Sie ist gewählt, die neue Bundesrätin! Elisabeth Baume-Schneider aus dem Kanton Jura. Indem sie und nicht Eva Herzog gewählt worden ist, steht als nächstes der Weg frei für einen Deutschschweizer Bundesrats-Kandidaten. Für die SP war ein reines Frauenticket bei dieser Wahl dennoch die richtige Entscheidung. Die Partei wird von weiblichen Wählerinnen getragen und nennt sich selbst Partei der Gleichstellung. Sie gehört zu den Parteien, die dafür sorgen, dass Frauen in der Landesregierung vertreten sind.
Das lässt sich von der SVP nicht behaupten. Noch nie hat die Partei eine Bundesrätin gestellt, was wohl auch daran liegt, dass nicht nur der weibliche Nachwuchs an Polit-Talenten vernachlässigt wird, sondern es offenbar auch nicht als notwendig erachtet wird. Lieber sollen Frauen in der Küche Kartoffeln raffeln. Das Resultat: Rösti ist Bundesrat. Liebe SVP, stellt doch in Zukunft einmal eine Frau Stocki. Es wäre schön, wenn ihr die Geschlechtergerechtigkeit nicht bloss den anderen überlassen würdet.
Nicht in den Bundesrat gewählt worden ist hingegen eine junge Mutter. Nach wie vor gibt es in unserer Landesregierung keine schweizerische Sanna Marin, Jacinda Ardern, Annalena Baerbock oder Giorgia Meloni, also eine Frau mit schulpflichtigen Kindern (das, so wurde mir gesagt, ist die Definition einer jungen Mutter). Über die Gründe wurde viel geschrieben und diskutiert.
Eines wurde in der Debatte klar: Muttersein ist politisch. Gemäss einer Umfrage ist die öffentliche Meinung klar: Eine Vaterschaft lässt sich besser mit einem verantwortungsvollen Job vereinbaren als eine Mutterschaft. 77 Prozent sind der Meinung, dass man als Vater kleiner Kinder das Amt als Bundesrat voll ausfüllen kann. Nur 56 Prozent finden, dass dies für Mütter kleiner Kinder machbar ist.
Mir ist nicht bekannt, dass jemals eine Debatte darüber geführt wurde, ob ein junger Bundesrat seiner Familie gerecht geworden wäre. Alain Berset als dreifacher Vater war bei seiner Wahl in den Bundesrat erst 40 und sein jüngstes Kind zwei Jahre alt – ein sehr junger Vater also, und niemand hat darüber ein Wort verloren. Warum soll für Mütter nicht möglich sein, was für Väter selbstverständlich ist?
Eigentlich wäre es die individuelle Entscheidung einer Familie, wie sie die Betreuung und die Erwerbsarbeit verteilt. An Frauen werden aber von der Öffentlichkeit ganz andere Erwartungen gestellt als an Männer. Noch immer gelten sie als Hauptverantwortliche für die Familienarbeit. Was für Spitzenmanagerinnen gilt, gilt genauso für Bundesrätinnen: Es fehlen die Vorbilder. Kinderlose Frauen, die Karriere machen, gibt es einige. Immer und immer wieder wird so die Botschaft vermittelt: Entweder du bist eine gute Mutter, oder du hast Erfolg im Beruf. Beides zusammen? Ausgeschlossen. Dabei geht vergessen, dass es noch andere Bezugspersonen für die Kinder geben kann ausser den Eltern und die Entwicklung eines Kindes nicht einzig und allein von der Mutter abhängt.
Es ist wichtig, dass junge Mütter auch vertreten sind in den Regierungen dieser Welt. Mütter bringen eine andere Sichtweise ein. Finnland, Neuseeland, Deutschland und gar das rechtspopulistische Italien machen vor, dass es geht. Wir brauchen neue Mütterbilder, auch in der Schweiz. Junge Mütter, die vorleben, dass es möglich ist, ein politisches Amt auszuüben, auch auf Regierungsebene. Dafür braucht es aber nicht nur den Willen der Kandidatinnen, sondern auch frauenfreundliche Parlamentsgesetze, Stillräume sowie eine Mutterschaftsentschädigung trotz Amtsausübung während der Session.
Es braucht auch ein Umdenken in der Gesellschaft. Eine Berichterstattung, die junge Frauen nicht «nur» als Mütter in der Öffentlichkeit darstellt, sondern ihre fachlichen Kompetenzen hervorstreicht. Was es nicht braucht: Das Hinterfragen ihrer Fähigkeiten, sobald Kinder im Spiel sind. Oder Fragen nach der Kinderbetreuung, die Journalist:innen einem Mann nie stellen würden.
Liebe starke Frauen und junge Mütter: Stellt euch zur Wahl. Liebe starke Männer und Väter: Haltet den Frauen den Rücken frei. Wir brauchen euch. Danke.