Du bist ein Powerman. Woher nimmst du die Energie für all deine Projekte?
Mein Lebensprinzip lautet: Was ich anfange, mache ich fertig. Oder ich versuche es jedenfalls (lacht). Bei Ausbruch der Pandemie habe ich mir beispielsweise vorgenommen, täglich 10'000 Schritte zu gehen. Das mache ich bis heute, jetzt sind es sogar 14’000. André Heller sagte vor 30 Jahren in einer Sendung, dass er sich in seinem Leben keinen Tag langweilen möchte. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, das ich ein bisschen zu meinem Credo gemacht habe. Ich hatte immer Freude daran, meine Grenzen auszuloten und Neues auszuprobieren, sei es im Studium, beim Marathon, beim Schreiben, im Journalismus oder als Verleger.
Wie kommst du als Mann in diesen Branchen klar? Beispielsweise in der Werbung?
(Ist sichtlich irritiert.) Also eigentlich ganz gut. Die Werbebranche mochte ich schon immer. Wer dort arbeitet, ist oftmals unkonventionell, originell und extrovertiert.
Das sind aber nicht gerade typisch männliche Eigenschaften.
(Stutzt und blickt die Interviewerin fragend an.)
Naja, Männer sind doch ruhig, nett und liebenswürdig. Gehst du da nicht unter?
Bisher habe ich mich eigentlich immer wohlgefühlt. Ich verstand mich aber immer mehr als Beobachter.
Also doch zurückhaltend, wie es sich für einen Mann gehört. Und wie bist du als Journalist? Traust du dich, kritische Fragen zu stellen?
(Lacht lange und laut.) Du spielst auf Teleblocher an, oder?
Nicht nur. Ich frage mich, ob Männer genug Mumm für heikle Themen haben?
Mir ging und geht es bei Interviews immer darum, das Beste aus meinem Gegenüber herauszuholen. Manchmal braucht man da kritischere Fragen, manchmal nettere. Ein Interview hat viel mit Psychologie zu tun. Man muss eine Beziehung zum Gegenüber schaffen und sollte dabei – um dieses Modewort zu gebrauchen – authentisch sein. Gelingt es einem, dass sich der Interviewpartner oder die Interviewpartnerin öffnet, bekommt man auch die besten Antworten.
Du warst oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort in deinem Leben, vor allem als Journalist. War das männliche Intuition oder einfach Glück?
Viele interessante Ereignisse habe ich bewusst gesucht. Wo etwas los war, da bin ich hingereist. Ich war 1989 dabei, als die DDR unterging. Später – 1997 – reiste ich nach Hong Kong, um die Übergabe an China zu erleben. Ich war an der Inauguration von Obama und an der Wahlfeier von Trump. Ich war 1998 in Bonn, als Schröder Kanzler und Kohl abgewählt wurde ...
Jetzt trägst du aber dick auf.
(Holt tief Luft, um fortzufahren und hält dann inne.) Was ich damit sagen will, ist: Zu all diesen Events bin ich aus reinem Interesse gereist. Ich wollte dabei sein, wenn etwas passiert. Ich habe mich nicht gescheut, mit den Leuten zu reden und Teil des Spektakels zu werden. Einen Tag, nachdem sich Deutschland wiedervereinigt hatte, ging ich zum Haus von Egon Krenz und klingelte. Ich wollte vom ehemaligen Staatsratsvorsitzenden und SED-Generalsekretär wissen, wie es ist, wenn einem plötzlich der Staat unter den Füssen wegflutscht. Er hatte keine Antwort, dafür hat er mich kurz darauf in Schaffhausen besucht.
Deine Attraktivität hat dir da sicher so manche Türen geöffnet.
(Macht grosse Augen und fällt aus dem Konzept) Ich? Attraktiv? Habe ich nie so empfunden. Ich hatte eigentlich immer das Gefühl, es gibt Schönere als mich. (Lacht verlegen.)
Hast du dich als Mann auf deinen Reisen nie unsicher gefühlt?
Naja, also … (Scheint sich das erste Mal mit dieser Frage zu befassen.) Nein, eigentlich nicht. Ich habe bei solchen Ereignissen auf den Reporter-Modus umgeschaltet. Ich bin als Privatperson wesentlich unsicherer und scheuer als im Beruf. Als Berufsperson passe ich mich meiner Funktion an und ziehe mein Ding durch. Ich verhalte mich als Reporter, Autor oder Verleger. Das ist, als würde ich eine Arbeitskleidung anziehen.
Das ist interessant. Aber ich meinte eigentlich, ob du als Mann alleine auf Reisen nie um deine Sicherheit besorgt warst. Das war offensichtlich nicht der Fall.
(Lacht.) Ach so. Nein, das war ich tatsächlich nie.
Zurück zu deinen Rollen. Spielst du ein Theater vor?
Nein, das nicht. Aber sobald ich im Büro bin, agiere ich als Verleger, oder versuche es zumindest. Wenn ich nachts an einem Roman schreibe, fühle ich mich als Schriftsteller. Und als ich noch als VJ für TeleZüri unterwegs war, schaltete ich auf den Reporter-Modus. Sobald ich meine Rolle intus habe, legen sich die Unsicherheiten.
Beispielsweise die Angst, alles gar nicht zu können?
Genau. Irgendwie hatte ich im Beruf immer ein gesundes Gottvertrauen. Das mag naiv tönen, ist aber hilfreich. Ich habe Jura studiert, ein Fach, das mir überhaupt nicht lag. Aber ich habe es durchgezogen. Für mein späteres Leben war dies wichtig. Privat habe ich viele Selbstzweifel. Ich frage mich andauernd: War ich nett und aufmerksam genug? Habe ich genug nachgefragt? Habe ich genügend Trinkgeld gegeben?
Vielleicht fehlt dir im Privaten eine Rolle, beispielsweise jene des Hausmanns?
(Nickt bedächtig.) Ja, ja, vielleicht. Das könnte schon sein. (Überlegt und lacht dann laut auf.) Ich werde bald 60 und bin immer noch auf der Suche nach dem richtigen Stand für mein Privatleben. Das ist wirklich eine Herausforderung. Ob das noch kommt?
Schwer zu sagen. Apropos Hausmann: Was sind deine Stärken im Haushalt?
(Schweigt und schüttelt den Kopf.) Keine. Ich habe eine Putzfrau. Die Wäsche habe ich auch ausgelagert, und ich esse sehr viel in Restaurants.
Du machst gar nichts selber?
Nein. Ich zahle meine Rechnungen und zwar pünktlich. Das ist wohl meine grösste Stärke im Haushalt (lacht).
Welche Frauen haben deinen Weg geprägt?
Da gab es diverse. Bei TeleZüri habe ich unter anderem mit Daniela Lager, Eva Wannenmacher, Regina Buol, Gabriella Sontheim, Daniela Jordi oder Christine Schnyder zusammengearbeitet. Ich habe mich sehr gut mit ihnen verstanden. In vielen Bereichen konnte ich von ihnen profitieren. Ich hatte in meinem Umfeld oft selbstbewusste Frauen – auch privat. Ich war meist mit Frauen zusammen, die stärker waren als ich.
Dann hättest du ja deinen Partnerinnen das mit der Karriere überlassen können.
(Lacht.) Stimmt eigentlich, das wäre eine Möglichkeit gewesen. Ich weiss nicht genau, warum ich so viel in den Beruf investiert habe. Vielleicht, weil ich nie den starken Wunsch nach einer eigenen Familie hatte. Diese hatte ich ja im Job. Ich wollte schon früh in die Medien. Als Elfjähriger habe ich einen Schreibwettbewerb bei Radio DRS gewonnen. Später, als Radio24 von Italien aus sendete, war ich der grösste Fan. Das hat mich geprägte. Auch das Studium, das ich eigentlich für meinen Vater beendet habe, war nur ein Hilfsmittel, um Journalist zu werden. Im Nachhinein bin ich glücklich, dass sich all meine Jugendträume erfüllt haben.
Hast du die Familienpläne für die Karriere geopfert?
(Hadert mit der Antwort.) Nein, das habe ich nicht. Oder vielleicht doch, irgendwie. Ich war immer viel unterwegs, auch abends. Da war sicher ein gewisser Egoismus, der die Familienfrage in den Schatten gestellt oder verdrängt hat.
Fühlst du dich ohne Kinder als ganzer Mann? Oder bereust du den Entscheid gegen die Familie?
Ich bereue nicht, dass ich keine Kinder habe. Es war ja auch kein bewusster Entscheid, es hat sich einfach nie ergeben. Dafür bin ich heute vierfacher Götti. Vielleicht kommt das mit dem Bereuen auch noch, vielleicht gibt es sogar noch eine Familie. Aber insgesamt bin ich ganz glücklich mit meinem Leben.
Anderes Thema: Warum machst du eigentlich seit 10 Jahren Teleblocher?
Ich mache das sogar schon seit 15 Jahren. Die Idee stammte von Norbert Neininger, dem Herausgeber der Schaffhauser Nachrichten, und kam auf, als Christoph Blocher im Bundesrat war. Als er abgewählt wurde, wollten wir mit der Sendung aufhören. Wir verzichteten dann aber darauf, weil wir nicht durch den Hinterausgang verschwinden wollten. Die schlechten Kritiken, hatten wir eh schon eingefahren, also konnten wir auch weitermachen (lacht). Und so ist daraus eine Weekly Soap geworden, die mittlerweile wohl die längste Internet-Talkshow weltweit und ein fester Bestandteil meines Lebens ist.
Interessiert dieses Kaffeekränzchen zweier grauhaariger Männer noch jemanden?
Wir sind inzwischen sogar zwei weisshaarige alte Männer. Und ja, offenbar sogar sehr: Die Klickzahlen sind gut. Wir haben auf Youtube momentan rund 10'000 Personen pro Woche, die zuschauen. Und via Schaffhauser Fernsehen kommen nochmals rund 40'000 dazu.
Kommt ihr auch privat gut aus?
Ja, wir mögen uns. Wir haben einen interessanten Austausch, nicht zuletzt, weil wir aus der gleichen Ortschaft – Uhwiesen im Zürcher Weinland– stammen. Mein Vater war der Lehrer, seiner der Pfarrer. Das verbindet.
Tauscht ihr Kochrezepte aus?
(Lacht schallend.) Also ich kann nicht kochen. Aber wie es bei Christoph ist, weiss ich nicht.
Und Stylingtipps?
(Lacht noch lauter.) Das wäre noch besser. Fürs Styling habe ich Frauen im Umfeld. Büchertipps haben wir uns schon gegeben, und am liebsten diskutieren wir über Kunst.
Wenn wir gerade bei Büchern sind: Warum schreibst du klassische Männerliteratur?
Man schreibt meist über sich selbst. Da sind Erfahrungen, Wünsche und Projektionen drin. Klar überzeichne ich meine Figuren. Da wird aus einem sensiblen Mann auch mal ein Macho. Deswegen wurde mir auch schon vorgeworfen, Männerliteratur zu schreiben. Ich habe aber festgestellt, dass Frauen meine Bücher viel exakter lesen.
Liest du selbst Bücher von männlichen Autoren?
Ja, ja, klar. (Blickt irritiert auf.) Also, ich lese eigentlich alles. Ob eine Frau oder ein Mann das Buch geschrieben hat, ist mir egal. Hauptsache, der Inhalt ist gut.
Warum sollten Frauen deine Bücher lesen?
(Stockt, sucht die passenden Worte.) Naja, also man sollte meine Romane lesen, weil sie einen nicht erdrücken und – so hoffe ich jedenfalls – einen ausgeklügelten Plot haben. Martin Walser, mit dem ich sehr verbunden bin, nannte mich einmal «Plotvirtuose».
Du wirst bald 60. Belastet dich das?
Es ist ja erst in einem Jahr. Aber manchmal denke ich schon darüber nach. Als ich ein kleiner Bub war, war 60 für mich relativ alt. (Überlegt). Ich ziehe schon hin und wieder Bilanz und denke: Doch, du hast einiges erreicht und viel gemacht. Vielleicht hätte ich aber auch noch mehr machen können ...
Wie verändert sich dein Körper?
Meine Haare sind praktisch mit einem Schlag grau oder fast weiss geworden. Vor acht Jahren waren sie noch schwarz. Das hat sicher auch mit der Arbeit und dem Wechsel in die Selbstständigkeit zu tun.
Warum färbst du sie nicht?
Das ist nichts für Männer. Ich habe sie einmal gefärbt, und es sah schrecklich aus. Seither lasse ich das.
Immerhin hast du ein eindrückliches Volumen.
(Lacht herzhaft.) Ja gell, das Volumen ist nicht schlecht. Ich weiss auch nicht, woher das kommt. Das ist vielleicht der Deal: Ich habe viel Volumen, dafür sind die Haare weiss.
Du hast kaum Falten, hilfst du da mit etwas nach?
(Kichert und schüttelt den Kopf.) Nein, also nicht operativ oder so, wenn du das meinst. Ich trage seit elf Jahren jeden Morgen Nivea Q10 auf. Das war ein Tipp von Barbara Lienhard. Da bin ich konsequent, und das scheint zu nützen.
Worauf legst du sonst Wert bei deinem Aussehen?
Ich dusche ein- bis zweimal am Tag, nehme jeden Morgen eine Vitamintablette und rasiere mich täglich. Das habe ich auch im Lockdown so gemacht.
Was ist dein Signature Look?
Gute Schuhe sind mir wichtig. Ich trage Turnschuhe für meine täglichen Schritte. Ich mag Jeans und ein Hemd und kaufe gerne bei Zara ein. Wenn ich in einer anderen Stadt ankomme, gehe ich immer zu Zara. Ich weiss, das ist politisch nicht ganz korrekt, aber ich finde immer etwas, das passt. Ausserdem bin ich ein grosser Fan von IWC- und auch Swatch-Uhren. Die hier ist von der Biennale, die gibt es nur in Venedig (er zeigt sie stolz.)
Eine schöne Uhr. So, du hast es geschafft.
War's okay?
Das kannst du sagen.
(Kichert.) Mir geht’s sehr gut, danke.