Es ist wieder mal so weit. Ich stehe da, schwitze Blut und Wasser und frage mich: Warum tust du dir das an? Wenige Minuten später laufe ich auf die Bühne, im Saal hunderte Zuschauerinnen und Kameras, die den Event online in die Welt übertragen. Ja tatsächlich, ich habe trotz jahrelanger TV-Erfahrung solche fiesen Momente, in denen mich Bühnenangst packt.
Doch jedes Mal wage ich den Schritt aus der Komfortzone, und mit jedem Mal geht es besser. Das war damals bei meinen ersten Tagesschau-Liveschaltungen nicht anders.
Doch viele Frauen scheuen öffentliche Auftritte. Als Journalistin war ich oftmals frustriert, wenn ich eine Frau für ein TV-Interview gesucht habe. Das Klischee hat sich jeweils bewahrheitet: Frauen sagen viel öfter ab als Männer. Unabhängig von Thema, Alter und Bildungsstand. Und so ergeht es vielen meiner ehemaligen Berufskolleg:innen noch heute.
Die hohen Ansprüche, die wir Frauen an uns haben, und die Angst davor, kritisiert zu werden, sind wohl nur zwei der vielen guten Gründe für die vielen Absagen der Frauen. Doch wenn wir vorankommen wollen, müssen wir sicht- und hörbar sein. Das gilt in der Gesellschaft und noch viel mehr im Beruf. Die bekannte deutsche Unternehmerin Tijen Onaran sagt klar: «Nur wer sichtbar ist, findet auch statt.»
Das mag uns widerstreben: Vielen Frauen wurde beigebracht, dass Fleiss und Bescheidenheit weibliche Tugenden seien. Doch so ungerecht es klingen mag: Wer nur gute Arbeit abliefert, macht nicht unbedingt Karriere. Für Beförderungen ist es zwingend, dass auch die Persönlichkeit wahrgenommen wird.
Personen, die in geschäftlichen Sitzungen öfters sprechen, wird eine Führungsrolle eher zugetraut, belegt eine US-Studie aus dem Jahr 2021. Auch die Harvard Business Review kommt zu einem ähnlichen Schluss: Wer in Sitzungen mehr spricht, wird von Vorgesetzten als kompetenter wahrgenommen.
Ich war mal zu Gast an einer Sitzung mit Führungspersonen. Rund 20 Personen waren anwesend, zwei Frauen aus der Runde meldeten sich während des ganzen Nachmittags nicht einmal zu Wort. Am Ende dachte ich, die beiden hätten als Assistentinnen teilgenommen. Ein komplett falscher Eindruck, denn sie waren genauso in einer leitenden Funktion wie die anderen auch.
Doch auch Frauen, die sich zu Wort melden wollen, haben es nicht immer leicht. Viele Studien belegen, dass Frauen in Sitzungen oftmals übergangen oder unterbrochen werden.
Die Hürden und Stolpersteine dürfen uns nicht davon abhalten, sichtbarer zu werden. Statt Bescheidenheit sollte unsere neue Tugend sein: «Mach es gut und rede darüber.»
Sich in einer grossen Sitzung zu melden, braucht Mut. Um vor dem Team die Projektergebnisse zu präsentieren, musst du dich vielleicht überwinden. Und für den Auftritt auf einem Podium verlässt du womöglich deine Komfortzone. Aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Es lohnt sich! Öffentliche Auftritte sind keine Hexerei, sondern ein Handwerk. Und mit jedem Mal wird es leichter, jedes Mal wird die Angst kleiner. Hier meine Tipps dazu:
- Pack jede Chance: Erkläre dich, wenn immer möglich, bereit, etwas zu präsentieren oder vorzutragen. Das fängt bereits im Studium oder bei den ersten Projekten im Job an.. Nur durch Übung wirst du besser und kannst dein Selbstbewusstsein stärken.
- Erzähle anderen von deinen Erfolgen. Das ist insbesondere bei einem Vorstellungsgespräch zentral. Aber auch im Arbeitsalltag: Wage den Smalltalk mit deinen Vorgesetzten und bring deine Erfolge ins Gespräch ein. Nicht auf eine plumpe Art, sondern verpackt als kleine Anekdoten. Mehr zur Sichtbarkeit im Büro hier.
- Sei aktiv in Sitzungen: Bringe deine Meinung aktiv ein . Wenn du nichts zu ergänzen hast, stelle Fragen: «Was bedeutet der Entscheid für …?», »Haben wir an folgendes gedacht …?», «Was ist, wenn wir es von folgender Perspektive anschauen …?» Noch mehr Stoff zu Sitzungen hier.
- Komm schnell auf den Punkt: Überlege Dir vorher, was du sagen willst, und strukturiere deine Antwort prägnant. Als einfacher Leitfaden hilft folgendes: Erkläre, wo du das Problem siehst, nenne ein gutes Beispiel für dein Argument und komm dann zu deinem Fazit.
- Mach es besser: Bist du selber in einer führenden Funktion? Triff Entscheide für Beförderungen nicht anhand von Wortmeldungen. Denn die nächste Generation soll es besser haben. Und versuche in Sitzungen, alle Meinungen abzuholen. Das kommt dem Unternehmen zugute.