Lorenz Struchen wurde als Barkeeper des Jahres 2023 ausgezeichnet und führt in Biel eine eigene Bar. In den Männerfragen spricht er übers Flirten fürs Trinkgeld, aufdringliche Gäst:innen und sexistische Drinks.
Wir fragen Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven.
Du bist Barkeeper. Wirst du irgendwann mal in einem richtigen Job arbeiten?
(Schmunzelt, ist aber leicht pikiert.) Ich habe einen richtigen Job. Das ist sogar mein Wunsch- und Traumjob. Zwar hat alles mit einem Nebenjob angefangen. Ich bin eigentlich Lebensmitteltechnologe. Am Ende habe ich mich aber sehr bewusst dafür entschieden, eine eigene Bar zu eröffnen und Vollzeit als Barkeeper zu arbeiten.
Interessant. Die Bar ist eigentlich eher eine Frauendomäne …
Im Gegenteil – es ist eine Männerdomäne. Ich erinnere mich, als ich die ersten Male an Veranstaltungen von Lieferanten oder bei Wettbewerben war. Da waren vor allem Männer dabei. In den letzten Jahren hat sich das etwas verändert, aber die Männer machen noch immer die Mehrheit der Barkeeper:innen aus. Im Service ist es anders. Da ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen ausgeglichener, beziehungsweise es gibt da sogar mehr Frauen.
Danke für die Ausführung. Die Frage war ironisch gemeint. Du weisst ja, wir drehen den Spiess hier gerne etwas um.
(Lacht.) Ach stimmt! Aber ich würde mich auch in einer Frauendomäne wohlfühlen. Und ich begrüsse es sehr, dass die Barszene weiblicher wird. Es tut uns Männern gut. Die Stimmung hinter der Bar ist eine andere, wenn Frauen im Team sind. Es ist ruhiger und entspannter.
Apropos Stimmung: Wie geht es deinem zarten Gemüt in der rauen Gastrobranche?
Ganz gut. Der Umgang ist manchmal schon etwas ruppig und die Arbeit stressig. Aber damit komme ich gut klar. Gleichzeitig muss man immer ein Smile auf den Lippen haben. Mit schlechter Laune kommt man im Gastgewerbe nicht weit. Die Gäste möchten freundlich bedient werden. Das liegt mir.
Ein People Pleaser …
(Überlegt kurz.) Das würde ich so nicht sagen. Ich muss nichts aufsetzen. Meine Arbeit macht mir wirklich Spass. Ich liebe es, – privat oder in der Bar – Gäste zu empfangen, sie zu bewirten und ihnen einen schönen Abend zu bescheren. Das ist meine Leidenschaft.
Du wurdest als Barkeeper des Jahres 2023 ausgezeichnet. Mit wem hast du für diese Auszeichnung geflirtet?
(Lacht.) Mit niemandem. Aber es stimmt schon, man muss die Chance bekommen, überhaupt am Wettbewerb teilzunehmen. Dafür muss man hart arbeiten, und es hilft bestimmt, wenn man sympathisch ist.
Jetzt musst du mir helfen. Wie läuft das ab bei diesem Wettbewerb?
Es ist so: Eine Fachjury wählt aus, welche Kandidierenden beim Wettbewerb mitmachen dürfen. Man muss also sein Können bereits vor dem Wettbewerb unter Beweis stellen. Dabei hilft es, wenn man in der Szene, die übrigens sehr klein und familiär ist, etwas vernetzt ist. Am Wettbewerb selbst muss man dann einfach abliefern. Flirten hilft da wenig.
Sag mal, stört es dich als Mann eigentlich, dass viele Drinks sexistische Namen haben? Beispielsweise Skinny Bitch, Screaming Orgasm, The Leg Spreader… Die Liste ist lang.
Ich betrachte die Namen nicht als sexistisch, sondern sehe sie eher als Warnung. Die meisten Drinks mit vulgären Namen taugen nämlich nicht viel. Ich rate darum: Hände weg!
Anderes Thema: Warum sind Barkeeper immer so hot?
Ähm, wie bitte? Warum sind Barkeeper immer so hot? (Lacht verlegen.)
Genau. Ist das ein Kriterium, damit man überhaupt hinter die Bar darf?
(Lacht nochmal verlegen.) Naja, vielleicht liegt es weniger an den Barkeepern als an den Cocktails.
Was für eine diplomatische Antwort.
Nun, das würde doch total Sinn machen, oder? Eine absolut logische Erklärung.
Absolut. Aber du besserst doch sicher dein Trinkgeld auf, indem du den Gästinnen schöne Augen machst?
Ich glaube, es gibt nicht mehr Trinkgeld, wenn man Gästinnen schöne Augen macht. Dafür braucht es etwas mehr: gute Cocktails, qualitativen Service und eine angenehme Atmosphäre.
Wenn du das sagst. Wie gehst du mit anzüglichen Sprüchen um?
Ach, diese Sprüche. Sie kommen natürlich schon vor, vor allem, je ausgelassener die Stimmung ist. Aber solange sie sich im Rahmen halten oder wenn es Komplimente sind, ist das ganz okay.
Was bekommst du für «Komplimente»? Zu deinen starken Oberarmen oder deinem knackigen Po?
Haha, so explizit wird es nicht. Die Komplimente sind meistens harmlos. So was wie: «Jungs, ihr seht toll aus hinter der Bar» oder «Ihr macht einen super Job». Manchmal kommt auch die Frage, ob ich eine Freundin habe. Das finde ich alles völlig okay. Wenn es weitergeht, ist es weniger cool.
Wie oft hat dir schon jemand an den Hintern gefasst?
Das ist mir zum Glück noch nie passiert. So ein Verhalten würde ich aber auch nicht dulden.
Helfen dir deine Kolleginnen, wenn die Gästinnen aufdringlich werden?
Wir schauen alle gut zueinander. Die Regeln sind klar: Die Barkeeper sind hinter der Bar, die Gäste davor. Wer sich nicht daran hält, wird in die Schranken gewiesen. Wer gut bedient werden will, muss sich gut benehmen. So einfach ist das.
Word. Wie reagierst du, wenn dir Gäste «Männlein» zurufen?
(Fragend.)
Analog zu «Fräulein».
Ach so. (Schmunzelt.) Wer diese Begriffe ernsthaft verwendet, hat schlechte Karten, um bedient zu werden.
Ist dir eigentlich unwohl, wenn du abends als Mann mal alleine in der Bar bist?
Nicht unwohl. Aber es gibt schon Situationen, in denen man für gewisse Gäste etwas mehr Aufmerksamkeit und Nerven braucht. Dies natürlich umso mehr, je später der Abend und je höher der Alkoholpegel. In solchen Situationen heisst es einfach: Ruhe bewahren und wenn nötig auch mal streng sein.
Siehst du den Gäst:innen an, wer schwierig werden könnte?
Mein Blick ist sehr geschult. Ich erkenne relativ schnell, wer sich wie verhalten wird.
Ich nehme an, es sind vor allem Frauen, die ihre Grenzen nicht so spüren?
Da gibt es ehrlich gesagt keinen grossen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Sowohl Frauen als auch Männer schiessen mal übers Ziel hinaus. Wie stark, das ist eine Frage des Typs. Bei Männern steht das Verhalten allgemein mehr im Fokus. Sie sind von unserer Seite sicher eher unter Beobachtung. Denn das Klischee ist klar: Männer, die zu viel trinken, werden ausfällig. Bei Frauen ist man oft etwas grosszügiger, weil man es vielleicht gar nicht bemerkt. Aber sie können genauso ausfällig werden.
Thema Nachhauseweg spätnachts: Wie oft hast du den Schlüssel in der Hand oder fakest einen Anruf?
Das kommt schon mal vor. Wir organisieren uns auch häufig im Team, damit niemand alleine unterwegs sein muss. Oder ich nehme ein Taxi.
Dein Arbeitsrhythmus bis spät in die Nacht ist nicht ideal für den Körper. Was tust du, um in Form zu bleiben?
Ich mache gerne einen Mittagsschlaf. Ich arbeite wirklich oft bis spät in die Nacht, habe am Morgen aber wieder Termine. Da brauche ich tagsüber nochmal eine Pause. Ein Mittagsschlaf tut mir immer sehr gut.
Und deine Haut, was tust du gegen Augenringe und Falten?
Der Haut im Gesicht geht es ganz gut. Die pflege ich nicht speziell. Ich habe eher Probleme mit den Händen. Das andauernde Abwaschen und Händewaschen macht die Haut spröde und rissig. Vor allem im Winter, wenn die Luft trocken ist. Eine gute Handcreme und regelmässiges Eincremen sind wichtig. Mit kaputten Händen an der Bar zu arbeiten, ist nicht schön.
Was ist dein liebster Look für die Arbeit? Enges Shirt, enge Hose?
Haha, wir arbeiten eher schlicht: Anzughose, Hemd, Gilet und eine Krawatte. Ich mache mir nicht allzu viele Gedanken über mein Outfit. Ich habe einige Krawatten in verschiedenen Farben, die ich auf mein Hemd abstimme. Mehr aber auch nicht. Ich bin nicht sehr eitel. Es muss etwas chic und vor allem bequem sein.
Du bist 35. Wie steht es um die Familienplanung?
Ich bin nach einer Zeit als Single mittlerweile in einer sehr glücklichen Beziehung. Mehr ist da aktuell nicht geplant.
Wenn Kinder aber Thema werden, würdest du deinen Job aufgeben? Das ist ja nichts für einen Daddy und fürs Familienleben.
Das sehe ich etwas anders. Ich glaube, man könnte das ganz gut vereinbaren, da ich als Barkeeper hauptsächlich abends arbeite. Ich sehe das bei Freunden, die Kinder haben und bei denen ein Elternteil in der Gastronomie tätig ist und der andere einen klassischen Tagesjob hat. Das ergänzt sich ganz gut. Man muss allerdings darauf achten, dass man auch noch etwas Zeit als Paar hat.
Du hast es geschafft. Wie war es?
Sehr unterhaltsam. Es hat mir Spass gemacht.
Schön, mir auch. Danke für das Gespräch.