Wir fragen Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven.
Familienvater Sebastian Lanz hat vor 13 Jahren den Onlineshop Rrrevolve gegründet, mit dem Ziel, nachhaltige Mode und Alltagsprodukte anzubieten. In den Männerfragen spricht er über den Idealismus der Männer, die Midlife-Crisis und Sixpacks. Und natürlich gibt er Modetipps.
Was ist das mit euch Männern und Fashion? Warum fasziniert euch das so?
(Überlegt lange.) Hmm … (Nimmt einen Schluck Kaffee und überlegt noch mal.) Nun, Kleider sind wichtig. Sie sind eine Art Visitenkarte: Bevor man ein Gesicht sieht, sieht man, was jemand trägt. Ich muss aber zugeben, dass ich mir kaum Gedanken zu meiner Kleidung mache. Ich habe einen ganz kleinen Schrank. Ich schnappe mir einfach immer die oberste Hose, das oberste T-Shirt und den obersten Pulli und ziehe das an.
(Die Journalistin mustert ihn kritisch.) Jetzt untertreibst du aber …
Ja, vielleicht ein bisschen (lacht verlegen). Aber in etwa so spielt sich das bei mir ab. Ich interessiere mich echt nicht so sehr für Mode.
Aber auf deinem Nachttisch liegt doch sicher mindestens eine Ausgabe der Vogue oder Elle?
Weder noch, aktuell liegt da das Brandeins.
Du liest ein Wirtschaftsmagazin?
(Nickt stolz.) Es sind zum Glück sehr populärwirtschaftliche Texte, die verstehe ich grad noch so. Ich lese auch hin und wieder die Bilanz. Da wird es schon schwieriger. Dort widme ich mich vorzugsweise den einfacheren Beiträgen.
Schön, dass du deine Grenzen kennst, aber trotzdem versuchst, dich mit Wirtschaftsthemen auseinanderzusetzen.
(Lacht herzhaft und reibt sich die Hände.) Ja, wirtschaftliche Themen sind für mich und das Unternehmen wichtig. Wir sind ja zu 100 Prozent kundenabhängig. Sowohl das, was lokal passiert, als auch globale Veränderungen und Tagesaktualitäten haben einen Einfluss auf unser Geschäft. Passieren schlimme Dinge, haben wir garantiert einen Einbruch.
Sensible Kundschaft habt ihr. Kaufen bei euch vor allem Männer ein?
Natürlich, bei uns kaufen fast nur Männer ein. Im Ernst: Rund 27 Prozent unserer Online-Kundschaft sind männlich, immerhin.
Wie bist du auf die Idee für Rrrevolve gekommen? Das war ja recht visionär für einen jungen Mann.
So visionär war das eigentlich gar nicht. Ich hatte den Drang, mich selbstständig zu machen, und ich wollte meine Zeit in etwas investieren, das sinnvoll ist. Was es sein sollte, war mir zuerst noch nicht so klar. Ich wollte auch mal dezentralisierte Stromkraftwerke in Indien bauen, die Abfall verbrennen und so Strom produzieren. Ich hatte diverse Ideen und bin am Ende bei nachhaltigen Alltagsprodukten und nachhaltiger Mode gelandet.
Es fasziniert mich immer wieder, wie idealistisch ihr Männer seid …
Tja, so sind wir halt (lächelt). Also ernsthaft: Ich hatte die Wahl und dachte mir: Wenn ich mit meiner Lebenszeit etwas Sinnvolles tun kann, dann will ich das machen. Ich bin aber nicht so idealistisch, dass ich etwas getan hätte, das für mich schwierig gewesen wäre. Beispielsweise das, was Männer sonst so gerne tun: mit Menschen arbeiten. Das wäre nichts für mich.
Weil du so menschenscheu bist?
Zumindest zu menschenscheu, um mich den ganzen Tag Menschen um Menschen zu kümmern, denen es nicht gut geht, wie man das beispielsweise in der Pflege oder im Asylwesen machen müsste. Das wäre für mich zu anstrengend. Du siehst, so idealistisch bin ich also nicht.
Ärgert es dich eigentlich, dass sich Frauen so wenig für Nachhaltigkeit interessieren und ihr Männer alles richten müsst?
Ja, das ist schon sehr schade, und ich frage mich, woran das liegt. Warum hinken Frauen bei diesen Themen immer einen Schritt hinterher? Vielleicht liegt es daran, dass es in ihren Kreisen einfach nicht so akzeptiert ist, sich zu engagieren. Oder sie fühlen sich in ihrer Weiblichkeit angegriffen, wenn sie nicht etwas machen, das so richtig «wirtschaftlich» und gross ist (brummt und bäumt sich auf). Ich habe das selbst tatsächlich zu spüren bekommen.
Erzähl!
Als ich mich für den Jobwechsel entschied, stiess das bei vielen auf totales Unverständnis, von Arbeitskollegen über den Freundeskreis – den ich eigentlich immer als sehr aufgeklärt wahrgenommen hatte – bis zu meiner Familie. Viele haben nicht verstanden, warum ich meinen Job im Luxusuhrensegment an den Nagel hänge und mich stattdessen für nachhaltigen Konsum einsetze. Die meisten sagten mir, es gebe keinen Markt für so was. Ich könne damit kein Geld verdienen. Man muss dazu sagen, dass das über zehn Jahre her ist, es war noch eine andere Zeit.
Hat dich das verunsichert?
Total, am Anfang war ich überhaupt nicht sicher, ob das nun wirklich der richtige Weg ist. Es hat mich aber auch motiviert, zu sagen: Jetzt erst recht, ich werde euch und mir beweisen, dass das funktioniert und ich das kann.
Wirst du heute als männlicher Unternehmer ernst genommen?
(Spricht ganz deutlich und formell.) Ich bin schon immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert, die man Männern gegenüber so hat. Aber ich versuche, mich davon nicht unterkriegen zu lassen und mich nicht hinter die Frauen zu stellen. Ich muss halt einfach härter arbeiten, um gesehen und ernst genommen zu werden. Es gibt beispielsweise viele Anlässe, bei denen ich der einzige Mann bin. Da kommt es immer mal wieder vor, dass ich gefragt werde, was ich da mache und ob ich die Begleitung einer Frau sei. Oder man glaubt, ich gehöre zum Servicepersonal.
Du hast das gerade so ernsthaft vorgetragen, dass ich verunsichert bin. Seid ihr Männer bei solchen Branchenanlässen tatsächlich in der Unterzahl?
Ja, das stimmt wirklich. Ich bin oft bei Events, an denen nur zwei oder drei Männer sind. Was man aber auch sagen muss: Sobald es Anlässe sind, bei denen vor allem Mitglieder der Geschäftsleitungen eingeladen sind, steigt die Zahl der Männer. Auf dieser Stufe sind die Frauen noch immer schlechter vertreten.
Apropos Frauen: Wie sieht es bei dir privat so aus?
Es gibt momentan eine einzige Frau in meinem Leben, das ist meine Tochter. Sonst gibt es noch einen Mann, und das ist mein Sohn.
Und wie läuft es so als Working Dad?
Die Kinder verbringen immer eine Woche bei mir und dann eine Woche bei ihrer Mutter. Ich konzentriere mich also eine Woche lang auf meine Arbeit und meine Freizeit und eine Woche arbeite ich weniger und konzentriere mich aufs Vatersein. Seit ich das so trenne, geht es relativ gut. Als ich alles gleichzeitig machen wollte, war ich ziemlich am Anschlag. Das hat nicht funktioniert.
Weil du alles der Familie untergeordnet hast?
(Schaut irritiert auf.) Nein, ich habe natürlich eher alles der Arbeit untergeordnet. Klassisch. Mittlerweile habe ich einen Weg gefunden, meine Zeit besser einzuteilen. Auch weil ich sehr gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe, an die ich viel abgeben kann.
Du bist attraktiv, erfolgreich und single: Haben Frauen Mühe mit so starken Männern, schüchterst du sie zu sehr ein?
(Macht grosse Augen und runzelt die Stirn.) Phu, also ich hoffe nicht, dass ich einschüchternd wirke. Ich sehe mich selbst nicht als so stark und erfolgreich. Dieses Bild will ich auch gar nicht nach aussen präsentieren und tue das wohl auch nicht. Glaube ich zumindest. Aber ja, vielleicht müsste ich mich da mal ein bisschen mehr reflektieren.
Vielleicht. Du bist 43, spürst du die Midlife-Crisis?
(Nickt eifrig.) Ja ja, mit allem, was dazu gehört. Ich probiere ganz viele neue Dinge aus und hinterfrage mich sehr kritisch: Wo stehe ich gerade im Leben? Welche Ziele hatte ich mal? Wie wollte ich werden, wenn ich erwachsen bin? Ich glaube, ich habe überhaupt erst etwa vor einem Jahr gemerkt, dass ich jetzt erwachsen bin.
Das kenne ich gut. Ist es nicht seltsam, wie spät diese Erkenntnis erst kommt?
Total, diese Erkenntnis kommt extrem spät. Ich habe mir früher immer vorgestellt, es gibt so einen Klick, und plötzlich ist man erwachsen. Aber das ist nie passiert. Weder die Kinder noch mein eigenes Unternehmen haben zu diesem Klick geführt. Ich weiss nicht, woran das liegt. Und ich weiss auch nicht, ob das in der Generation unserer Eltern auch schon so war. Das wäre mal eine spannende Frage.
Ja, sehr. Jetzt sind wir etwas vom Thema abgekommen. Wir waren bei deiner Midlife-Crisis. Was probierst du denn so Neues aus?
Ganz viel. Ich war zum ersten Mal alleine in den Ferien und habe einen Tauchkurs gemacht. Dann habe ich es kürzlich wieder einmal mit Surfen probiert, und zudem habe ich angefangen, zu biken. Alles Dinge, die ich jetzt noch mal machen will, bevor ich zu alt dafür bin und mein Körper nicht mehr mitmacht. Gleichzeitig überlege ich mir, was ich beruflich noch erreichen und wo ich mal leben will. Ich stelle mir viele Fragen. Ich sehe es aber nicht als Krise, sondern eher als spannende Reflexion. Und eine Zeit, in der ich die Weichen noch mal neu stellen kann.
Wie kommst du mit den körperlichen Veränderungen klar? Mit den Falten, den weniger werdenden Haaren, dem wachsenden Bauch …
(Lacht und wischt sich etwas Schweiss von der Stirn.) Fies, fies. Die Haare gehen mir schon länger aus, daran habe ich mich gewöhnt. Dasselbe gilt für die Falten – bloss, dass sie mir nicht ausgehen, sondern mehr werden. Meine Stirnrunzeln hatte ich schon als Kind. Inzwischen sind noch die Lachfältchen um die Augen dazugekommen. Ich werte sie als Zeichen eines glücklichen Lebens. Um mir etwas Frische zu bewahren, zwinge ich mich, viel Wasser zu trinken. Und zum Thema Bauch: Den will ich für diesen Sommer noch mal wegbringen. Das ist auch so ein Midlife-Crisis-Ding. Ich will noch einmal ein Sixpack haben.
Aha, da hast du aber noch ganz schön was vor …
Ja, ich weiss. Ich hatte vor 20 Jahren mal ein Sixpack. Das will ich noch mal schaffen, bevor ich mich dann so richtig gehen lasse (lacht). Aber vielleicht klappt’s auch erst im nächsten Jahr. Es ist jetzt schon etwas knapp.
Natürlich haben wir noch ein paar modische Fragen für dich: Crop Top oder Hotpants für diesen Sommer?
Haha, so lange ich das mit dem Bauch noch nicht im Griff habe, setze ich voll auf Hotpants.
Skinny Fit oder Oversize?
Auch hier spielt der Bauch eine Rolle. Aktuell bin ich ein grosser Fan von Oversize. Skinny wird aber wieder Trend, genauso wie die Jeans, die unter der Hüfte sitzen. Bisher leider nur für Frauen. Vielleicht kommt es für Männer auch noch. Ich fände das schon toll, wenn man den Po-Ansatz von Männern sehen würde (lacht).
Damit du dein Arschgeweih präsentieren kannst?
Haha, genau. Als Teenager der 1990er-Jahre habe ich natürlich so eins. In der Zeit haben wir Männer uns ja alle so eins stechen lassen.
Und zum Abschluss: Dein ganz persönliches Must-have-Accessoire?
Das hat mit den körperlichen Veränderungen zu tun. Da meine Stirn immer grösser wird, hole ich mir jetzt Sonnenbrand an ganz neuen Stellen. Darum trage ich den Sommer über ein Cap. Problem gelöst.
Eine gute Idee. Danke für das Gespräch, es hat Spass gemacht.
Danke, mir auch!