Du bist Partnerin bei Rod Kommunikation. Hast du bewusst eine eigene Agentur gegründet, damit du die Kontrolle hast und nicht in einer von Männern dominierten Welt aufsteigen musst ?
Ja, es war ein sehr bewusster Entscheid. Ich habe Rod mit zwei Partnern gegründet. Für sie war mein Geschlecht nie ein Thema. Wir haben uns gegenseitig einfach als Menschen wahrgenommen. Für uns alle war von Anfang an klar, dass wir alle gleich viel verdienen werden. Das war für mich eine wichtige Grundlage für Fairness. Wäre ich bei meinem früheren Arbeitgeber geblieben, hätte ich mich jahrelang abmühen müssen, um einen Platz in der Geschäftsleitung zu bekommen. Diese Geduld hatte ich nicht.
Es war aber damals dennoch eine mutige Entscheidung.
Ich erinnere mich, dass ich durch zahlreiche Freelance-Aufträge 34'000 Franken angespart hatte. Das war genau der Betrag, den ich für den Aufbau unseres Unternehmens aufbringen musste. Jeder Franken, den ich investiert habe, war also hart verdient. Ich bin stolz, zu sehen, was aus uns geworden ist, kreativ und als Team.
Wenn du heute die Agentur- und die Unternehmenswelt miteinander vergleichst, welche ist deiner Meinung nach für Frauen angenehmer?
Manchmal denke ich tatsächlich, dass es für Frauen in der Unternehmenswelt einfacher ist. Die meisten grossen Unternehmen haben klare Regeln und Richtlinien für Mitarbeitende, wenn es um Beförderungen, Kinderbetreuung oder Homeoffice geht. Ich sehe heute so viele weibliche CMOs (Chief Marketing Officers), dass ich mich frage, ob die Unternehmenswelt moderner ist als die Agenturwelt.
Wie ticken denn Agenturen?
Agenturen sind meist kleine bis mittelgrosse Betriebe, in denen alles etwas improvisiert ist. Es gibt kaum Regeln und Richtlinien. Man muss schon ziemlich zäh und gewieft sein und gut im Netzwerken und Verhandeln, um im Agenturumfeld weiterzukommen.
Also eine toughe Karrierewahl?
Das kommt auf die Agentur an. Wir arbeiten alle im Dienstleistungssektor. Wenn ein:e Kund:in sagt: «Ich brauche es bis heute Abend», dann ist es egal, ob du mit deinen Kindern auf dem Spielplatz bist oder ob du deinen freien Tag hast – du musst reagieren und die Arbeit erledigen oder jemanden organisieren, der dir die Arbeit abnimmt. Das ist eine grosse Herausforderung für Mitarbeitende, die Teilzeit arbeiten, wie beispielsweise Mütter und Väter. Das kann man nicht schönreden: Das Agenturleben mit Kindern ist anspruchsvoll, aber man kann es schaffen. Es ist ein Geben und Nehmen. Wenn man Kinder hat, ist es wichtig, eine Agentur zu wählen, die Verständnis für diese Situation hat. Dieses Verständnis sollte man als Mitarbeiter:in in Form von Loyalität und einer hohen Dienstleistungsbereitschaft zurückgeben.
In vielen Berufen fallen Frauen ab einer gewissen Führungsebene raus. Sie verzichten auf ihren Job, weil es zu schwierig ist, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen. Stellst du diesen Trend auch fest?
Kaum eine Schweizer Agentur hat eine echte paritätische und diverse Führung an der Spitze. Aktuell ändert sich das aber. Kund:innen erwarten ein divers geführtes Team. Frauen in Führungspositionen zu sehen, inspiriert die Jüngeren, ihrem Beispiel zu folgen.
Sinnvoll vorsorgen? Aber mit Rendite. Das geht. Wir sind überzeugt, dass ein verantwortungsbewusster Einsatz deines Geldes langfristig Wert schafft, ganz nach unserer Vision «Close the Gaps». Wenn du erwerbstätig bist, kannst du dich mit der elleXX 3a zusätzlich finanziell absichern, nachhaltig investieren und damit Steuern sparen.
Lass uns über deine Arbeit mit jungen Frauen sprechen. Erzähl uns doch von der Organisation #FRAUENARBEIT und ihrer Mission.
#FRAUENARBEIT ist ein Herzensprojekt. Wir wollen ambitionierten jungen Frauen die nötigen Instrumente, das Wissen und ein Netzwerk für eine erfolgreiche Karriere bieten. Viele in der Schweiz ansässige Unternehmerinnen und Führungskräfte teilen ihre Erfolge und Misserfolge exklusiv auf unserer Plattform und inspirieren unser Publikum mit ihren Geschichten und ihrer Ehrlichkeit. Frauen müssen untereinander Ideen und Erfahrungen austauschen können. Wir wollen der Ort sein, an dem das geschieht. Und wir bieten alle unsere Inhalte und unser Netzwerk kostenlos an.
Alles begann damit, dass du das Buch #FRAUENARBEIT geschrieben hast. Was hat dich damals dazu gebracht, dieses Buch zu schreiben?
Ich habe #FRAUENARBEIT geschrieben, weil ich das, was ich gelernt hatte, teilen wollte. Ich hatte schon ziemlich früh im Leben beruflichen Erfolg. Ich gründete meine eigene Werbeagentur im Alter von 29 Jahren. Mit 32 wurde ich zur Werberin des Jahres gewählt und war mit 35 Mitglied diverser Boards. Dennoch fühlte ich mich oft allein und orientierungslos, weil ich niemanden hatte, an den ich mich wenden und Fragen stellen konnte. Es gab niemanden, mit dem ich mich wirklich verbunden fühlte. Und wie hätte ich meine Unsicherheiten gegenüber meinen männlichen Chefs eingestehen sollen, ohne meine Karriere zu gefährden? Business-Clubs waren nicht mein Ding. Und die Business-Literatur war nicht auf mich zugeschnitten. Also musste ich meine Lektionen selber lernen und dabei auch Fehler machen.
Das kennen wohl viele Frauen.
Ich hoffte es. Ich schrieb all meine Erfahrungen auf und fasste sie in einem Buch zusammen, in der Hoffnung, dass meine Geschichte anderen jungen Frauen helfen würde. Die Organisation #FRAUENARBEIT folgte kurz danach. Inzwischen haben wir Führungskräfte wie Jessica Anderen, CEO von IKEA Schweiz, und Aglae Stachwitz, CEO von McDonald's Schweiz, dazu gebracht, ihre Geschichten mit uns zu teilen. Es ist sehr cool, zu sehen, wie die Community in der Schweiz die Bewegung von #FRAUENARBEIT heute aufnimmt und sich mit ihr verbindet.
Es ist schön, zu hören, dass du über deine Erfolge sprichst. Wir Frauen spielen unser Erreichtes oft runter, damit wir nicht zu prahlerisch wirken. Was hat dir damals das Gefühl von Erfolg vermittelt?
Ich glaube, das Schlagwort lautet «Aufmerksamkeit». Irgendwann kommt ein Punkt im Leben, an dem man hart gearbeitet und viele Überstunden gemacht hat und sehr viel Effort geleistet hat. Und plötzlich fangen die Leute an, über einen zu sprechen. Man scheint als Person Aufmerksamkeit zu erregen. Ab diesem Punkt funktioniert die Karriere «einfach so», sie hat eine Menge Schwung und Aufwind. Das habe ich erlebt.
Was bedeutet Erfolg für dich?
Erfolg ist für mich, wenn man den Schwung nutzen kann und kluge Entscheidungen trifft, was man macht und was nicht. Wenn man anhaltenden Mehrwert für Kund:innen kreiert und Freude und Genugtuung dabei erfährt.
#FRAUENARBEIT gibt es seit fünf Jahren. Was hat sich seither für Frauen verändert?
Als wir begonnen haben, konnte man in der Schweiz bei der Arbeit eine Feministin sein – aber nur im Verborgenen. Diesen Ruf zu haben, konnte noch negative Folgen für die Karriere haben. Heute kann man bei der Arbeit als Feministin auftreten, ohne dass dies Konsequenzen für die Karriere hätte. Eigentlich können es sich Schweizer Unternehmen auch gar nicht länger leisten, über Gleichstellung zu schweigen. In den meisten Unternehmen gibt es inzwischen eine grosse Nachfrage nach Frauen, die Führungspositionen übernehmen wollen. Die Unternehmen haben Frauen zu lange vernachlässigt, und jetzt herrscht ein Krieg um weibliche Talente.
Wie schaffst du es, eine Agentur zu leiten, Frauen zu betreuen und eine Stiftung mit zu führen?
Ich habe eine klare Prioritätenliste: Die Familie kommt zuerst, Kund:innen an zweiter und #FRAUENARBEIT an dritter Stelle. Und irgendwo dazwischen möchte ich auch noch ein Sozialleben haben, im Wald spazieren gehen und im See schwimmen. Klare Prioritäten zu haben, erleichtert es mir, meine Energie einzuteilen.
Wie jonglierst du mit all dem im Alltag?
Jonglieren impliziert, dass man das alles alleine schaffen muss. Aber ich bin nie allein. Ich jongliere gemeinsam mit meinem Mann. Wir sprechen über unsere Wochen und schauen, wer mehr zu Hause übernehmen kann. Dann jongliere ich mit meinem Team bei Rod und mit meinen Kolleginnen bei #FRAUENARBEIT. Wir setzen gemeinsam Prioritäten, sagen Projekte zu, die wir verfolgen möchten, und andere ab. Man muss sich mit Menschen umgeben, die erkennen, wenn man überfordert ist, die einspringen, Druck abbauen und Dinge übernehmen. Menschen, die sich trauen, dir zu sagen, dass du aufhören sollst, wenn du dich überforderst. Und wenn es schwierig wird, tut man selbst dasselbe für sie.
Dein erster Tipp lautet also: Ein gutes Team haben?
Ja. Man sollte zudem lernen, die wichtigsten Aufgaben zu identifizieren. Wenn wir eine Menge Arbeit vor uns haben, neigen wir Menschen dazu, uns auf die einfachen, kleinen Aufgaben zu konzentrieren. Wir machen den Fehler, das grössere Problem nicht zuerst anzugehen. Ich zwinge mich, die grossen Probleme zuerst anzupacken, auch wenn ich mich dabei unwohl fühle. Das ist eine Gewohnheit. Auf diese Weise ist es auch einfacher zu entscheiden, ob man neue Projekte annehmen kann oder nicht.
Aber so zu handeln, ist nicht einfach, oder?
Nein, das ist es nicht. Noch vor ein paar Jahren war ich immer die erste, die sich in Sitzungen gemeldet hat, wenn es darum ging, neue Projekte zu übernehmen. Das musste ich mir richtig abtrainieren, weil ich konstant überlastet, überfordert und gestresst war. Oft auch aufgrund von Dingen, die nicht mal wichtig waren. Inzwischen habe ich gelernt zu sagen: «Klingt interessant. Wer übernimmt das?» Oder ich frage, ob wir interne Projekte, die unnötig sind, streichen können.
Du hast einen Sohn und eine Tochter. Achtest du darauf, wie du deine Tochter erziehst, damit sie sich eines Tages auch zutraut, eine Führungsrolle zu übernehmen?
Die Arbeit ist in unser Leben integriert, und die Kinder bekommen diesen Teil unseres Lebens natürlich mit. Ich weiss, dass sowohl unser Sohn als auch unsere Tochter immer etwas von der Arbeit meines Mannes und von meiner aufschnappen. So sehen sie auch die Vorteile und Herausforderungen einer Führungsposition. Ich behandle sie gleich, glaube ich.
Möchtest du, dass sie mal eine Führungsfunktion übernehmen?
Sie kommen beide regelmässig mit mir ins Büro und kennen die Leute in meinem Team. Sie wissen, wer was macht oder an welchen Kampagnen wir arbeiten. Und sie stellen beide viele Fragen. Vielleicht hilft ihnen das später bei der Entscheidung, ob sie in eine Führungsposition möchten oder nicht. Mein Mann und ich drängen sie nicht dazu.
Findest du als Werberin eigentlich, dass Unternehmen gute Arbeit leisten, wenn es darum geht, Frauen anzusprechen oder das Thema Gleichstellung aufs Tapet zu bringen?
Ich habe ein Beispiel für ein Unternehmen, das meiner Meinung nach eine grossartige, integrative Kampagne gemacht hat: Im Jahr 2020 beteiligte sich IKEA an der Abstimmung für zwei Wochen Vaterschaftsurlaub in der Schweiz. Die Kampagne sollte auf witzige und einfache Weise erklären, wie simpel es ist, eine wichtige gesellschaftliche Entscheidung für mehr Familienzeit, mehr Chancengleichheit und letztlich mehr Zufriedenheit bei der Arbeit zu treffen. IKEA nutzte die bekannte «IKEA-Montageanleitung», um den Wählerinnen und Wählern zu erklären, wie sie dazu beitragen können, die Schweiz familienfreundlicher zu machen.
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Was machte die Kampagne inklusiv?
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, eine solche Kampagne durchzuführen. Was mir gefallen hat, war, dass sie über ein Familienthema sprach, ohne sich speziell auf Frauen oder Männer zu konzentrieren. Jessica Anderen ist eine der wenigen weiblichen CEOs in der Schweiz und hat das Thema sehr offen angesprochen, auch wenn es negative Folgen hätte haben können. Aber die Kampagne fühlte sich nicht wie ein «weiblicher Kreuzzug» an, und es war kein Krieg der Geschlechter. Sie sprach alle an.
Das sollten mehr Unternehmen tun.
Absolut. Aktuell sagen in der Schweiz Unternehmen allzu oft: «Wir können nicht über Diversity-Themen reden, weil wir nicht perfekt sind.» Solange sie das sagen, werden wir nicht weiterkommen. Stattdessen müssen sie sagen: «Wir sind zwar nicht perfekt, aber wir sind auf dem Weg». Seid mutig genug, etwas zu sagen, auch wenn ihr das Gefühl habt, die Ziele noch nicht erreicht zu haben.
Wie können wir Männern das Gefühl vermitteln, dass der Aufstieg der Frauen für sie kein Nullsummenspiel ist?
Ich glaube, wir sind an einem Punkt angelangt, an dem es für die meisten Menschen logisch ist, ein vielfältiges Team zu haben. Vielfalt bringt mehr Perspektive, sorgt für eine lebendigere Kultur und ist ethisch und logisch das Richtige. Manche Leute sind jedoch noch nicht davon überzeugt, dass geschlechtsspezifische Vielfalt in einem Team wirklich einen Mehrwert darstellt. Deshalb müssen wir besser aufzeigen, dass Unternehmen mit mehr Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration erfolgreich sind und prosperieren. Es gibt noch viel zu tun, um die Skeptiker zu überzeugen. Und manche Leute lassen sich nur durch Zahlen überzeugen. Darum sage ich: Zeigen wir ihnen die Zahlen!
Vielen Dank, Regula, für deine Zeit und deine Offenheit.