Was fällt dir ein, wenn du an eine klassische Männerbranche denkst? Das Baugewerbe vielleicht? Tatsächlich stellen Frauen auf dem Bau weltweit noch eine extreme Minderheit dar. Je nach Quelle liegt ihr Anteil in der Schweiz im sehr tiefen zweistelligen Prozentbereich. Die einzige Ausnahme: Malerinnen. In der Deutschschweiz besetzen sie rund die Hälfte der Maler:innen-Lehrstellen.
Sogar der Schweizerische Baumeister-Verband bloggt darüber, warum es mehr Frauen auf dem Bau braucht: Frauen hätten zwar weniger körperliche Kraft als Männer, punkteten jedoch mit anderen Qualitäten. Beispielsweise arbeiteten sie genauer, hinterliessen ihre Arbeitsstelle sauberer und gingen sorgfältiger mit Maschinen und Geräten um als ihre Kollegen.
Die Schweizer Baubranche wird in Zukunft wohl vermehrt auf Frauen setzen wollen – der Fachkräftemangel dürfte diese Entwicklung nur verstärken. Bis Frauen jedoch in Scharen ins Baugewerbe eintreten, wird sich noch einiges ändern müssen. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Gewerkschaft Unia, die 300 Frauen in Bauberufen befragt hat – zu hygienischen Zuständen, Vereinbarkeit, Diskriminierung und sexueller Belästigung und Löhnen. Die wichtigsten Resultate lauten folgendermassen:
- 73,1 Prozent empfinden sauberere Toiletten auf dem Bau als dringend nötig. Oft fehle es an Abfalleimern und sauberem Wasser.
- Mehr als die Hälfte erleben und erlebten bei der Arbeit Mobbing sowie sexuelle Belästigung in Form von Sprüchen und abwertenden Aussagen.
- Ein Viertel berichtet, bei der Arbeit auf dem Bau bereits sexualisierte Gewalt erlebt zu haben.
- Über 90 Prozent wollen Privat- und Berufsleben besser vereinbaren können.
Dass bessere Vereinbarkeit dazu führen kann, dass Frauen im Bauberuf bleiben, zeigt sich bei den Malerinnen. Da viele von ihnen nach der Familiengründung abspringen, musste die Branche reagieren und mehr Teilzeitstellen schaffen.
In den USA will eine Organisation mit dem entschlossenen Namen «Move Over Bob» Frauen dazu motivieren, ins Baugewerbe einzusteigen – und den klischeehaften «Baumeister Bob», ihnen Platz zu machen. Das Hauptargument ist auch hier der drohende Fachkräftemangel: «Wir glauben, dass Frauen ein ungenutztes Potenzial an Arbeitskräften darstellen, welches dazu beitragen kann, die Lücke im Handwerksbereich zu schliessen», heisst es auf der Website.
Frauen im Bestattungswesen: eine andere Feinheit und Natürlichkeit in schweren Momenten
Vielleicht ist für den folgenden Absatz eine Triggerwarnung angebracht: Es geht (ganz kurz) um Nekrophilie. Denn es war dieser virale Tweet der US-amerikanischen Autorin Roxane Gay, der aufmerksam machte auf die Besonderheit von Frauen im Bestattungswesen. Darin schreibt sie: «Das Kaninchenloch, in das ich gerade gefallen bin, nachdem ich erfahren habe, warum Bestattungsunternehmen lieber Frauen einstellen.» Wer die genaueren Erklärungen und Hintergründe zu diesem Tweet nachlesen will, findet sie in diesem Artikel.
Aber abgesehen von obiger Sache (Triggerwarnung-Ende): Grundsätzlich war die Bestattungsbranche lange Zeit eher eine Männerdomäne. Das ändert sich allerdings seit einigen Jahren. Und auch hier werden Frauen – also Bestatterinnen – aufgrund ihrer spezifischen Stärken geschätzt. Der deutsche Bundesverband Bestattungsbedarf stellt sich sogar die Frage, ob Frauen die «besseren Bestatter» seien: «Frauen gelten als einfühlsamer als ihre männlichen Kollegen und eignen sich daher optimal für diesen anspruchsvollen Beruf. Sie können gut zuhören und sich in die Situation des Angehörigen versetzen.»
In der Zentralschweiz existiert mit Belorma ein Bestattungsinstitut, dessen zehnköpfiges Team ausschliesslich aus Frauen besteht. Dass Frauen die «besseren Bestatter» sein sollen, will Co-Geschäftsführerin Madlen Heer keinesfalls bestätigen. Frauen arbeiten nicht besser, aber anders: «Frauen bringen eine andere Feinheit und Nähe und Natürlichkeit in diese schweren Momente.» Belorma war nicht von Beginn weg als Frauenteam geplant, sondern ist vielmehr natürlich so gewachsen. Seit der Gründung vor über zehn Jahren stiessen Frauen dazu, die sich mit Haltung und Philosophie des Bestattungsunternehmens identifizieren konnten. Die Resonanz spricht für sich: «Wir erhielten immer wieder Rückmeldung, dass es besonders geschätzt wird, dass Frauen kommen, dass wir anders auftreten und wirken. So entschieden wir, dass wir als Frauenteam erkannt werden möchten – und dass wir das Bestattetwerden mit Frauenhänden in die Zukunft tragen möchten.» Heer betont noch einmal, dass Frauen nicht die besseren seien, aber: «Ich persönlich glaube, dass jedes Unternehmen, das Frauen in sein Team holt, gewinnend unterwegs ist.»
Frauen im Bergwerk: Die «Women-Only»-Mine in Simbabwe
Wenn Frauen in neue Branchen vordringen, kann das für internationale Schlagzeilen sorgen. Im Fall der Frauen-Mine von Simbabwe berichteten hunderte Medien über das erste Bergwerk der Welt, welches ausschliesslich Frauen beschäftigt. Ein 10-vor-10-Beitrag zeigt den Arbeitsalltag in der Zimbaqua-Mine. Ein Arbeitsalltag in Frauenhand. Die Atmosphäre sei anders, wenn ausschliesslich Frauen zusammenkommen, berichtet die Managerin Rumpi Gwinji. Die Arbeitsstelle in der Mine bedeutet für die meisten Frauen finanzielle Unabhängigkeit für sich und ihre Kinder – in einer Region, wo Arbeit ohnehin schwer zu finden ist, besonders für Frauen.
Obwohl in der Zimbaqua-Mine nur Frauen angestellt sind, sind die Gründer zwei Männer. Iver Rosenkrantz und Patrick Zindoga sehen ihre Mine nicht nur als finanzielles Investment, sondern auch als soziales Engagement, wie sie der Financial Times im Interview erklären: «Wir ändern das Narrativ und beweisen, dass selbst eine der am stärksten von Männern dominierten Branchen von Frauen angeführt werden kann.» Ob diese Frauen-Mine tatsächlich dazu führt, dass Frauen in Simbabwe oder darüber hinaus vermehrt die Chance auf einen Job bekommen oder dass Bergwerke von Grund auf vielfältiger werden, wird sich noch zeigen müssen. Übrigens, die von Frauenhänden geförderten Zimbaqua-Aquamarine finden vereinzelt ihren Weg in die Schweiz. Zum Beispiel zur Zürcher Goldschmiedin Flavia Tschanz. Auf ihrer Website schreibt sie über die Steine aus der Frauen-Mine: «Meine Vision vom perfekten Edelstein ist klar. Ich weiss, woher er kommt, unter welchen Bedingungen er abgebaut wird und ob die Bezahlung fair ist. Für mich jedenfalls funkelt dieser Stein schon jetzt mehr als alle andern.»