Nachdem der Applaus für das letzte Referat des heutigen Seminars verebbt ist, greift sich Cécilia ihre Handtasche und bahnt sich ihren Weg zu einem der freien Stehtischchen. Da es bereits nach 18 Uhr ist, greift sie an den dargebotenen Wasser- und Orangensaftgläsern vorbei nach einem Glas kühlen Weisswein. Gerade als sie sich den ersten Schluck genehmigt hat und sich entspannen will, gesellt sich ein Herr mittleren Alters zu ihr an den Tisch. Ohne ihre Antwort auf sein «Moser. Darf ich?» abzuwarten, greift er sich beherzt eine der Käsestangen, die zwischen ihnen auf dem Tisch stehen. Noch kauend eröffnet er das Gespräch:
«Das war jetzt wirklich wieder einmal ein gut investierter Nachmittag.»
«Ja, ich fand die Veranstaltung auch gelungen.»
«Insbesondere das zweite Referat über diesen wichtigen Markenrechtsprozess hat mir ausgesprochen gut gefallen.»
«Das freut mich und ich werde Ihr Lob gerne an den Referenten, den ich zufällig persönlich kenne, weiterleiten.»
«Obwohl ich den Prozess taktisch etwas anders aufgezogen hätte.»
«Interessant, da bin ich ja gespannt, ich war nämlich…»
«Ich hätte mich nicht alleine auf die Marke gestützt, sondern noch eine zweite Angriffsflanke basierend auf Designrechte eröffnet.»
«Das war in diesem Fall nicht möglich, weil man es verpasst hatte, entsprechende Designs anzumelden und mangels Neuheit die Anmeldungen auch nicht mehr nachholen konnte. Das weiss ich zufällig, weil…»
«Oder man hätte sich noch auf Patente stützen müssen. Jedenfalls wäre da sicher noch mehr dringelegen, was die Höhe des Schadenersatzes betrifft.»
«Da kann ich Ihnen leider nicht zustimmen. Verglichen mit den Schadenersatzbeträgen, die in solchen Prozessen üblicherweise zugesprochen werden, war dies ein sehr beachtlicher Erfolg. Unsere Mandantin, die übrigens auch keine massgeblichen Patente hat, war denn auch äusserst zufrieden mit dem Ergebnis.»
«Wie auch immer. Sie kennen den Referenten?»
«Ja, ich habe ihn sogar bei der Vorbereitung seines Vortrags unterstützt, weil…»
«Dann geben ich Ihnen meine Karte. Sie können ihm diese bei Gelegenheit zustecken und darauf hinweisen, dass ich immer zur Verfügung stehe, wenn jemand noch etwas strategische Unterstützung eines alten Hasen im Prozessieren braucht.»
«Den Prozess habe genau genommen ich geführt, deshalb habe ich meinen Kollegen, wie erwähnt, auch bei der Ausarbeitung seines Referates unterstützt.»
«Verstehe.» Moser nimmt sich seine fünfte Käsestange. «Dann können Sie die Karte natürlich auch selbst behalten. Nur für alle Fälle.»
Cécilia betrachtet die Visitenkarte, auf der nur Mosers Name und seine Adresse angegeben ist. «Dann sind sie ebenfalls auf Immaterialgüterrechtsprozesse spezialisiert?»
«Ich? Nein, nein, allgemeines Prozessrecht, vorwiegend Scheidungen und Erbschaftsstreitigkeiten.»