor- und Nachteile.
Ist dir der Job wichtiger als die Familie?
Nein, beides gleich wichtig. Obwohl… (überlegt): Wenn ich ehrlich bin, ist mir die Familie wichtiger. Wenn ich jetzt an den Nebelspalter denke - das Projekt kann scheitern, das wäre schlimm, und trotzdem unendlich viel weniger schlimm, als wenn einem meiner Kinder etwas widerführe.
Wenn ich ehrlich bin, ist mir die Familie wichtiger.
Hast du schon mal einen Kindergeburtstag verpasst?
(Überlegt sehr lange und fasst sich dabei an die Nase.) Da bin ich nicht sicher. (Hm, überlegt nochmals eine ganze Weile). Ich habe fünf Kinder, kann schon mal sein. (Denkt nochmals nach, die Frage scheint ihn zu beschäftigen). Nein, ich glaube wirklich nicht. Aber ich habe auch noch nie einen Geburtstag meiner Frau verpasst. Aber den Hochzeitstag, den vergessen wir regelmässig.
Extra?
Nein, wir haben das als Ritual, den zu feiern, irgendwie nie so richtig eingeführt.
(Wir sind in der Zwischenzeit beim zweiten Kaffee angekommen, den die Sekretärin serviert). Wurdest du schon einmal am Arbeitsplatz diskriminiert?
Nein.
Hast du schon Lohnungleichheit erlebt?
Ja, ich glaube, als ich beim Tagi anfing, da hat mich der Thomas Biland runtergedrückt. Da habe ich wohl schlecht verhandelt. Es gibt Leute, die verhandeln gut und andere schlecht. Ich konnte das nie gut. Weisst du: Diskriminierung ist ein grosses Wort. Jeder erlebt wohl einmal, dass er ungerecht behandelt wird, weil irgendjemandem etwas nicht passt, wofür man steht. Aber das hat mir nicht nur geschadet. Ich streite darüber auch manchmal mit meiner Frau. Sie findet, Frauen werden schlechter behandelt, und gewiss kam das systematisch vor, und kommt noch heute vor. Aber daran kann man auch wachsen. Schlechter behandelt zu werden ist nicht immer von Nachteil. Man wird dadurch widerstandsfähiger. Was dich nicht umbringt, macht Dich stärker. Diskriminierung gibt es immer, es kann auch ein Vorteil sein, man wird dadurch erwachsener. Ich finde auch, Kinder sollten auf keinen Fall verwöhnt werden. Da bin ich sehr konservativ.
Schlechter behandelt zu werden ist nicht immer von Nachteil. Man wird dadurch widerstandsfähiger. Diskriminierung gibt es immer, es kann auch ein Vorteil sein, man wird dadurch erwachsener.
Was ist für dich konservativ?
Werte wie Anstand, Zuverlässigkeit, Ordnung, Sauberkeit - bei Kindern ist es ganz wichtig, dass sie hungrig bleiben, nicht alles sofort bekommen.
Du bist ja jetzt Chef vom Nebelspalter, führst du mit Gefühl?
Nein.
Sondern?
Mit Begeisterung, Leidenschaft und Kompetenz.
Hast du das verdaut mit der alten Tante damals?
Das war nie so schlimm, wie die Leute das Gefühl hatten. Ich war sowieso nie sicher, ob mir das gut tun würde. Als überzeugter Euroskeptiker und radikaler Wirtschaftsliberaler wäre das vielleicht nicht gut rausgekommen.
Ich muss sagen, du bist eindeutig netter, als ich damals dachte.
Echt, wieso?
Als pointiert Rechter warst du mir aus der Ferne nicht gerade sympathisch.
Dazu habe ich eine Geschichte: Ich bin als Linker nach Amerika gegangen und als Rechter zurückgekommen.
Wie das?
Ich machte eine eigenartige Erfahrung. Ich habe in Deutschland und in der Schweiz Geschichte studiert: Dort hiess es – wohl zu Recht – der Geist weht links. Wer intelligent war, musste links sein. Anderes war nicht möglich. Dann kam ich nach Harvard – und dort gab es Leute, die waren viel intelligenter als ich. Sie konnten schreiben und sprechen wie Götter, sie waren witzig und charmant, immer brillant – und sie waren brutal rechts, so wie wir das in Europa kaum kannten. Das erlebte ich als ein intellektuelles Erdbeben. Nie habe ich so viel gelernt wie in Amerika. Inhaltlich, gewiss, aber auch fürs Leben: Es gibt auf beiden Seiten sehr viele kluge Leute, auf der linken, wie auf der rechten Seite.
(Atmet nach diesem Votum tief durch und legt die Füsse auf den Tisch.)
Gehört diese Verhaltensweise jetzt zum erwähnten konservativen Weltbild?
(Schaut die Journalistin etwas verdutzt an). Ja stimmt, das ist jetzt schon ein wenig unanständig. (Grinst und nimmt die Füsse wieder vom Tisch.)
Fragst du dich nie, ob du das alles kannst?
Doch, ich bin nicht frei von Selbstzweifeln. Das ist etwas Wichtiges. Bei grossen Aufgaben muss man leiden, sonst nimmt man sie nicht ernst. Man muss sich immer wieder verfluchen, dass man sich das antut. Das gehört dazu, wenn ich etwas mache, das mir wichtig ist. Ist auch so beim Schreiben, das Leiden gehört dazu.
Bei grossen Aufgaben muss man leiden, sonst nimmt man sie nicht ernst. Man muss sich immer wieder verfluchen, dass man sich das antut.
Was kannst du denn so richtig gut?
Sehr gut kann ich Schreiben, Reden, Argumentieren. Das würde ich sagen. Ich habe auch ein gutes Auge für gute Leute und habe auch wahnsinng Freude an guten Leuten. (Lächelt mich an, ich lächle zurück). Was schaust du so?
Du solltest öfters lächeln, das steht dir.
(Offensichtlich geschmeichelt): Gäll, ich lächle zu wenig, das sagt meine Frau auch immer. Das ist eh etwas, was die Leute unterschätzen, ich bin eher ein verspielter Mann. Ich bin nicht der grandiose Chef, der durch den Raum segelt, ich bin sehr nahbar. Vielleicht zu sehr.
Gäll, ich lächle zu wenig, das sagt meine Frau auch immer. Das ist eh etwas, was die Leute unterschätzen, ich bin eher ein verspielter Mann.
Man tuschelt, du würdest botoxen. Das hast du doch gar nicht nötig.
(Zieht die Brille aus.) Nein das tue ich nicht. (Lacht) Wirklich, findest du, dass ich ein besonders junges Gesicht habe? (Lacht weiter entzückt). Ich habe eigentlich keine Mühe mit dem Altern, aber der Zerfall, den kann man nicht aufhalten, ja gut, man wird schneller müde, man hat weniger Zeit.
Was ist dir wichtiger, dein Äusseres oder deine Intelligenz?
Meine Intelligenz.
Was ist dein Lieblingsoutfit? Farbe?
Dunkelblau-schwarz. Eher Anzug. Weil wir Journalisten immer etwas unseriös wirken. Deshalb mag ich es klassisch, sehr konservativ im Formalen. Kleider, Essen, Formen, alles. Auch beim Schreiben, man muss sein Handwerk im Griff haben.
Ausser, dass du mitten im Interview die Füsse auf den Tisch gelegt hast.
Das stimmt.
Lieblingsautorin?
Jane Austen.
Annabelle oder Vogue?
Annabelle.
Warum?
Weil ich die neue Chefredaktorin Jacqueline Krause-Blouin sehr gut finde. Sie machen es auch gut bei der Annabelle, eigenständig und politisch, das finde ich beeindruckend.
Ich auch. Was ist dein ultimativer Haar-Tipp?
Kurz. Für Frauen finde ich lange Haare aber schöner.
Ohne … gehst du nicht aus dem Haus?
Mappe.
So von Chefredaktorin zu Chefredaktor: Wie findest du eigentlich elleXX?
Was ihr ausprobiert, diese Verbindung zwischen Publizistik und Beratung, das finde ich interessant. Ihr könnt publizistisch sicher noch konservativer werden. Es gibt eine grosse Lücke für wirklich liberale oder konservative Frauen, die sich öffentlich hinstellen, beispielsweise auch in der Erziehung. Unser Land ist noch immer sehr wertorientiert. Die Leute wollen auch so etwas lesen. Aber es ist grossartig, dass ihr selbst nun etwas in die Hand genommen habt, und nun all eure Energie darauf fokussiert, um eine Veränderung herbeizuführen. Man sollte nie Energie auf etwas verschwenden, das man nicht ändern kann.
Danke für deinen Mut, lieber Markus, dich unseren Fragen zu stellen!