Über Geld spricht man nicht? Falsch. Im Money Talk tun wir genau das. Wir wollen damit einen Dialog über Lohn, Reichtum, Armut, Ungleichheit und Finanzen lostreten. Heute mit der Goldschmiedin Flavia Tschanz.
Kostbare Materialien – das ist es, womit sich Flavia Tschanz täglich umgibt. Kein Wunder, hat sich dadurch ihr Blick auf Gold, Silber und Edelsteine verändert. Derzeit lebt die Goldschmiedin in Nairobi und geht der Geschichte der Edelsteine nach. Wie sie das macht, erzählt sie im Money Talk.
Welche Gefühle löst Geld bei dir aus?
Es gibt mir das Gefühl von Freiheit. Geld macht es möglich, dass ich auf eigenen Beinen stehen kann, von niemandem abhängig bin und selbst entscheiden kann, was ich mir leisten und wie ich mein Leben gestalten will.
Geld hat für dich also viel mit Unabhängigkeit zu tun. Wie ist denn deine Beziehung zu Geld?
Ich habe inzwischen eine recht befreite und unbelastete Beziehung zu Geld. Ich bin seit 14 Jahren selbstständig und habe mir mein eigenes Geschäft als Goldschmiedin aufgebaut. Heute kann ich mich darauf verlassen, dass ich damit so viel Geld verdiene, dass ich finanziell von niemandem abhängig bin. Gerade als Mutter ist mir das wichtig. Das war natürlich nicht immer so. Besonders als die Kinder klein waren, konnte ich alles nur stemmen dank einem guten Betreuungsnetz von Mann, Familie, Freund:innen und Nachbar:innen. Und es gibt auch heute immer wieder Situationen oder Zeiten im Leben, in denen man mehr auf andere angewiesen ist – nicht nur finanziell. Derzeit bin ich gerade auch wieder mehr auf meinen Partner angewiesen.
Weil ihr mit der Familie in Nairobi lebt?
Genau. Mein Mann hat hier im Sommer eine Stelle des EDA, des Departments für Auswärtige Angelegenheiten, angetreten. Er ist im Juni nach Nairobi gekommen, meine beiden Töchter und ich dann im August. Mein Geschäft in Zürich läuft weiter und wird von der erfahrenen und passionierten Goldschmiedin Nicole Braun geführt. Allerdings kann ich natürlich nicht mehr in derselben Form mitwirken wie bisher. Deshalb bin ich derzeit finanziell auf meinen Partner angewiesen. Diese Abhängigkeit fand ich erst nicht so toll. Ich musste mich daran gewöhnen und mich darauf einstellen. Weil ich aber weiss, dass diese Situation zeitlich begrenzt ist und es auch schon umgekehrt war, finde ich es inzwischen ganz in Ordnung.
Wie verändert das Leben in Nairobi dein Verhältnis zu Geld?
Es hat sich auf verschiedenen Ebenen verändert. Das eine ist mein Konsumverhalten. Ich habe gemerkt, wie viel ich habe und wie wenige Dinge ich wirklich brauche. Ich kaufe mir hier kaum neue Kleider oder Schuhe, weil es nicht nötig ist. Gleichzeitig werde ich auch weniger zum Konsum animiert, da die Möglichkeiten deutlich begrenzter sind und Konsum weniger präsent ist. Ich gebe also weniger Geld aus. Das andere, und das beschäftigt mich sehr, ist die Lohnschere. Die ist hier wesentlich grösser und sichtbarer als bei uns.
Kannst du das etwas ausführen?
Es gibt einfach sehr grosse Unterschiede zwischen Arm und Reich. In Nairobi gibt es diverse Slums. Die Leute, die dort leben, haben kaum genug Geld fürs Essen. Sie kaufen ihr Mittagessen an einem Stand und können gerade mal so knapp 1.80 Franken dafür ausgeben. Auf der anderen Seite gibt es grossen und zur Schau gestellten Reichtum und eine wachsende Mittelschicht – nicht nur unter Ausländer:innen. Es gibt auch Kenianer:innen, die viel Geld besitzen und mit ihrem SUV durch die Strassen brettern. Die Gegensätze sind hier oft extrem. Das stimmt mich nachdenklich, und man muss sich an diese Gegensätze gewöhnen.
Ich nehme an, in Nairobi lebt ihr privilegiert und gehört zu einer wohlhabenden Schicht. Wie fühlt sich das an?
Manchmal fühlt sich das schon seltsam an. In der Schweiz waren wir in der Mittelschicht und sind nicht gross aufgefallen. Hier könnten wir uns viel leisten. Ich sage bewusst «könnten», weil wir versuchen, obwohl wir zur Oberschicht gehören, möglichst «normal» zu leben.
Wie macht ihr das?
Wir leben beispielsweise nicht in einem riesigen Haus, sondern in einer Wohnung in einem Häuserverbund. Wir haben keine Nanny, keine Fahrer:in oder Köch:in, sondern betreuen unsere Kinder selber, fahren Auto, gehen einkaufen. Das klingt jetzt etwas seltsam, aber wer es sich hier leisten kann, lagert viele Aufgaben aus. Wir versuchen, möglichst viele Dinge selbst zu machen. Das ist uns auch wichtig, weil wir wieder zurück in die Schweiz ziehen werden und weder wir noch unsere Kinder sich an ein Leben und einen Standard gewöhnen sollen, der nicht zu uns passt. Trotz aller Bemühungen sind wir natürlich anders und auch ausgestellter. Man sieht, dass wir wohlhabend sind, allein schon deshalb, weil wir mit einem eher neuen und guten Auto durch die Strassen fahren.
Du bist Goldschmiedin, kannst du auch in Nairobi arbeiten?
Nicht direkt. Ich bin für mein Geschäft aktuell im Hintergrund unterstützend tätig. Und sobald meine Werkbank hier ankommt, kann ich auch Modelle aus Wachs kreieren. Ich werde aber nicht hier vor Ort Schmuck aus Gold oder Silber produzieren. Dafür möchte ich hier in Kenia den Edelsteinen und ihrer Geschichte nachgehen und dazu Minen besuchen. Diese Möglichkeit finde ich sehr spannend, weil ich sie in der Schweiz nicht hatte. Da kauft man die Steine von Händler:innen. Viele wissen selbst nicht, woher die Steine kommen und unter welchen Bedingungen sie abgebaut werden, weil die Wege manchmal so lang und intransparent sind.
Nach welchen Kriterien suchst du Steine für deine Arbeit aus? Was macht sie wertvoll?
Wenn ich Steine einkaufe, habe ich kein Businessmindset. Ich achte also nicht in erster Linie auf ihre Grösse oder Reinheit, sondern vor allem auf ihre Schönheit. Ich schaue, welcher Stein mich anspricht, welcher mich inspiriert und mit welchem Stein ich Lust habe, ein neues neues Schmuckstück zu kreieren.
Was kosten denn die Steine, mit denen du arbeitest?
Das ist extrem unterschiedlich. Es gibt Farbsteine, die kosten in einer bestimmten Grösse 50 Franken. Ein Diamant kann aber schnell mal 5000 Franken kosten. Mein Schmuck bewegt sich im mittleren bis oberen Preissegment. Ich arbeite sehr gerne mit Farbsteinen. Die teuersten, die ich im Lager habe, kosten so 4000 bis 5000 Franken. Teurere Steine kaufe ich nur im Auftrag. Der teuerste Stein, den ich so je gekauft habe, war ein Diamant im Wert von über 10'000 Franken. Aber zu meinen Anfangszeiten als selbstständige Goldschmiedin investierte ich mein Geld regelmässig in einen Stein und zahlte mir wenig Lohn aus.
Der Edelstein- und Edelmetallmarkt ist oft sehr undurchsichtig. Worauf achtest du beim Einkauf deiner Materialien?
Transparenz ist nach wie vor ein grosses Thema bei diesen Materialien. Beim Gold habe ich zwei Händler, mit denen ich seit vielen Jahren zusammenarbeite und denen ich vertraue. Sie alle sind nach den Standards des Responsible Jewellery Council, RJC, zertifiziert. Der eine bietet Fairtrade-Gold an, der andere hat recyceltes Gold mit dem Oeko-Label im Angebot. Hier kann ich mich auch darauf verlassen, dass die Nachhaltigkeit gegeben ist.
Und bei den Edelsteinen?
Da ist es wahnsinnig schwierig. Es gibt so viele Stationen und Zwischenhändler, dass es meistens unmöglich ist, nachzuverfolgen, woher ein Stein kommt und wie die Bedingungen beim Abbau waren. Ich hoffe, dass ich mir jetzt in Kenia und umliegenden Ländern wie Tansania, Äthiopien und Mozambique ein Netzwerk aufbauen kann, sodass ich künftig auch Steine aus Minen beziehen kann, die ich besichtigt habe. Allenfalls auch mit weniger Zwischenhandel. Das geht aber natürlich nicht bei allen. Bei vielen bin ich einfach auf die Händler:innen angewiesen. Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass es Mittel wie die Blockchain gibt, mit denen man den Weg jedes Steins nachvollziehen kann. Bis es so weit ist, dauert es aber wohl noch eine Weile.
Du arbeitest täglich mit kostbaren Materialien. Wie fühlt sich das an?
Das spielt ehrlich gesagt gar nicht so eine Rolle. Während der Arbeit vergesse ich oft, womit ich hier arbeite. Ich bin ja auch eine Handwerkerin, und es geht auch mal grob zu und her. Ich hämmere, klopfe, säge, schleife, forme das Gold oder Silber. In diesem ganzen Prozess spielen das Material und sein Wert keine Rolle mehr. Ich sehe die Schönheit erst wieder, wenn das Schmuckstück fertig ist. Dann sehe ich auch den Wert.
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