Bei meinem ersten Kind sagte mir die Personalchefin, ich wolle nach der Geburt doch bestimmt keine Führungsposition mehr haben.
Bei meinem zweiten Kind schickte mir die Firma kurz vor der Geburt einen Standardbrief mit der Mitteilung, dass ich nach meiner Elternzeit keinen Anspruch auf meine bisherige Position hätte.
Vor meinem dritten Kind sagte mir meine Chefin, dass ich ja bestimmt nicht mehr schwanger werden wolle. Während der Schwangerschaft wechselte ich das Unternehmen.
Für mich war immer klar, dass ich Kinder und Karriere vereinbaren möchte. Aber wenn ich nicht so viel Unterstützung gehabt hätte – von Mentoren, meinem Mann, meinen Eltern –, ich hätte Dutzende Male hingeworfen.
In diesem Sinne ist es wenig erstaunlich, dass 72 Prozent aller Frauen in Führungspositionen keine Kinder haben – und Frauen mit Kindern viel zu oft von der Karriereleiter fallen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht eine Katastrophe. Frauen sind top ausgebildet, doch wenn es darum geht, Kinder und Karriere zu vereinbaren, straucheln sie. Ein Whitepaper von Advance zeigt, dass Frauen ihre Karriere beim ersten Kind im Schnitt 12 Monate lang unterbrechen. Danach steigen nur 66 Prozent auf der gleichen Karrierestufe ein, 57 Prozent arbeiten danach Teilzeit.
Und genau in diesem Moment, wenn Frauen das erste Mal schwanger werden, gilt es anzusetzen, um mehr Frauen im Erwerbsleben und in Top-Positionen zu halten.
Was können wir zusammen ändern? Hier kommt ein Fünf-Punkte-Plan gegen den Babyblues im Business:
- Wir brauchen Ermutiger:innen – und keine Angstmacher:innen. Die Reaktion des Arbeitgebers, von Teamleiter:innen, HR und Mentor:innen, ist oft entscheidend, wie es für eine Frau nach der Schwangerschaft weitergeht. Ich war in dieser Phase sehr unsicher und traute mir wenig zu. Hier braucht es Chefinnen und Personalchefs, die einen bestärken, dass man einen Top-Job auch mit Kind meistern wird. Mütter sind unglaublich effizient – und wenn man sie in dieser kritischen Phase als Arbeitgeber gut unterstützt, auch sehr loyal. Deshalb: Wann immer ihr mit einer Frau sprecht, die schwanger und unsicher ist, ob sie danach die gleiche Arbeit machen kann – ermutigt sie!
- Wir brauchen ehrliche Vorbilder. Wie ist es, Kinder und Karriere zu vereinbaren? Ich weiss: Sehr oft sehr anstrengend, aber auch sehr oft sehr erfüllend. Reden wir Frauen ehrlich darüber? Sehr selten, und meist schon gar nicht öffentlich. Dabei ist der Austausch bei diesem Thema entscheidend: Wie organisierst du die Kinderbetreuung? Bist du auch manchmal am Morgen schon völlig fertig, bevor du überhaupt aus dem Haus gehst? Mittlerweile kann ich mit meinen Kolleginnen und Mitarbeiterinnen über diese Themen sprechen und lachen. Am Anfang dachte ich, ich sei einfach nicht stark genug. Doch ich habe gelernt, wie wichtig es ist, sich ehrlich auszutauschen, im Guten wie im Schlechten – und auch als Chefin von deinen Herausforderungen zu erzählen.
- Wir brauchen gleiche Regeln – für Männer und Frauen. «Ich komme heute später, weil ich mein Kind noch in die Krippe bringe.» Ich habe oft erlebt: Männer werden für ihr Engagement in der Familie gefeiert. Bei Frauen heisst es: Die hat ihr Familienleben nicht im Griff. Der gleiche Reflex ist da, wenn Männer Meetings nur bis 16 Uhr machen wollen, damit sie zu Hause noch kochen können. Hier braucht es von allen ein Umdenken. Vereinbarkeit von Arbeit und Familienarbeit ist zentral für Männer und Frauen, das sollte mittlerweile eine Selbstverständlichkeit sein.
- Wir brauchen weniger Perfektionismus. In unserer Social-First-Welt sind wir umgeben von perfekten Familien, perfekt designten und aufgeräumten Wohnungen, perfekten Frauen. Ist das die Realität? Nicht, wie ich sie kenne. Ich bin extrem froh um Medien wie ellexx und den Blog «AnyWorkingMom», der dem Perfektionismus ein realistisches Bild entgegensetzt. Und auch wir Frauen müssen aufhören, uns unter Druck zu setzen. Dann ist die Wohnung eben nicht perfekt aufgeräumt, die Hose nicht gebügelt. Geht die Welt deshalb unter? Sicher nicht. Wir scheitern zu oft an unseren eigenen Ansprüchen.
- Brauchen wir mehr Teilzeit? Ja, das brauchen wir. Frau kann auch in Teilzeit ein Team führen. Und trotzdem warne ich vor einer gewissen Teilzeit-Falle, was den Lohn angeht. Denn Frauen reduzieren ihr Pensum oft deutlich nach der Geburt: Sie arbeiten dann aber trotzdem 80 bis 100 Prozent – ohne dafür bezahlt zu werden. Ich war auch eine dieser Frauen. Bis ich eine Chefin hatte, die mir angeboten hat, von 80 auf 100 Prozent aufzustocken und einen Nachmittag pro Woche daheim zu bleiben. Plötzlich stimmte das Verhältnis von Lohn zu Arbeit wieder. Hinterfragt euch: Wie viel arbeitet ihr – und für wie viel Arbeit werdet ihr bezahlt?
Fakt ist: Wir brauchen mehr Mütter in Führungspositionen. Der Fachkräftemangel ist auf einem Rekordhoch, 50 Prozent der vakanten Stellen könnten von Frauen besetzt werden. Und Mütter würden gerne mehr arbeiten. Das zeigt ein Whitepaper von EqualVoice und der Boston Consulting Group. Wenn jede von uns ab morgen auch schon nur einen der fünf Punkte umsetzt, wird es hoffentlich bald selbstverständlich sein, Kinder UND Karriere zu haben.