Severin Dressen ist dreifacher Familienvater und Direktor des Zoos Zürich. Mit uns hat er über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, seine Haarpracht und sein Balzverhalten gesprochen. Und war dabei ganz zahm.
Wir fragen Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven.
Du hast als Zoodirektor einen echten Traumberuf für viele Männer. Du kannst den ganzen Tag mit all diesen herzigen Tierli verbringen. Wie bist du dazu gekommen?
Für mich ist wirklich ein Kindheitstraum wahr geworden. Ich bin einer von denen, die ihren Berufswunsch nie geändert haben. Allerdings verstand ich erst im Laufe der Zeit, was zu diesem Job alles dazugehört. Dass es eben nicht nur darum geht, mit den Tierli Zeit zu verbringen, sondern dass da noch viel mehr dazugehört. Ich bin viel eher ein Manager für Natur- und Artenschutz, Bildung und Forschung. Das sind unsere vier Hauptaufgaben als moderner Zoo. Trotzdem bin ich drangeblieben und habe alles darauf ausgerichtet.
Wie zielstrebig.
(Schmunzelt.) Ja ja, ich habe Biologie studiert und in Zoos gearbeitet. Vor vier Jahren hatte ich dann das grosse Glück – ich hatte viel Glück im Leben –, dass ich die Leitung des Zoos Zürich, damals schon einer der führenden Zoos Europas, übernehmen konnte.
Damals warst du 32 Jahre alt. Ziemlich kühn, dass die dich als Zoodirektor eingestellt haben, nicht?
Das kann man so sagen. Auch weil ich nicht gerade den Vorstellungen entsprach: Man wollte eigentlich eine 40-jährige Schweizerin. Das hat nicht so ganz funktioniert, und so hat der Zoo einen 32-jährigen Deutschen bekommen. Altersmässig war ich aber nicht so weit von meinem Vorgänger entfernt – der war 35, als er die Leitung übernommen hat.
In dem Alter seid ihr Männer aber ein grosses Risiko. Ihr fallt immer wieder aus wegen der Familienplanung und der Kinder. Das ist für ein Unternehmen schon ungünstig.
Ähm, ja (ist kurz sprachlos). Das Schweizer Gesetz bietet da ja nicht so viel Raum. Als wir in die Schweiz kamen und unser zweites Kind zur Welt kam, war gesetzlich noch ein Tag Vaterschaftsurlaub vorgesehen. Bei unserem dritten Kind waren es dann zwei Wochen. Wir als Unternehmen haben vier Wochen. Aber du hast natürlich vollkommen recht: Meine Karriere funktioniert nur, weil ich ein überraschend konservatives Familienmodell lebe, was ich ehrlich gesagt nie von mir gedacht hätte.
Ganz anders als in der Tierwelt, wo sich die Männchen um die Aufzucht des Nachwuchs kümmern.
(Lacht.) Genau. Meine Frau und ich haben wirklich überhaupt keine paritätische Aufgabenteilung zu Hause. Ich arbeite 100 Prozent oder eher noch etwas mehr, und sie kümmert sich um alles daheim.
Krass. Hast du nie Angst, daheim etwas zu verpassen?
Doch mega! Das macht mir wirklich manchmal etwas Angst. Wenn ich nicht diesen Traumjob hätte, den ich total liebe, würde ich nie so viel arbeiten. Und ich bin neidisch auf meine Frau, dass sie so viel Zeit mit den Kindern verbringen kann.
Kannst du denn als Vater wirklich committen zu einem CEO-Job? Ist es nicht die falsche Zeit in deinem Leben für eine Karriere?
Es ist schon die richtige Zeit. Aber natürlich nur, weil ich nichts zu Hause auffangen muss. Ich habe auch akzeptiert, dass es für mich im Moment nichts gibt neben dem Job und meiner Familie. Es gibt keinen Raum für mich und auch nicht viel Raum für private Verpflichtungen, die über die Familie hinausgehen.
Du warst Tierpfleger. Ein typischer Männerberuf mit all der Care-Arbeit, dem Putzen und der Babypflege. Wärst du da nicht besser aufgehoben?
(Lacht.) Das sind ja wirklich grausame Fragen. Schon krass, was Frauen noch so zu hören bekommen. Interessanterweise gibt es wirklich einen Gender Shift in der Tierpflege. Früher war das eine typische Männerdomäne. Das hat sich massiv geändert. Die Tierpflege ist zur Frauendomäne geworden.
Woher kommt dieser Shift?
Der Job hat sich sehr verändert. Früher brauchte man als Tierpfleger in erster Linie Muskeln, weil man vor allem die Gehege sauber machen musste. Auch heute ist es ein harter, körperlicher Job, aber das Profil ist ein anderes: Man braucht eine hohe soziale Kompetenz, muss mit vielen Stakeholdern, gerade auch Gästen, interagieren. Man muss Daten aufnehmen und dokumentieren, kreativ und auch sattelfest in Englisch oder Mathematik sein. In Deutschland haben die meisten Tierpfleger:innen heute ein Abitur. Das zeigt, der Anspruch ist heute anders.
Ich sehe hinter dir zwei Gemälde, eins von einem Tiger und eins von einem Elefantenbaby. Wo verortest du dich denn da, vom Typ her?
Wo ich mich da verorte? (Dreht sich um und lacht herzhaft.) Da verorte ich mich natürlich beim Tiger, weil der schöner ist. Der hat so ein tolles Fell. Ich muss dazu noch sagen, dass diese Bilder schon lange vor mir in diesem Büro waren und es wohl auch noch lange nach mir sein werden.
Klar. Das bringt mich gleich zum nächsten Thema: Trägst du mehr Leoprint oder Zebramuster?
(Lacht schelmisch und schweigt.) Wenn ich das jetzt ehrlich beantworten soll, dann muss ich sagen: Weder noch. Ich bin richtig langweilig, was Klamotten angeht.
Schade, bei deinem Potenzial.
Ja, oder? Der einzige Luxus, den ich mir gönne, sind – ich versuch es zu zeigen, ohne dass ich mich hier verletze (verrenkt sich auf dem Stuhl und hält den Fuss in die Kamera) – spezielle Socken. Ich trage gerne Tierprint auf den Socken. Das ist mein Signature-Look.
Wie hältst du es so mit deinen wunderschönen langen Haaren? Trägst du die auch mal offen und wild?
Das ist natürlich fast schon ein Betriebsgeheimnis, wie lang die sind (streicht sich dabei über den Kopf und lächelt etwas verlegen). Aber bezüglich Frisur: Ich glaube, es passt jetzt hierhin und in die Zeit, dass ich die Haare zusammenbinde und sie etwas braver trage.
Wenn wir grad bei diesen privaten Themen sind: Wie ist so dein Balzverhalten?
Mein was?
Dein Balzverhalten.
Haha, ach so, mein Balzverhalten. Ja gut (kichert noch mal). Da ich seit über zehn, nein elf Jahren ein glücklich verheirateter Mann bin, hat sich mein Balzverhalten in den letzten Jahren um meine Frau gedreht. Es gibt einen wunderschönen Vogel, dessen Name mir gerade nicht einfällt, obwohl ich ihn als Biologe natürlich kennen sollte. Wie auch immer, dieser Vogel baut wunderschöne Nester und sammelt dafür tolle Sachen. Das wäre vermutlich auch meine Masche: Ein schönes Setting zu bilden.
Du baust also euer Familiennest und schleppst dafür immer mal wieder was an.
So kann man das wohl zusammenfassen.
Du bist 35 Jahre alt, da geht’s bei euch Männern optisch und körperlich ja steil bergab. Wie kommst du damit klar?
Das ist tatsächlich wahr. Ich habe auch vor einem Monat mein erstes graues Haar entdeckt. Die Tatsache, dass ich neben Job und Familie kaum Zeit für mich und damit auch keine Zeit für Sport habe, hat jetzt auch einen Einfluss auf meine Figur. Ich muss zum ersten Mal in meinem Leben darauf achten, was ich esse, um nicht zu sehr zuzunehmen. Das war schon ein böses Erwachen.
Zum Abschluss möchten wir auch von dir noch einen Tipp aus dem Beauty-Bereich: Was hast du für uns?
Es gibt eine Kindercreme, auf die ich durch meine Kinder gekommen bin. Ich weiss nicht, ob die da so Pheromone reinmischen, aber die schmeckt so richtig gut. Die kann ich sehr empfehlen.
Hilft die auch gegen Falten? Ich seh's durch die Kamera nicht so richtig …
(Schaut sich selbst im Bildschirm kritisch an.) Ja, die hilft sicher. Aber ich wünsche mir ja so Lachfalten. Das finde ich richtig schön. Bisher bin ich aber noch ganz «smooth» unterwegs.